"Game over"

"Putinschmeichler" enthüllt düstere Details

Xavier Bettel hatte vor dem Ukraine-Krieg gute Kontakte zu Wladimir Putin, bemühte sich um Frieden. Der Despot hatte daran aber kein Interesse.

Roman Palman
"Nach Telefonat verstand ich, dass er keinen Frieden will"
Andere Zeiten: Xavier Bettel, damals Premier von Luxemburg, zu Besuch bei Wladimir Putin in Sotschi am 6. Oktober 2015.
imago/ITAR-TASS

Niemand hätte sich ernsthaft um eine friedliche Lösung bemüht, behaupten auch heute noch Kritiker der europäischen Unterstützung für die Ukraine, die sich nun schon seit zweieinhalb Jahren gegen die russische Invasion verteidigen muss.

Doch das stimmt nicht, wie der luxemburgische Außenminister Xavier Bettel nun am Rande des Salzburger Trilogs schildert. Der Spitzenpolitiker, der als früherer Premier "einen guten Draht" zu Wladimir Putin pflegte, wurde noch Mitte 2022 – Monate nach Kriegsbeginn – für seine Russland-Nähe im eigenen Land scharf kritisiert, als "Putinschmeichler" bezeichnet. Heute geht er selbst mit dem Kreml-Despoten hart ins Gericht.

Im Interview mit dem "Standard" erinnert er sich zurück, dass er damals die Warnungen der baltischen Staaten und Polens vor der Gefahr Russlands "nicht erst genommen" habe. Auch habe er geglaubt, dass der Krieg nach nur drei Tagen vorbei sein würde: "Dann haben wir gesehen, dass die Ukrainer kämpfen und auch für unsere Freiheit kämpfen."

Zur Person

Xavier Bettel (* 3. März 1973) war u.a. Vorsitzender der liberalen Demokratischen Partei DP. Zwischen 2011 und 2013 war er Bürgermeister der Stadt Luxemburg, danach lenkte er zehn Jahre lang als Premierminister die Geschicke des Großherzogtums. Seit der Neumischung der Regierungskoalition im November 2023 ist er als dessen Außenminister in diplomatischer Mission.

"Du gehst in die falsche Richtung"

Als liberaler Politiker habe er "nie gedacht", dass er selbst einmal mehr Investitionen in die Verteidigung fordern würde. Aktuell zählt Luxemburg, zumindest gemessen an der Einwohnerzahl, zu großen Unterstützern der Ukraine: "Deren Frieden ist unser Frieden, und das hat nun Priorität. Wir haben bis jetzt bewiesen, dass wir entgegen Putins Hoffnung gemeinsam stark sind."

Nach jedem Telefonat mit Putin habe ich aber verstanden, dass er keinen Frieden wollte.
Xavier Bettel
Ex-Premier, Außenminister Luxemburgs

Der russische Präsident lasse der Ukraine keinen anderen Ausweg, als für ihre Freiheit zu kämpfen, sagt Bettel: "Ich habe selbst versucht, den Dialog zu führen. Ich habe kurz nach Kriegsbeginn mit Wolodimir Selenski und Wladimir Putin lange Gespräche geführt. Nach jedem Telefonat mit Putin habe ich aber verstanden, dass er keinen Frieden wollte."

Bilder: Xavier Bettel zu Besuch bei Wladimir Putin

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    6. Oktober 2015: <strong>Xavier Bettel</strong>, damals Luxemburgs Premierminister, beim freundlichen Handshake mit Wladimir Putin in dessen Residenz in Sotschi.
    6. Oktober 2015: Xavier Bettel, damals Luxemburgs Premierminister, beim freundlichen Handshake mit Wladimir Putin in dessen Residenz in Sotschi.
    imago/ITAR-TASS

    "Ich habe Putin, zu dem ich einen sehr guten Draht hatte, mehrmals gesagt: 'Du gehst in die falsche Richtung. Wir werden uns nur mehr an deine Fehler erinnern.'", so der Ex-Premier. Nach dem Massaker von Butscha sei aber "game over" gewesen.

    Kanzler Nehammer nach Blutbad zu Besuch in Butscha

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      Die <a href="https://www.heute.at/s/russen-100200219">Bilder aus Butscha mit von Leichen gepflasterten Straßen</a> gingen um die Welt, am Samstag berichteten schließlich Augenzeugen und Einwohner Butschas ...
      Die Bilder aus Butscha mit von Leichen gepflasterten Straßen gingen um die Welt, am Samstag berichteten schließlich Augenzeugen und Einwohner Butschas ...
      Dragan Tatic

      "Es gibt nichts mehr dazwischen"

      Russland sei aber mehr als nur sein Herrscher, mahnt der Luxemburger. Das Land von innen durch internationale Sanktionen zu verändern, habe – "wie zu erwarten war" – nicht funktioniert, obwohl es für die Russen wirtschaftlich schmerzhaft sei.

      Die Isolation habe dazu eine bedauerliche Folge: "Wir haben wieder Blöcke. Und die Russen und die USA lehnen jene wie Indien oder China ab, die sich dazwischen bewegen. Es gibt nichts mehr dazwischen."

      Für Bettel bleibt es trotz allem wichtig, weiter Kontakt zu Russland zu halten: "Russland wird es weiterhin geben. Russland bleibt ein großer Nachbar. Aber Russland ist derzeit eine Gefahr". Er hoffe darauf, dass das Land, in Putin "viel kaputt gemacht" habe, irgendwann wieder ein europäischer Partner werde.

      Viele Gespräche im Hintergrund

      Der Luxemburger sieht sich in der Rolle des Brückenbauers. Aber: "Wir können nur Brücken bauen, wenn beide bereit sind, auf die Brücke zu kommen". Er enthüllt, dass es im Hintergrund sehr viele diplomatische Gespräche gibt, wenn auch diese nicht immer an die Öffentlichkeit getragen werden – auch im Nahost-Konflikt.

      "Ich mache das diskreter als manch anderer. Ich weiß auch von Österreich, dass es hinter den Kulissen viel Diplomatie betreibt, ohne dass es am nächsten Tag auf Seite eins der 'Kronen Zeitung' steht. Das ist Diplomatie statt Scheinwerferpolitik und wichtig: der Versuch, Partner im Hintergrund zur Vernunft zu bekommen." Aber auch er muss eingestehen, dass durch Versäumnisse der EU zuletzt andere Player wie China oder die Türkei in die Vermittlerrolle gedrängt sind.

      Kriegsende in Ukraine rein "politische Entscheidung"

      Wo früher Friede möglich werde – im Gazastreifen oder der Ukraine –, könne er nicht abschätzen: "Bei Israel/Palästina geht es vor allem aber auch um eine menschliche Dimension. Da ist sehr viel kaputt. Die Versöhnung wird dort noch länger dauern. Bei Russland wäre es jedenfalls eine politische Entscheidung."

      Über den Salzburger Trilog

      Beim Salzburger Trilog trifft sich einmal im Jahr ein kleiner Kreis internationaler Persönlichkeiten, um wechselnde Zukunftsfragen zu diskutieren. Heuer waren mehr als 30 internationale Führungspersönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur aus 16 Ländern vertreten. Das Thema: Welche Rolle Europa in einer ungewissen Zukunft haben sollte. Pionier, Nachzügler oder etwas dazwischen? – Quelle: Liz Mohn Stiftung

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        Auf den Punkt gebracht

        • Xavier Bettel, der luxemburgische Außenminister, reflektiert im Interview über seine früheren Bemühungen um Frieden mit Wladimir Putin
        • Er betont, dass Russland unter Putin eine Gefahr darstellt, plädiert aber für die Fortsetzung diplomatischer Kontakte, um langfristig eine friedliche Lösung zu finden
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