Frankreich

Neuwahlen! Emmanuel Macron geht ein hohes Risiko ein

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron tritt nach der EU-Wahl die Flucht nach vorn an – und pokert dabei hoch: Er kündigt Neuwahlen an!

Neuwahlen! Emmanuel Macron geht ein hohes Risiko ein
Wollen die Franzosen wirklich, was sie in der Europawahl zum Ausdruck gebracht haben? Emmanuel Macron ruft Neuwahlen aus.
LUDOVIC MARIN / AFP / picturedesk.com

Nach dem durchschlagenden Erfolg der Rechtspopulisten und der heftigen Niederlage seiner eigenen Partei bei der Europawahl hat der französische Präsident Emmanuel Macron überraschend Neuwahlen für den 30. Juni und 7. Juli angekündigt, knapp drei Wochen vor Beginn der Olympischen Sommerspiele und zudem am ersten Ferienwochenende.

Wollen die Franzosen wirklich, was sie da in der Europawahl zum Ausdruck gebracht haben? Diese Frage will Macron ihnen stellen – und hat dabei offenbar die Hoffnung, dass das Ergebnis für ihn dann besser ausfallen wird als bei der Europawahl.

Europawahl gleich Protestwahl

Die Europawahl gilt in Frankreich als Protestwahl und als Stimmungstest für die Präsidentschaftswahl, europapolitische Themen spielten im Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle. Bei der Wahl zur Nationalversammlung sind hingegen heimische Themen und Probleme wichtig – und da es zwei Wahlgänge gibt, ist die Chance groß, dass sich in vielen Wahlkreisen rechte und linke Wähler zusammentun, um Kandidaten des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen zu verhindern.

Womöglich hat der RN auch nicht genügend qualifizierte Kandidaten für sämtliche Wahlkreise. Und womöglich hat Macron auch das spanische Beispiel vor Augen: Dort führten vorgezogenen Neuwahlen dazu, dass die linke Regierung am Ende doch im Amt bleiben konnte.

Macron war 2017 mit dem Versprechen angetreten, den Wählern die Gründe dafür zu nehmen, dass sie Rechtspopulisten wählen. Sieben Jahre später fahren diese jedoch das beste Ergebnis in ihrer Geschichte ein.

Le Pen rückt ihre Partei weiter in die Mitte

"Ich kann nicht so tun, als sei nichts geschehen", sagte Macron am Sonntagabend ungewohnt kleinlaut. "In Frankreich erreichen die Parteien der extremen Rechten 40 Prozent", sagte er mit Blick auf das Ergebnis des RN, addiert mit dem der rechtsextremen Partei Reconquête mit Le Pens Nichte Marion Maréchal als Spitzenkandidatin.

Doch seine Entscheidung zu Neuwahlen birgt ein hohes Risiko. Le Pens Strategie, die Partei weiter in die Mitte zu rücken und ihr ein seriöses und regierungswilliges Image zu verpassen, hat Früchte getragen. Teil dieser Strategie dürfte auch der Bruch mit der AfD gewesen sein, den der RN kürzlich im Europaparlament vollzog.

Ihr Kronprinz, der 28 Jahre alte Jordan Bardella, hat sich im Wahlkampf bestens geschlagen. Er ließ sich von jungen Wählern wie ein Star feiern, lächelte in Debatten inhaltliche Schwächen und Widersprüche seiner Partei gelassen weg und genoss es, dass Marine Le Pen in ihm bereits den künftigen Premierminister Frankreichs sieht.

Le Pen wird wieder antreten

Le Pen will bei den Präsidentschaftswahlen 2027 zum vierten Mal antreten, und Bardella räumt ihr dafür den Weg frei. In Umfragen liegt die Tochter des Parteigründers Jean-Maire Le Pen seit langem vorn. Macron, der dann nicht mehr antreten kann, hat es bislang nicht zugelassen, dass einer seiner potenziellen Nachfolger aus seinem Schatten tritt.

Bei den vorigen Parlamentswahlen 2022 hatte das Regierungslager seine absolute Mehrheit verloren, die es zu Beginn von Macrons Amtszeit gehabt hatte. Damals stieg die Zahl der RN-Abgeordneten von acht auf 89.

"Blockiertes Parlament sind wahrscheinlich"

Die neuen Abgeordneten bekamen von Le Pen Krawattenzwang und Wohlverhalten auferlegt: Pöbelnde Zwischenrufe und offen ausgesprochene extreme Ansichten sind nicht mehr willkommen. Die hohe Zahl der Abgeordneten trug auch dazu bei, dass der RN sich weiter lokal verwurzelte.

Die Denkfabrik Eurasia Group hatte kürzlich bereits gemutmaßt, dass Macron vorgezogene Neuwahlen ausrufen könnte. Dabei werde der RN wahrscheinlich nicht so gut abschneiden, dass Macron sich gezwungen sehe, Le Pen zur Premierministerin zu machen, analysierten die Experten. "Ein blockiertes Parlament und eine Dauerkrise sind jedoch wahrscheinlicher", lautete das Resümee.

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