Politik
Regierung will Putin-Gashahn jetzt schnell zudrehen
Die Bundesregierung will sich von der Abhängigkeit von Putins Erdgas lösen. Dazu kommt nun ein neues Maßnahmenpaket für vollere Gasspeicher.
"Der brutale Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine, die Zerstörung von Infrastruktur, die Ermordung von Menschen und der offene Einsatz von Energielieferungen als Waffe verdeutlicht unsere Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland. Diese Abhängigkeit schadet unseren Betrieben und belastet viele Familien. Sie leiden unter den hohen Preisen für das Gas, die sich auch auf die Strompreise auswirken. Das macht uns angreifbar und verletzlich", betont die Regierung am Mittwoch. Die Bundesregierung hat deshalb ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Sicherung der Gasversorgung beschlossen.
Vier Monate Selbstversorgung
Aktuell läuft die Gasversorgung nach Österreich noch unterbrechungsfrei, die bestellten Lieferungen kommen an. "Dennoch müssen wir uns auf eine Störung vorbereiten und den Ausstieg aus russischem Erdgas vorantreiben", heißt es weiter. Aktuell seien in den österreichischen Gasspeichern rund 25 Terawattstunden (TWh) Gas eingespeichert. Österreich könnte sich damit knapp vier Monate selbst versorgen.
Die ersten Maßnahmen würden aber bereits Wirkung zeigen: Die Beschaffung der strategischen Gasreserve sei angelaufen und die Speicher würden kontinuierlich gefüllt.
"Russland kein verlässlicher Partner mehr"
Bis zum nächsten Winter soll dieser Füllstand auf mindestens 80 Prozent ansteigen, damit die Versorgung der Menschen und Betriebe in unserem Land gesichert ist. Gleichzeitig werde die Unabhängigkeit von russischem Erdgas vorangetrieben. Wegen des brutalen Angriffskriegs gegen die Ukraine sei Russland "kein verlässlicher Partner mehr".
Deshalb werden in den nächsten Monaten verstärkt Gaslieferungen aus anderen Ländern in Österreich ankommen. Laut Berechnungen der Energieagentur kann Österreich bis 2027 vollständig auf russisches Erdgas verzichten.
Aufstockung der strategischen Erdgasreserve mit nicht-russischem Erdgas
Die strategische Gasreserve des Bundes wird auf insgesamt 20 TWh aufgestockt. Damit wird die eiserne Reserve für knapp zwei durchschnittliche Wintermonate ausreichen und damit die Versorgung der Haushalte und der lebenswichtigen Produktion absichern. Wichtig dabei ist – die Aufstockung erfolgt mit Gas aus anderen Lieferländern und nicht aus Russland. Damit werden zusätzlich 7,4 TWh Gas aus anderen Ländern beschafft.
Der Anteil von russischem Erdgas in Österreich sinkt damit rechnerisch um rund zehn Prozentpunkte. Die Aufstockung der Erdgasreserve erfolgt per Verordnung des Klimaschutzministeriums. Diese Verordnung wird rasch dem Hauptausschuss vorgelegt.
Verpflichtender Anschluss aller Gasspeicher an das Gasnetz
Der größte und modernste Gasspeicher Österreichs liegt in Haidach. Dieser Speicher ist aktuell jedoch direkt nur an das deutsche Gasnetz angeschlossen. Der Speicher dient zwar auch zur Versorgung von Gaskund:innen in Vorarlberg und Tirol und das Gas kann über Umwege auch in den Osten Österreichs transportiert werden. In Zukunft sollen jedoch alle österreichischen Gasspeicher direkt an das österreichische Gasnetz angeschlossen werden.
"Nur so stellen wir sicher, dass das benötigte Gas im Krisenfall auch rasch für die Kunden in Österreich zur Verfügung steht", so die Regierung.
Gasspeicher in Österreich müssen genützt werden
Um möglichst rasch das Ziel von 80-Prozent Speicherfüllstand in Österreich zu erreichen, muss in allen Gasspeichern kontinuierlich eingespeichert werden. Aktuell wird jedoch im von der Gazprom-Tochter GSA betriebenen Teil des Speichers Haidach kein Gas eingespeichert. In Zukunft wird in solchen Fällen eine "use it or lose it"-Regelung gelten.
Wenn Speicherbetreiber die von ihnen verwalteten Speicher nicht nützen, müssen andere Unternehmen Zugang zu diesen Speichern bekommen und haben dann dort die Möglichkeit, Gas einzuspeichern. Das ist bei den Transportkapazitäten im Gasnetz bereits jetzt gängige Praxis und wird in Zukunft auch bei Gasspeichern angewandt. Diese Regelung soll sicherstellen, dass in allen Speichern Gas eingelagert wird.
Sicherheit für Unternehmen, die Erdgas einspeichern
Große Industrieunternehmen, die eigenständig Erdgas kaufen und einspeichern, bekommen in Zukunft mehr Sicherheit. Sie können auch im Falle einer Energielenkung auf dieses Gas zugreifen. Sollte das zur Aufrechterhaltung der Versorgung von geschützten Kunden und der systemkritischen Infrastruktur nicht mehr möglich sein, bekommen die Unternehmen jedenfalls eine Entschädigung für die gespeicherten Mengen.
So können auch große Industrieunternehmen ihre eigene Produktion absichern und einen Beitrag zu volleren Speichern leisten.
Versorgungsversicherung
Die Bundesregierung will ein weiteres Sicherheitsnetz für die Gasversorgung in Österreich aufspannen. Mit der Versorgungsversicherung kann der Staat über den sogenannten Bilanzgruppenkoordinator die Energieversorger mit der Vorhaltung und Speicherung von Erdgas beauftragen. Gasunternehmen bekommen eine Abgeltung für die Vorhaltung und können das Gas, sofern es nicht abgerufen wird, selbst verwenden.
Österreich orientiert sich mit diesem Modell an der Vorgehensweise in Deutschland. Diese Versorgungsversicherung ist eine gute und effiziente Variante, um im Notfall fehlende Gasmengen rasch bereitstellen zu können – und sie leistet einen Beitrag zum Ziel der Bundesregierung, die Speicher bis zum Beginn der Heizsaison auf achtzig Prozent zu füllen.
Kommt es zu einem Engpass in der Gasversorgung, hat der Staat Zugriff auf umfangreiche Gasreserven. Wird das Gas nicht benötigt, fallen nur geringere Kosten an.
Entsprechende Novellen zu den fünf Maßnahmen sollen am Donnerstag im Parlament eingebracht bzw. bereits beschlossen werden.
Notfallpläne für Gas-Stopp durch Putin
Die Bundesregierung hat auch umfangreiche Notfallpläne für einen abrupten Stopp russischer Gaslieferungen vorbereitet. Klar ist, dass ein solches Szenario massive Einschnitte für die Wirtschaft in Österreich bedeuten würde. Umso wichtiger seien deshalb schon jetzt weitreichende Anstrengungen für volle Gasspeicher.
Unabhängigkeit von Russland brauche aber vor allem auch andere Lieferländer. Die Regierung will den Anteil an russischem Gas rasch in Richtung 50 Prozent drücken. Dazu gehöre auch der gemeinsame Gaseinkauf über die Europäische Union. Denn mit der verstärkten Lieferung von Erdgas aus anderen Ländern steigt der Spielraum für Österreich. "Die Versorgung wird zunehmend durch andere Quellen sichergestellt und Russland kann uns immer schwieriger unter Druck setzen", so die Regierung.
Das sagt Mnisterin
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler dazu: "Die sichere Versorgung der Menschen in unserem Land hat oberste Priorität. Dazu braucht es zwei Dinge. Erstens – volle Gasspeicher. Und zweitens – neue Lieferländer. Denn Unabhängigkeit gibt es nur ohne russisches Erdgas. Das heutige Paket legt die Basis dafür. Wir füllen unsere Speicher bis zum nächsten Winter auf mindestens achtzig Prozent – damit die Wohnungen warm bleiben und die Produktion laufen kann. Und wir beenden die Abhängigkeit von russischem Erdgas. Indem wir kontrolliert aber entschlossen auf Gas aus anderen Ländern umsteigen."
"Wir stocken die strategische Gasreserve nochmals auf. Und wir tun das, indem wir Gas einlagern, das nicht aus Russland kommt. Das baut Beziehungen zu neuen Lieferländern auf und reduziert unsere Abhängigkeit von russischem Gas. Nur mit diesem Schritt senken wir den Anteil an unseren Importen um rund zehn Prozentpunkte. Damit ist ein erster großer Schritt zum Ausstieg aus russischen Gasimporten getan. Und genauso werden wir jetzt weitermachen."
"Gasspeicher in Österreich sollen auch für unsere Versorgung genutzt werden können. Deshalb stellen wir sicher, dass alle Speicher auf unserem Staatsgebiet auch an unser Gasnetz angeschlossen werden. Und wir stellen sicher, dass sie auch befüllt werden. Wenn sich die Gazprom weiterhin weigert den Speicher in Haidach zu befüllen, bekommen andere Unternehmen Zugriff darauf. Wir werden dafür sorgen, dass in alle Speicher in Österreich eingespeichert wird. Und wer das blockiert, muss mit Konsequenzen rechnen."