Klimaschutz

Ökologe: "Natur wird vorwiegend als Kulisse verkauft"

Albaniens Wildfluss Vjosa wird zum Nationalpark. Wie der Naturschutzerfolg erreicht werden konnte, erzählt Ulrich Eichelmann in "Heute For Future TV".

Lydia Matzka-Saboi

Europas Gewässer sind in einem schlechten Zustand. Nur 15 Prozent der Flüsse sind noch ökologisch intakt. Der Naturschützer und Filmemacher, der Chef der NGO "Riverwatch", Ulrich Eichelmann, kämpft für den Erhalt lebender Flüsse. 

In "Heute For Future TV" erzählt Eichelmann, warum artenreiche, lebendige Flüsse, gerade in Zeiten der Klimakrise so wichtig sind.

Umweltschützer Ulrich Eichelmann an der Vjosa in Albanien. Jahrelang kämpfte er gegen die Zerstörung des Wildflusses – mit Erfolg. Die albanische Regierung hat den Fluss im Süden des Landes zum Nationalpark erklärt.
Umweltschützer Ulrich Eichelmann an der Vjosa in Albanien. Jahrelang kämpfte er gegen die Zerstörung des Wildflusses – mit Erfolg. Die albanische Regierung hat den Fluss im Süden des Landes zum Nationalpark erklärt.
(c) Philip Bethge / Der Spiegel

"Naturzerstörung als Umweltschutz verkauft"

Viel zu oft werde Natur mit dem Klimaschutz-Argument geopfert, also "Naturzerstörung als Umweltschutz verkauft", betont Eichelmann im TV-Interview. Italien etwa wollte von 2007 bis 2010 an der Vjosa ein Wasserkraftwerk bauen (Kalivaç), damit das Land den von der EU geforderten Anteil an Erneuerbarer Energie erfüllen kann. Umweltschützer konnten den Kraftwerksbau verhindern.

Albanien erzeugt fast seinen gesamten Strom aus Wasserkraft und hatte den Bau von 45 Wasserkraftwerken entlang der Vjosa geplant. Die Vjosa gilt als der letzte "wilde" Fluss in Europa, auf einer Länge von 270 Kilometer vom Pindus-Gebirge in Griechenland fließt sie durch enge Schluchten, Ebenen und Wälder in Albanien bis zur Adria-Küste.

Naturzerstörung für die Produktion von "Grünstrom" kritisiert Eichelmann scharf: "Wir sind überhaupt nicht erfolgreich in der Bekämpfung des Klimawandels, wir zerstören nur sehr viel schneller die Natur.“

Auch bei den großen Umweltschutzorganisationen werde "nicht mehr genau hingeschaut", man denke nur mehr in "CO2-Einheiten". Eichelmann kritisiert, dass unter dem Deckmantel des Klimaschutzes "Wälder, ja sogar Regenwälder gerodet werden".

"Sogar die allerletzten Flüsse – auch hier in Österreich – werden hingerichtet, dem Klimaschutz geopfert", sagt Ulrich Eichelmann.

"Heute For Future TV" ist donnerstags auf allen Kanälen der R9-Gruppe (W24, KurierTV, NÖN N1, etc.) um 16:30 Uhr sowie samstags um 9:30 Uhr (Wh.) und auf YouTube/@heuteat zu sehen. Es moderieren Amra Durić und Lydia Matzka-Saboi.

Grüne Landschaften als Kulissen

"Die meisten Menschen in Mitteleuropa haben noch nie einen wilden, lebendigen Fluss gesehen, der frei von menschlichen Einflüssen ist", sagt Eichelmann. "Alles was wir sehen, sind oft Kanäle oder kleine Überreste eines Flusses." Eichelmann nennt als Beispiel die Donau: "Auf den ersten Tausend Kilometern – vom Schwarzwald bis nach Bratislava – gibt es 58 Staudämme und nur drei Strecken, wo der Fluss über 30 Kilometer frei fließen kann."

Wir hätten außerdem "die Fähigkeit verloren, genauer hinzuschauen". Eichelmann: "Wir leben in einer Marketing-Gesellschaft, wo es vorwiegend darum geht, Kulissen zu verkaufen. Wir sehen zwar grüne Landschaften, oft sind diese aber leere Lebensräume. Die Wiesen sind tot, sie sind hochgedüngt, werden intensiv genutzt, drei, vier Mal im Jahr gemäht und alles, was da mal in der Wiese lebte, wird mit in die Silage, in diese riesigen Plastikballen, reingepresst und stirbt.“

Ökologe Ulrich Eichelmann im "<em>Heute</em>"-Talk mit Lydia Matzka-Saboi.
Ökologe Ulrich Eichelmann im "Heute"-Talk mit Lydia Matzka-Saboi.
(c) "Heute" / Sabine Hertel

Kein Klimaschutz ohne Naturschutz

Wir könnten viel von den Balkanländern lernen, wo sich die Menschen für Naturschutz noch einsetzen und klarstellen würden, "ich will nicht, dass mir mein Fluss gestohlen wird". Eichelmann appelliert, wieder mehr Verantwortung zu übernehmen und aktivistischer zu werden.

"Fridays For Future ist deswegen so erfolgreich, weil sie auf die Straße gehen, weil sie sich engagieren. Das haben wir im Naturschutz tendenziell verlernt. Wir machen Gesetze, Petitionen – aber das wirkt nicht mehr!“

"Ich wünsche mir viel mehr Einsatz für die Natur, denn nur wenn wir die Natur schützen, können wir auch das Klima retten. Wir müssen beides machen: Klima- und Umweltschutz. Wenn man eines weglässt, verlieren wir alles“, so Eichelmann.

 Das ganze TV-Interview auf YouTube

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