Mehrstündige Not-OP
Nach Attentat – so geht es Slowaken-Premier Fico jetzt
"Robo, komm her", rief der Schütze und drückte ab. Robert Fico wurde mehrfach getroffen, soll nach einer Not-OP aber nicht mehr in Lebensgefahr sein.
Schockwellen in Österreichs Nachbarland: Auf den slowakischen Ministerpräsident Robert Fico (59) ist am Mittwochnachmittag in Handlová ein Mordanschlag verübt worden. Der Politiker wurde durch Schüsse in den Unterleib schwerst verletzt.
Sofort wurde er von seinen Bodyguards und der Polizei abgeschirmt, per Rettungsheli in die Roosevelt-Uniklinik geflogen und dort einer mehrstündigen Not-OP unterzogen. Er würde "um sein Leben kämpfen", sagte Verteidigungsminister Robert Kaliňák unmittelbar danach zum Zustand des Regierungschefs bei einer Pressekonferenz vor dem Krankenhaus.
Inzwischen ist mehr bekannt. Ficos Vize und Umweltminister Tomáš Taraba schilderte gegenüber BBC, dass der 59-Jährige wohl nicht mehr in Lebensgefahr schwebe. "Soweit ich informiert bin, ist die Operation gut verlaufen und ich schätze, dass er es am Ende überleben wird." Die Schüsse seien "aus nächster Nähe" auf den Premier abgegeben worden. Eine Kugel soll den Magen durchschlagen haben, eine zweite hätte ein Gelenk getroffen.
Wer ist Robert Fico?
Robert Fico ist slowakischer Jurist, Politiker und Vorsitzender der von ihm gegründeten Partei Smer – und mehrmaliger Ministerpräsident der Slowakei (2006–2010, 2012–2018).
Damals musste er nach der Ermordung des Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová sowie der Enthüllung von Korruptionsskandalen bis in die höchsten Ebenen von Politik und Justiz zurücktreten. Seit 2023 ist er jedoch neuerlich Premier.
Spaltung der Gesellschaft führte zu Attentat
"Die Lage ist sehr angespannt. Die Polarisierung der Gesellschaft ist auf dem Höhepunkt", sagt Radoslav Štefančík gegenüber "20 Minuten". Er ist slowakischer Politikwissenschaftler, Germanist und Dekan der Fakultät für Angewandte Sprachen an der Wirtschaftsuniversität Bratislava.
"Ich kann sagen, dass der Angriff auf Premierminister Fico eine Folge dieser Polarisierung ist. Das Problem ist, dass die derzeitige Regierung nichts getan hat, um diese Polarisierung abzumildern. Einige Politiker haben sogar erkannt, dass sie es dank dieser Polarisierung und dank ihres hasserfüllten Vokabulars sogar ins Parlament geschafft haben."
Hat sich ein solches Attentat abgezeichnet?
"Man darf nicht vergessen, dass 2018 ein Journalist und seine Verlobte in der Slowakei ermordet wurden", sagt Štefančík. Vor ein paar Jahren habe außerdem ein Angreifer in einer Schwulenbar zwei Menschen erschossen. "Dabei wollte er nicht zuerst Schwule töten, sondern den damaligen Ministerpräsidenten Eduard Heger ermorden. Da ihm das nicht gelungen ist, hat er sich eine leichtere Beute ausgesucht. Aber ich hätte nie gedacht, dass eines Tages jemand auf den Ministerpräsidenten schießen würde", sagt Štefančík.
Welche Gegner hat Fico? Wer ist für die Schüsse verantwortlich?
Štefančík denkt, dass der Täter ein geistig gestörter Mensch sein wird, der sicherlich nicht mit politischen Strukturen in Verbindung steht. "Robert Ficos politische Gegner kommen aus demokratischen Parteien und sind auf europäischer Ebene respektiert. So lösen die aktuellen Oppositionsparteien ihre Konflikte mit der Koalition nicht."
Unbestätigten Medienberichten zufolge soll es sich bei dem Schützen um einen 71-jährigen Dichter und früheren Security-Angestellten handeln. Fico hatte gerade vor dem Haus der Kultur in Handlová die Hände von Bürgern geschüttelt, als der Mann laut der Zeitung "Prawda" plötzlich "Robo, komm her" gerufen hatte – dann drückte er ab.
Welche Auswirkungen könnte dies auf das Land und seine Politik haben?
"Das ist keine gute Nachricht für die Slowakei. Wieder einmal fallen in der Slowakei Schüsse, und das kann für kein Land ein gutes Zeichen sein", sagt Štefančík. "Ich nehme an, dass diese Schüsse das Ergebnis des Hasses sind, der seit mehreren Jahren von Regierungspolitikern verbreitet wird. Sie sollten sich fragen, was sie getan haben, um diese Spannungen zu entschärfen."
Wohin steuert das Land politisch?
Fico hat laut Štefančík immer eine zwiespältige Politik betrieben. "Einerseits hat er versucht, gute Beziehungen zur Europäischen Union zu pflegen, andererseits war er im Inland extrem radikal. Mit seiner radikalen Politik versuchte er, die Wähler der extremistischen Parteien zu gewinnen, was ihm schließlich 2023 gelang." Das Problem sei, dass er seinen Radikalismus nach der Wahl nicht beendet habe. "Er suchte immer noch irgendwo nach einem Feind. Einmal waren es die Roma, dann die Migranten, jetzt griff er unabhängige Journalisten und NGOs an."
Welche Rolle spielt Korruption in der Slowakei?
"Korruption existiert offiziell nach den Wahlen 2023 nicht mehr in der Slowakei, weil niemand da ist, der sie untersucht", sagt Štefančík. Die Koalition habe Einfluss auf die Polizei und auch in der Rechtsprechung gebe es Veränderungen. "Die regierende Koalition greift das öffentliche Fernsehen und Radio an, und die privaten Medien unterliegen der Selbstzensur. Einige NGOs weisen auf Korruption hin, aber der Premierminister will die Aktivitäten der NGOs stark einschränken."