Fussball
Nagelsmann-Aus – Flick ist "sehr, sehr überrascht"
Trainerbeben beim FC Bayern! Das "Langzeitprojekt" Julian Nagelsmann ist gescheitert, Thomas Tuchel übernimmt.
Das Trainerbeben beim FC Bayern hat Fußball-Europa erschüttert, die Schockwellen waren auch in Frankfurt deutlich zu spüren. Deutschlands Bundestrainer Hansi Flick war "sehr, sehr überrascht" vom Aus seines Münchner Nachfolgers Julian Nagelsmann, dessen wichtigster Spieler Joshua Kimmich wirkte betroffen vom vorzeitigen Ende des "Langzeitprojekts", auf das eine neue Ära unter Thomas Tuchel folgen soll.
"Ich kann nur sagen, dass Julian Nagelsmann ein überragender Trainer ist", sagte Kimmich am DFB-Campus, wo sich der neue Kapitän mit der deutschen Nationalmannschaft auf das Länderspiel gegen Peru am Samstag vorbereitet. "Ich hatte schon sehr viele Trainer, sehr viele Top-Trainer", meinte Kimmich weiter, "er ist locker Top drei."
Und doch ist er gescheitert. Als Kimmich sprach, hatten die Bosse an der Säbener Straße längst den Daumen gesenkt. Nagelsmann sollte das Aus nach nur 631 Tagen am Nachmittag noch einmal persönlich mitgeteilt werden, obwohl es längst überall in den Zeitungen und im Netz stand - inklusive Nachfolgeregelung.
Der frühere Dortmunder Trainer Tuchel wohnt seit ein paar Wochen wieder in München, soll am Montag einsteigen und ist der logische Erbe. Bereits 2018 wollten ihn die Bayern holen, damals als Nachfolger von Jupp Heynckes. Doch die Münchner zögerten zu lange - und Tuchel unterschrieb bei Paris St. Germain. 2020 verlor er das Finale der Champions League gegen die Flick-Bayern, 2021 gewann er den Henkelpott mit dem FC Chelsea.
In München warten auf ihn sofort die Wochen der Wahrheit: Der Kracher gegen Tabellenführer Dortmund, der seit der WM-Pause zehn Punkte mehr holte als die Bayern, die Duelle mit Freiburg im Pokal-Viertelfinale und in der Liga, dann das Gigantentreffen mit Manchester City um Stürmerstar Erling Haaland in der Königsklasse.
Zunächst wird Tuchel die Spieler für sich einnehmen müssen, die zuletzt immer mehr auf Distanz zu Nagelsmann gegangen waren. "Der Trainer hat die Kabine verloren" - das ist von jeher das klassische Trennungsmotiv, vor allem im Münchner "Haifischbecken". So ging es Carlo Ancelotti oder Niko Kovac - und jetzt Nagelsmann.
Zweifel am von den Bossen einst selbst so betitelten "Trainertalent" gab es schon seit der Vorsaison mit den peinlichen Pleiten gegen Borussia Mönchengladbach im Pokal (0:5) oder in der Champions League gegen den Außenseiter FC Villarreal. Jetzt fürchteten Vorstandschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic wohl ein Deja-vu der bösen Art.
Rund um das Duell mit Tuchels Ex-Klub PSG in der Königsklasse (1:0/2:0) gab es zwar mehrere Treueschwüre - von Kahn über Salihamidzic bis hin zu Präsident Herbert Hainer und dem einstigen Patriarchen Uli Hoeneß. Doch die ernüchternde 1:2-Niederlage am vergangenen Sonntag in Leverkusen brachte eine neue Dynamik.
Zumal die Bayern fürchten mussten, dass ihnen ihr Traumtrainer Tuchel erneut durch die Lappen gehen würde. Tottenham Hotspur war an ihm dran, bei Real Madrid war er perspektivisch als Ancelotti-Erbe im Gespräch. Der Posten des englischen Nationaltrainers von Gareth Southgate soll ihn gereizt haben.
Die Umstände der Nagelsmann-Freistellung, wie die Trennung aus vertragsrechtlichen Gründen genannt werden soll, führten im Münchner Fanlager zu Kritik. Wie Nagelsmann, der mit seiner Freundin Lena im Skiurlaub weilte, wurden auch die Spieler kalt erwischt.
Winterzugang Joao Cancelo reagierte überrascht und wünschte Nagelsmann "alles Glück der Welt". Er wolle sich "bei ihm bedanken. Er war es, der mich bei den Bayern haben wollte, ebenso wie die Klubführung", sagte er nach dem 4:0-Sieg mit Portugal im EM-Qualifikationsspiel gegen Liechtenstein in einem TV-Interview.
Textquelle: AFP