Österreich
Nach 10 Stunden Beratung–lebenslang für 2 Terror-Helfer
Nach stundenlanger Beratung gab es zwei Mal lebenslange Haft, ein Mal 20 Jahre, ein Mal 19 Jahre. Zwei Angeklagte gingen nach dem Prozess sofort frei.
Mehr als zwei Jahre, nachdem der Terroranschlag am 2.11.2020 Wien und die gesamte Nation erschüttert hatte, folgten am späten Mittwochabend die Urteile gegen die mutmaßlichen Unterstützer des Attentäters.
Die Geschworenen nahmen sich über 12 Stunden Zeit, um 28 Fragen zur Verantwortung der sechs Angeklagten zu beantworten und schlussendlich über Schuld, Teil- oder Unschuld zu entscheiden. Der Richter bestand darauf, bei den Geschworenen zu sein, was rechtlich zwar erlaubt, aber äußerst ungewöhnlich ist – Anwaltsveteran Rudolf Mayer sagte zur "Krone", dass er das in seiner über 40-jährigen Karriere erst einmal erlebt habe. Um 23:30 Uhr kam es endlich zur mit Spannung erwarteten Urteilsverkündung.
Der Erst- und Zweitangeklagte (23, 22) wurde vom Hauptanklagepunkt der Beitragstäterschaft zum Mord freigesprochen, kamen mit 24 Monaten teilbedingter Haft wegen Verbreitung von IS-Propaganda davon. Da sie ihre 8 unbedingten Monate bereits mit der U-Haft abgesessen haben, gingen sie im Anschluss frei. Der 24-jährige Drittangeklagte wurde verteilt und bekam 20 Jahre aufgebrummt. Viert- und Fünftangeklagter bekamen lebenslang! Der Sechsangeklagte (22) wurde ebenfalls schuldig gesprochen, da er den Kontakt zwischen dem Waffenhändler und dem Attentäter hergestellt haben soll – 19 Jahre Haft. Alle Urteile sind nicht rechtskräftig.
Der aus Nordmazedonien stammende Islamist Kujtim F. (20) erschoss am 2. November mit einem Sturmgewehr vier Menschen in der Wiener Innenstadt, verletzte 23 Unschuldige. Nach neun langen Minuten konnten Polizisten den blutigen Amoklauf beenden. Der "Islamische Staat" (IS) reklamierte im Anschluss die Tat für sich.
Staatsanwaltschaft forderte Höchststrafen
Nach einer Razzia wurden sechs Verdächtige ausgeforscht, die bei der Vorbereitung geholfen haben sollen. Die Männer im Alter zwischen 22 und 32 Jahren standen in den letzten Wochen wegen Beitragstäterschaft zum Mord und Terrorismus vor Gericht – auch die Mutter des getöteten Attentäters sagte als Zeugin unter Tränen aus. Den Angeklagten wurde vorgeworfen den 20-Jährigen im Vorfeld des Anschlags bei der Waffenbeschaffung unterstützt oder psychisch bestärkt haben.
Alle Vorwürfe gegen die Angeklagten
Der Erstangeklagte (23) soll mit dem späteren Terroristen (erfolglos) in der Slowakei versucht haben, tödliche Munition zu besorgen. Sein Verteidiger David Jodlbauer bestritt, dass sein Mandant von den Terrorplänen gewusst habe.
Zweit- und Drittangeklagter, die engsten Freunde des Attentäters (22, 24) sollen die letzten gewesen sein, die Kujtim F. lebend gesehen haben. Zudem haben sie laut Anklage dem Attentäter bei der Auswahl des Orts geholfen und am Tag vor der Tat in seinem Vorhaben bestärkt, während dieser in seiner Wohnung ein Bekennervideo aufnahm. Für eine etwaige Flucht sollen auch gefälschte Papiere organisiert worden sein. Die Anwälte Manfred Arbacher-Stöger und Rudolf Mayer bestritten eine Beteiligung und forderten jeweils Freisprüche.
Auch ein mutmaßlicher Komplize (28) musste sich verantworten. Der afghanischstämmige Mann soll wochenlang mit dem Terroristen gemeinsam in dessen Gemeindewohnung in der Wiener Donaustadt gelebt haben. Seine DNA wurde auf den Tatwaffen, sowie auf einem IS-Siegelring gefunden. Chats sollen seine radikale Gesinnung belegen – Anwalt Elmar Kresbach bestritt die Schuld seines Mandanten im Verfahren.
Als Waffenhändler soll der Fünftangeklagte, den Astrid Wagner vertrat, fungiert haben. Der 32-jährige Tschetschene hatte gestanden, Waffen und Munition für den späteren Terroristen besorgt zu haben, will aber nicht gewusst haben, wofür. Kurz vor der Tat soll er dem Attentäter außerdem beim Laden seiner Pistole geholfen haben, was er bis zuletzt bestritt.
Den Draht zum Waffenhändler hergestellt haben soll der Kindheitsfreund des Terroristen (22), der selbst schon wegen diverser Terrordelikte vorbestraft ist. In der Haft habe er außerdem Kujtims terroristische Tötungsphantasien mitbekommen. Sein Anwalt Wolfgang Mekis bestritt dies und forderte einen Freispruch für seinen Mandanten.
"Ich glaube den sechs Angeklagten kein Wort", sagte die Staatsanwältin in ihrem Schlussplädoyer und verlangte Höchststrafen für alle Beschuldigten. Bei vier Angeklagten bedeutete das lebenslange Haft wegen Mordes und Terrordelikten. Zwei weiteren hätten nach dem Jugendgerichtsgesetz (weil zum Tatzeitpunkt unter 21 Jahren) maximal 20 Jahre ausfassen können.
Nach den Urteilen gab es nur bei Angehörigen zweier Angeklagten Erleichterung. Die Verwandten der vier Todesopfer hoffen nun wohl darauf, den Terroranschlag endlich verarbeiten zu können. Vergessen können werden sie schrecklichen Ereignisse wohl nie…