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Mit 16 missbraucht: "Ich wollte nur Alkohol und Drogen"
Livia Nef wurde als Minderjährige vom Vater ihres Ex-Freundes sexuell misshandelt. Danach wurde sie drogensüchtig und landete auf der Straße.
Livia Nef (32) aus Zürich musste in ihrem Leben schon einiges durchmachen. "Mit 16 wurde ich das erste Mal vom Vater meines damaligen Freundes vergewaltigt", erzählt sie gegenüber "20 Minuten". Jahrelang habe er sie sexuell misshandelt: "Ich wurde eingeschüchtert und bedroht. Aus Angst habe ich nichts gesagt."
Um ihre Situation zu verdrängen, habe sie begonnen, exzessiv zu trinken und Schmerzmittel zu nehmen. Mit 21 Jahren habe sie es nicht mehr ausgehalten und ihren Eltern davon erzählt, die ihr zu einer Anzeige rieten.
Schließlich wurde der Vater ihres Ex-Freundes angeklagt und wegen sexueller Nötigung und mehrfacher Vergewaltigung in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren sowie einer Genugtuung von 20.000 Franken verurteilt. Das Zürcher Obergericht bestätigte 2018 das Urteil des Bezirksgerichtes (20 Minuten berichtete). "Ich war froh, dass er ins Gefängnis musste. Der Prozess war aber furchtbar und extrem retraumatisierend. Zudem war ich enttäuscht, dass andere an den sexuellen Misshandlungen beteiligte Männer nicht angeklagt und verurteilt wurden", so Livia.
"Ich war am Ende"
Danach sei ihr Alkoholkonsum komplett eskaliert. "Zusätzlich begann ich, Kokain und Heroin zu nehmen. Ich gab mein ganzes Geld aus, wurde obdachlos und begann zu klauen." Alle Versuche, einen Entzug zu machen, scheiterten. "Ich war am Ende. Als mir eine Passantin mal ein Kipferl gab, interessierte mich das nicht, ich wollte nur Alkohol und Drogen", so die 32-Jährige.
Im Januar 2019 kam die Wende: "Man erwischte mich bei einem Einbruch und ich kam in U-Haft." Dann habe sie die Wahl erhalten: Entweder zwei Jahre Gefängnis oder eine Langzeittherapie. Livia entschied sich für eine stationäre Therapie: "Das Programm dauert zwei Jahre, dort wurde ich clean."
Modelabel soll anderen Mut machen
Seit fast zwei Jahren ist sie nun mit ihrem Partner Ronny Thoma zusammen. Der 45-Jährige besitzt das Modelabel "Anormal Fashion". "Ronny ist nicht nur ein bemerkenswerter Mensch, sondern auch ein Betroffener von Sucht und Misshandlungen", so Livia. Darüber hinaus sei er Vater einer Tochter mit Down-Syndrom. "Aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen und Herausforderungen hat er das Modelabel ins Leben gerufen."
Sie selbst sei in dem Unternehmen als Beraterin tätig und das Gesicht des Modelabels: "Aufgrund meiner Traumata habe ich immer noch Schwierigkeiten, einen stabilen Alltag aufrechtzuerhalten. Aber ich schätze alles, was ich jetzt habe und kämpfe stark dafür, glücklich zu sein." Mit dem Modelabel möchte sie anderen Betroffenen Mut machen: "Ich will ihnen zeigen, dass sie trotz ihrer eigenen Herausforderungen den Wunsch zum Leben wiedergewinnen können."
Das Label habe sich darauf spezialisiert, Menschen mit Suchterkrankungen, Traumata und Beeinträchtigungen Unterstützung zu bieten. Unter anderem sei geplant, Ex-Süchtige in der Firma zu beschäftigen. "Ich will anderen Menschen eine Chance geben, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Ich bin froh, dass ich es geschafft habe und will damit zeigen, dass alles möglich ist", so Livia.