Niederösterreich

Missstände in Pflegeheim – Trio weist Vorwürfe zurück

Der Prozess gegen zwei Pflegerinnen und einen Manager startete in NÖ. Im Zentrum der Verhandlung steht das Vernachlässigen wehrloser Personen.

Erich Wessely
Die beiden Angeklagten (vorne) im Verhandlungssaal am Montag, 12. Dezember 2022, im Rahmen eines Prozesses u.a. wegen Quälens von wehrlosen Personen in Pflegeheim, im Landesgericht in Wiener Neustadt.
Die beiden Angeklagten (vorne) im Verhandlungssaal am Montag, 12. Dezember 2022, im Rahmen eines Prozesses u.a. wegen Quälens von wehrlosen Personen in Pflegeheim, im Landesgericht in Wiener Neustadt.
ALEX HALADA / APA / picturedesk.com

Ein mehrtägiger Prozess gegen drei Angeklagte rund um Vorfälle in einem Pflegeheim in Kirchberg am Wechsel (Bezirk Neunkirchen) hat am Montag am Landesgericht Wiener Neustadt begonnen. Einem Mann wird schwere Nötigung angelastet. Zwei Frauen müssen sich wegen Vernachlässigens von wehrlosen Personen verantworten. Unter anderem soll nichts gegen einen Ausbruch der Krätze unternommen worden sein. Die Angeklagten bekannten sich nicht schuldig.

Zumindest drei Personen vernachlässigt

Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Frauen vor, 2021 monatelang zumindest drei Personen vernachlässigt zu haben, indem nichts gegen einen Krätzmilben-Befall unternommen worden sein soll. Die 49-jährige Erstangeklagte muss sich auch wegen fahrlässiger Körperverletzung und Datenfälschung verantworten. Außerdem sollen Einträge in die elektronische Pflegedokumentation im fremden Namen verfasst worden sein, ohne dass ein Arzt anwesend war. Weitere Anklagepunkte betreffen das Auslassen von abendlichen Mahlzeiten und unangemessene Freiheitsbeschränkung. Der männliche Angeklagte soll im April 2021 einer Mitarbeiterin mit einer Klage auf 200.000 Euro gedroht haben, sollte sie die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses nicht unterschreiben.

"Nur mehr ein Bruchteil übrig geblieben"

Der Verteidiger der Erstangeklagten betonte im Eröffnungsvortrag: "Von einer Reihe von Vorwürfen ist nur mehr ein Bruchteil übrig geblieben, und auch bei diesem Bruchteil wird sich zeigen, dass diese Vorwürfe unhaltbar sind." Ebenso wie der Rechtsanwalt der zweiten weiblichen Beschuldigten wies er darauf hin, dass bei den in der Anklage genannten Personen kein Verdacht auf Krätze (Scabies) bestanden habe. Als seine Mandantin erstmals von einem Scabies-Ausbruch erfahren habe, habe sie sofort alle nötigen Maßnahmen gesetzt, betonte der Verteidiger der 56-Jährigen.

Die Erstangeklagte berichtete von Personalnot in dem Pflegeheim durch Langzeitkrankenstände, kurzfristige Ausfälle und Pflegefreistellungen: "Das Corona-Virus hat uns vollkommen ins Strudeln gebracht". Ein Scabies-Verdacht sei erst aufgetreten, als sie nicht mehr in dem Heim beschäftigt war, sagte die Erstangeklagte. Zu weiteren Vorwürfen betonte die Frau, sie habe nie die Anweisung gegeben, jemandem kein Abendessen zu verabreichen.

Angeklagte streiten Vorwürfe ab

Eine medikamentöse Freiheitsbeschränkung durch Sedierung habe sie nur auf Anordnung eines Arztes und nicht eigenmächtig durchgeführt. Sitzhosen (also eine Fixierung am Rollstuhl) wurden laut der 49-Jährigen nur angewendet, wenn keine Aufsicht da war oder - wie auch bei Seitenteilen am Bett - wenn sie aus gesundheitlichen Gründen bzw. wegen Sturzgefahr erforderlich waren. Dies sei bei längerer Dauer wie vorgeschrieben gemeldet bzw. überprüft worden. Im Fall einer Bewohnerin, die durch einen Sturz aus dem Bett ohne Seitenteil Prellungen erlitten haben soll, habe sie keine Anordnungen erteilt und auch nicht Nachtdienst gehabt. Auch den Vorwurf der Datenfälschung und der Verweigerung eines Harnkatheters für einen Bewohner bestritt sie.

Wegen Hautausschlägen beim Arzt

Die Zweitangeklagte hielt fest, dass eine Bewohnerin im April 2021 wegen Hautausschlägen beim Arzt gewesen sei. Damals habe kein Verdacht auf Krätze bestanden. Im Juni sei sie von der Amtsärztin informiert worden, dass eine Mitarbeiterin Scabies habe. Die 56-Jährige beschrieb die Erstangeklagte als "extrem engagiert".

Der männliche Angeklagte berichtete, man habe sich bei einem Treffen am 7. April 2021 in Wien mit einer Angestellten, die sich an die Medien gewandt haben soll, auf eine einvernehmliche Lösung geeinigt. Den Vorwurf der schweren Nötigung bestritt der 62-Jährige. Er habe gesagt, dass er sich bei einem allfälligen Schaden für das Unternehmen überlegen müsste, ob er wegen Wiedergutmachung vor Gericht ziehe.

Gutachterin listete zahlreiche Verfehlungen auf

Eine Gutachterin hatte 2021 nach einem dreitägigen Besuch im Heim zahlreiche Verfehlungen aufgelistet. Der Betreiber Senecura nannte im Vorfeld des Prozesses Mitarbeitermangel durch Lockdowns und Covid-Krise als Hintergrund der Vorkommnisse. Man habe nach Bekanntwerden der Vorwürfe reagiert und u.a. die Personalsituation rasch verbessert.

Dem Mann drohen im Fall einer Verurteilung sechs Monate bis fünf Jahre Haft. Bei den beiden Frauen beträgt der Strafrahmen bis zu drei Jahre. Der 62-Jährige und die Zweitangeklagte sind nach wie vor bei Senecura beschäftigt. Ein Strafverfahren wegen Verhängung einer Verbandsgeldbuße gegen das Unternehmen wurde eingestellt.

Für Montagnachmittag waren Zeugeneinvernahmen geplant. Die Einzelrichterverhandlung wird am Dienstag mit der Erläuterung des Gutachtens und weiteren Befragungen fortgesetzt. Am Mittwoch soll es ein Urteil geben.

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