Politik
Null Strafen! Gewesslers Verkehrsregeln nicht umsetzbar
Die neuen Verkehrsregeln sorgten letztes Jahr für Aufsehen. Doch die Polizei enthüllt nun: Bei manchen Regeln gab es bisher keine einzige Strafe!
Vor über einem Jahr wurde die 33. StVO-Novelle auf den Weg gebracht. Weil weite Teile der geltenden Verkehrsregeln noch aus den 1960er Jahren stammen, brauche es eine umfassende Neuanpassung, um das Radfahren und Zufußgehen sicherer zu machen, sagte Verkehrsministerin Leonore Gewessler bei der Präsentation.
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Innerorts muss seitdem der Abstand beim Überholen eines Radfahrers mindestens 1,5 Meter betragen, im Freiland sogar zwei Meter. Aber: Fährt das Auto unter 30 km/h oder ist ein Radstreifen vorhanden, darf dieser Abstand unterschritten werden. Um wie viel genau regelt das Gesetz nicht.
Genau das ist einer der Hauptkritikpunkte der Polizei, die die neuen Abstandsregeln für zu kompliziert und nicht praxistauglich hält.
Null Strafen, Polizei distanziert sich
Reinhard Kolm, Leiter der Wiener Fahrradpolizei, sagt im "Ö1-Morgenjournal" sogar, dass es bisher keine einzige Strafe gab. Das Gesetz sei schlichtweg nicht kontrollierbar. "Es gibt hier keine klaren und eindeutigen Konturen und somit ist es sehr schwierig das Gesetz anzuwenden oder zu verstehen." Größtes Problem: Die Polizei kann den Überholabstand nicht einmal messen, sondern nur schätzen, womit man natürlich "nicht ganz glücklich" ist.
Auch wenn nichts in Bewegung ist, bereiten die neuen Regeln Schwierigkeiten. So ist es etwa vorgesehen, dass Autos von Verkehrsrowdys bis zu 72 Stunden lang an Ort und Stelle stillgelegt werden können. Thomas Losko, Chef der Wiener Verkehrspolizei, sagt aber: Das Auto dürfe nicht ohne Kennzeichen am Wegesrand stehen, weil das für nur zugelassene Fahrzeuge erlaubt ist. Eine klare Regelung, wie man mit diesem Widerspruch umzugehen hat, gibt es nicht. "Deswegen haben wir uns davon bis auf Weiteres distanziert."
Gewessler: "Gute Handhabe"
Harte Kritik von jenen, die die Regeln eigentlich umsetzen müssen. Eine Überarbeitung plane Gewessler laut "Ö1" aber nicht. "Wir haben große Pakete beschlossen. Wir haben hier wirklich eine gute und breite neue Handhabe für die Verkehrssicherheit. Die gehört jetzt in einem ersten Schritt gut umgesetzt und daran wollen wir jetzt arbeiten."
Mit den Behörden solle nun geklärt werden, wie die Umsetzbarkeit klarer geregelt werden kann. "Ich bin immer dabei, dass man schaut, wie kann man den Vollzug besser machen, was braucht es dazu." Man sei in gutem Austausch mit dem Innenministerium.
Das fordern Experten
Die Experten vom Kuratorium für Verkehrssicherheit wollen hingegen die StVO als Ganzes komplett überarbeiten und ein neues, modernes, einfach zu verstehendes Regelwerk für alle Verkehrsteilnehmer schaffen. Klaus Robatsch verweist im "Ö1"-Interview eingangs darauf, dass alleine letztes Jahr über 30.000 Radfahrer so schwer verletzt wurden, dass sie ins Krankenhaus mussten. Bereits jeder dritte Verunglückte im Straßenverkehr ist ein Radfahrer.
Das Regelwerk sei einfach nicht verständlich genug. Über 60 Jahre und mittlerweile 33 Novellen hätten dafür gesorgt, dass es ein Flickenteppich geworden ist. Die Anforderungen haben sich heutzutage geändert.
Blick zu den Nachbarn
Beim Thema Überholabstand zeigt ein Blick nach Deutschland, wie man es besser machen könnte. Hier ist klar geregelt, dass es genau 1,5 Meter innerorts und zwei Meter im Freiland sein müssen. "Um Unfälle zu vermeiden ist das notwendig." Nur mit hochwertiger Infrastruktur könne sich die Situation bessern.
Ein weiteres Problem: "Wir sind ein Land der Raser. Wir fahren einfach viel zu schnell." Nicht für die Zahl der Toten, sondern generell für alle Verkehrsteilnehmer wäre eine geringere Geschwindigkeit besser. Es brauche mehr Aufklärung und strengere Strafen. Wer in Österreich in einer 50er Zone unterwegs ist, verliert erst bei 95 km/h den Führerschein – und das auch nur für ein Monat.