Coronavirus
Neue Angst – wegen Mutation droht Welle im Herbst
In Großbritannien macht die indische Mutation Lockerungen teils zunichte. In Österreich wird die rechtzeitige Durchimpfung zum Wettlauf gegen die Zeit
Social Distancing ist in Großbritannien jedem selbst überlassen – wer will, kann auch wieder jemanden umarmen. Mit diesen und weiteren Lockerungen nähert sich das Vereinigte Königreich seit rund zwei Wochen der Normalität an. Rund die Hälfte der Erwachsenen ist dort bereits gegen das Coronavirus geimpft – die meisten von ihnen mit dem Vakzin von AstraZeneca. Dennoch droht das Land im Kampf gegen die Pandemie zu stolpern.
Die indische Mutation macht in Großbritannien laut Experten mittlerweile vielerorts 60 Prozent aller Fälle aus. Am Mittwoch meldete die britische Gesundheitsbehörde fast 7.000 Fälle dieser Variante –mehr als doppelt so viele wie in der Vorwoche.
Verschärfung in Städten
Die Hospitalisierungen nahmen in einigen Gebieten zu; betroffen waren meist ungeimpfte Patienten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft die Variante als ansteckender und möglicherweise auch unempfindlicher gegen Antikörper ein.
In acht von der Mutation stark betroffenen Städten wie Leicester und Bolton buchstabierten die Behörden zurück. Den Bewohnerinnen und Bewohnern empfehlen sie etwa Treffen draußen statt drinnen, Social Distancing und sich zweimal wöchentlich testen zu lassen.
Hacker sieht Gefahr im Herbst
In Österreich tritt ab 1.6. ein Landeverbot für Passagierflugzeuge aus Großbritannien in Kraft. Epidemiologen sehen die Gefahr der Mutation in Österreich dennoch nicht als gebannt an. "Österreich feiert sich wieder einmal zu früh ab", sagte Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker am Montag im Ö1-Morgenjournal. Man könne sich darauf einstellen, dass es zwar einen relativ normalen Sommer geben werde, man im Herbst aber mit der indischen oder einer neuen Corona-Mutation konfrontiert sei, so der Wiener Gesundheitsstadtrat.
Corona-Kommission alarmiert
"Heute"-Infos zufolge beschäftigte sich auch die Corona-Kommission am vergangenen Donnerstag eindringlich mit der Thematik.
Brisant: Ein Vertreter aus Wien sprach in der Sitzung eine Modellrechnung in Bezug auf die indische Virusvariante an. Diese ergab, dass bei geringer, einstelliger Anzahl an Fällen dieser Mutante im Frühsommer und nicht ausreichender Durchimpfung, eine weitere Pandemiewelle im Herbst zu erwarten sei.
„Peter Hacker: "Die indische Mutation wird im Oktober, November die Zahlen nach oben treiben"“
"Ziel ist 80 Prozent Durchimpfung"
Sollte diese Befürchtung eintreten, sei mit einer deutlichen Belastung der Intensivstationen zu rechnen. Das Impfen wird nun zum Wettlauf gegen die Zeit; darüber hinaus müsse ein rigides Testregime auch über den Sommer fortgeführt werden, um Fälle von Virusvarianten, die durch Reisen eingeschleppt werden, frühzeitig zu identifizieren und abzugrenzen. "Die indische Mutation wird im Oktober, November die Zahlen nach oben treiben", fürchtet Peter Hacker. Ziel sei es laut dem Wiener Gesundheitsstadtrat, bis dahin 80 Prozent Durchimpfung der Gesamt-Bevölkerung zu erreichen.
In unseren Nachbarländern ist die Situation derzeit stabil. Slowakei meldet offiziell einen Fall, Italien Einzelfälle, in Deutschland wird ein deutlicher Zuwachs von den Behörden registriert.
Impfschutz circa 20 Prozent vermindert
Laut ersten Daten sei der Schutz gegen die indische Variante nach einer kompletten Impfung um etwa 20 Prozent vermindert. Drei Wochen nach der ersten Dosis von AstraZeneca oder Biontech liegt die Schutzwirkung bei der indischen Variante bei etwa 33 Prozent, bei der britischen Variante bei rund 50 Prozent.
Zahlen könnten bei Jüngeren noch einmal steigen
Ähnlich wie Österreichs Experten schätzt Jürg Utzinger, Epidemiologe und Direktor des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts, die Lage ein. "Es ist nicht auszuschließen, dass sich die indische Mutation ausbreiten könnte und die Infektionszahlen bei der jüngeren, noch nicht geimpften Bevölkerung daher noch einmal steigen könnten." Utzinger hält eine systematische Überwachung für wichtig. "Sollte es an bestimmten Orten zu einem erhöhten Infektionsgeschehen kommen, müssen wir in der Lage sein, die zirkulierende Virusvariante sofort zu identifizieren oder noch unbekannte Varianten zu entdecken."