Stockholm-Analyse

NHL-Trainer: "Rossi einer unserer besten Spieler"

Marco Rossi ist Minnesotas Lichtblick in der Krise. In Stockholm spielt sich der Österreicher weiter ins NHL-Rampenlicht, erntet Lob vom Trainer.

Sebastian Klein
NHL-Trainer: "Rossi einer unserer besten Spieler"
Marco Rossi jubelte heuer schon über sechs Tore.
IMAGO/USA TODAY Network

"Rossi ist die gesamte Saison bisher einer unserer besten Spieler", schwärmt Trainer Dean Evason in Stockholm. Der Kanadier ist Headcoach des NHL-Klubs Minnesota Wild, dieser Tage nicht gerade häufig in der Stimmung für Lobeshymnen. Sein Team verlor fünf Spiele in Folge, gewann nur fünf der 17 Saisonspiele. Die Play-offs scheinen außer Reichweite zu sein. Evason steht zumeist mit grimmiger Miene auf der Spielerbank, hat gleich mehrere Brandherde zu bekämpfen. Sein österreichischer Schützling Rossi zählt nicht dazu. Der Vorarlberger lässt die Franchise von einer besseren Zukunft träumen.

Trainer adelt Rossi

Rossi ist drauf und dran die Vakanz auf der Center-Position in der Top-Reihe dauerhaft zu füllen. In Stockholm durfte der 22-Jährige in beiden Wild-Spielen der "Global Series" zwei Superstars als Mittelstürmer der Linie eins aufs Eis führen. Eine verantwortungsvolle Aufgabe. Coach Evason: "Wir sind extrem zufrieden. Was uns gefällt ist sein Einsatzwille. Er geht zum Tor und zahlt den Preis, um Tore zu erzielen. Er ist auch defensiv gut. Wir brauchen diese Linie, um uns weiter voranzutreiben."

Marco Rossi im November
Stockholm: 3:4 n.V. gegen Toronto – 1 Assist, 1 Schuss, 18:13 Minuten Eiszeit
Stockholm: 1:2 n.P. gegen Ottawa – 1 Tor, 3 Schüsse, 18:13 Minuten Eiszeit
3:8 gegen Dallas – 1 Assist, 0 Schüsse, 14:33 Minuten Eiszeit
2:3 in Buffalo – 0 Punkte, 1 Schuss, 15:02 Minuten Eiszeit
1:4 bei den Rangers – 0 Punkte, 1 Schuss, 15:53 Minuten Eiszeit
4:2-Sieg bei den Islanders – 0 Punkte, 0 Schüsse, 16:45 Minuten Eiszeit
5:4-Sieg gegen die Rangers – 1 Tor, 4 Schüsse, 22:44 Minuten Eiszeit
3:5 gegen New Jersey – 1 Tor, 1 Assist, 4 Schüsse, 20:04 Minuten Eiszeit
Bilanz: 3 Tore, 2 Assists in 8 Spielen / 2 Siege, 6 Niederlagen für die Wild

Rossi spielte in Schweden zwischen den beiden offensiv stärksten Flügel im Kader der Wild: der russische Wirbelwind Kirill Kaprizov und Routinier Mats Zuccarello, der bei den New York Rangers bereits zwei Saisonen mit Michael Grabner zusammengespielt hatte. Es ist Rossis Lohn für harte Arbeit in der Sommer-Vorbereitung und den letzten beiden, schwierigen Jahren. In Runde eins an achter Stelle gedraftet, zunächst mit großen Vorschusslorbeeren bedacht, hatte den jungen Angreifer eine Covid-Erkrankung und die folgende Herzmuskel-Entzündung aus der Bahn geworfen. Rossi musste sich über den Umweg AHL zurückkämpfen, an die beste Eishockey-Liga der Welt herantasten. Evason: "Er hat sich entwickelt und verbessert, vielleicht ein bisschen langsamer, als von einigen erwartet. Jeder entwickelt sich anders. Er ist im Sommer in phänomenalem Zustand gekommen. Er war bereit, ein NHL-Spieler zu sein. Er verdient es, dass er dort spielt, wo er jetzt spielt."

Rossi schrammte im Oktober noch Zentimeter am ersten Tor vorbei

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    Marco Rossi jubelte zu früh. Wegen einer Coaches-Challenge zählt sein erstes NHL-Tor nicht. Ein Mitspieler war um Zentimeter zu früh im Angriffsdrittel – Abseits.
    Marco Rossi jubelte zu früh. Wegen einer Coaches-Challenge zählt sein erstes NHL-Tor nicht. Ein Mitspieler war um Zentimeter zu früh im Angriffsdrittel – Abseits.
    NHL

    Rossi hat über den Sommer sieben Kilogramm Muskelmasse zugelegt. Die machen sich auf dem Eis bemerkbar. Der ÖEHV-Legionär hält in den Kämpfen an der Bande besser dagegen, lässt sich beim Abschirmen der Scheibe nicht aus der Balance bringen, hat mit seinem knallharten Abschluss aus dem Handgelenk den Torbann gebrochen. Nach seinem Premieren-Treffer im Oktober hält Rossi nun schon bei sechs Toren, ist damit drittbester Schütze in seinem Team.

    Rossi passt "tape to tape" – sein schöner Assist gegen Toronto:

    Auffällig: Mit jedem Spiel wird der Sohn von Feldkirch-Urgestein Michael Rossi sicherer am Puck, selbstbewusster. Damit kann er seine größten Stärken besser ausspielen: seine Übersicht, Kreativität und punktgenauen Zuspiele. Mit den beiden abschlussstarken Flügel neben sich wird sich das in den kommenden Wochen auch auf das Assistkonto auswirken. Mit vier Vorlagen wird dieses seinen außergewöhnlichen Spielmacher-Fähigkeiten bisher nicht gerecht.

    Abgefälscht – der Rossi-Treffer gegen Ottawa:

    Kaum Powerplay-Zeit

    Ein Grund dafür: Im Powerplay spielt Rossi nur die zweite Geige. Die Wild verteilen die Last im Überzahlspiel vor allem auf die fünf Spieler der Top-Reihe. Rossi war nur kurz Teil dieser Formation, als Evason mit einer Variante mit fünf Stürmern experimentierte. Mit der Rückkehr der zu diesem Zeitpunkt noch verletzten Matt Boldy und Jared Spurgeon rückte Rossi wieder in die zweite Formation zurück. Seine Linienkollegen Zuccarello und Kaprizov fungieren mit Boldy als Verteiler, der einzige Rechtsschütze Spurgeon als "Quarterback" im Aufbau, Center Eriksson Ek als "Screen", Arbeiter und Knipser vor dem Tor.

    Kirill Kaprizov
    Der Russe spielt seine erst vierte Saison bei den Wild. 2015 wurde der heute 26-Jährige an 135. Stelle von der Franchise gedraftet. In einem Jahrgang, der mit Edmontons Connor McDavid den besten Spieler der Welt, mit Jack Eichel den Anführer des amtierenden Stanley-Cup-Champions aus Las Vegas produziert hat, wurde der Russe schlichtweg übersehen.
    Inzwischen verdient Kaprizov neuen Millionen Dollar im Jahr und ist der unumstrittene Star in Minnsesota. Im Schnitt sammelt der Flügel mehr Punkte als Spiele, seit er in der NHL ist. Vor zwei Jahren knackte er in seiner bisher einzig verletzungsfreien Saison die Hundert-Punkte-Marke, erzielte dabei 47 Treffer (81 Spiele). Im Vorjahr waren es 40 Tore und 75 Punkte aus 67 Spielen. Sich im Orbit des Top-Scorers zu bewegen kann für Rossi und seine Punkteausbeute auf Sicht nur positiv sein. Kaprizov

    Mit einer Erfolgsquote von nur 15,2 Prozent ist das Minnesota-Powerplay eines der ineffizientesten der Liga – nur acht Teams sind schlechter. Die Tendenz ist steigend. Mit Spurgeon und Boldy an Bord weisen die Wild im November 17,9 Prozent auf. Rossi ist wie alle vier Stürmer in Powerplay eins Linksschütze. Ek ist in seiner Rolle vor dem Tor gesetzt. Kaprizov und Zuccarello kann der Österreicher kaum verdrängen. Kaprizov steht Rossi in der Rolle als Puckverteiler im Weg, die schussfreudigen Zuccarello und Boldy spielen die Finalen Pässe quer durchs Angriffsdrittel oder drücken auf den jeweiligen Seiten auf Höhe des Bullykreises den Abzug. Mit Marcus Johansson steht Rossi wohl ein weiterer Linksschütze im Weg. Der Schwede musste zuletzt für Spurgeon weichen, steht in der Powerplay-Hackordnung noch einen Platz über Rossi, dem die Rolle an der Blauen Linie noch nicht zugetraut wird.

    Mats Zuccarello
    Mit 36 Jahren bringt Mats Zuccarello die nötige Routine mit in die Rossi-Linie. Wie der Österreicher ist auch der Flügel aus Oslo für einen Hockey-Crack eher kleingewachsen, macht seine 1,71 Meter aber durch seinen spritzigen Eislaufstil und und stark ausgeprägten Hockey-IQ wett. In 14 Saisonen sammelte Zuccarello bereits 879 NHL-Spiele, 647 Punkte. Bemerkenswert: 96 Einsätze in den Play-offs. Für Rossi ist der technisch beschlagene Taktgeber ein wertvoller Linienkollege, dessen Erfahrungsschatz speziell wegen der vergleichbaren Spielanlagen für die Entwicklung des Youngsters wichtig ist.

    Bully-Schwäche

    Ein Faktor, der Rossis Eiszeit in den "Special Teams" in Über- und Unterzahl noch zurückhält, ist seine Schwäche im Bullykreis. Hier machen sich seine vergleichsweise geringe Erfahrung und körperliche Defizite mit den besten Centern der Liga noch deutlich bemerkbar. Insgesamt gewinnt er nur 40 Prozent seiner Bullys. Zum Vergleich, die beiden Center, die vor Rossi heuer schon in Linie eins gespielt haben: Eriksson Ek gewinnt 50,9 Prozent, Ryan Hartmann 44,1. In Stockholm präsentierte sich Rossi spielerisch stark, defensiv verlässlich, aber: Gegen Toronto gingen zwei Drittel seiner Bullys verloren, gegen Ottawa sogar neun von gesamt elf.

    Rossis Spiel in Zahlen
    65,19 Kilometer legte Rossi in 19 Spielen auf dem Eis zurück.
    5,70 Kilometer ist sein bisheriges Maximum in einem Match.
    85,07 km/h ist sein durchschnittlicher Schuss schnell.
    129,42 km/h – sein bisher härtester Schuss.
    15,6 Prozent seiner Schüsse sind erfolgreich.
    44,5 Prozent seiner Eiszeit verbringt er im Angriffsdrittel, nur 39 Prozent in der Defensive (16,6 in der Neutralen Zone).

    In den Special Teams fallen "Faceoffs", die über den Scheibenbesitz in Angriffs- und Abwehrdrittel entscheiden, besonders ins Gewicht. Trainer Evason wird Rossis Entwicklung in diesem Bereich also genau beobachten. Positiv für den jungen Center, negativ fürs Team: Die Schwäche bei Bullys ist ein allgemeines Problem in Minnesota, kein individuelles. Der Klub aus dem Norden der USA ist das zweitschlechteste "Faceoff"-Team der Liga. Die Gegner der "Gobal Series" in Stockholm, Toronto (5.) und Ottawa (11.), schneiden deutlich besser ab. Es war also kein Zufall, dass Minnesota in beiden Schweden-Spielen in dieser Rubrik dominiert wurde und nach Bullys häufig unter Druck geriet.

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      Trevor Cheek serviert Schnitzel mit Blick auf den Stephansdom. 
      Trevor Cheek serviert Schnitzel mit Blick auf den Stephansdom. 
      Helmut Graf
      sek
      Akt.