"Andrea lässt sich scheiden"
Minichmayer hadert hier mit ihrem Leben
Acht Jahre hat sich Josef Hader (62) mit seiner zweiten Regiearbeit Zeit gelassen und er taucht jetzt in ein geradezu erschreckendes Soziotop ab.
Egal ob als Kabarettist, Schauspieler oder Regisseur: Josef Hader hat immer schon ein grandioses Gespür dafür bewiesen, eine Szenerie mit einer erdrückenden Tristesse zu erfüllen. Niederösterreich hat wohl in keinem Film seit "Indien" (1993) so trostlos und halbtot gewirkt wie jetzt in Josef Haders Regie-Zweitling "Andrea lässt sich scheiden", der gerade bei der Berlinale uraufgeführt wurde und am dem 23. Februar in unseren Kinos startet.
Die Landpolizistin Andrea (Birgit Minichmayr) hadert mit ihrem Leben irgendwo im niederösterreichischen Nirgendwo und will nur mehr weg. Den neuen Job bei der Kripo in der Metropole St.Pölten hat sie bereits in der Tasche und von ihrem Ehemann Andy (Thomas Stipsits) hat sie sich auch schon getrennt. Nur die Scheidung fehlt noch. Auf der Geburtstagsfeier ihres Kollegen Georg (großartig: Thomas Schubert, "Atmen") betrinkt sich Andy so sehr, dass ihm Andrea die Schlüssel für sein Auto abnehmen muss, während sie mit dem eigenen Wagen nach Hause fährt. Kurz darauf überfährt Andrea Andy unabsichtlich und begeht im Schock Fahrerflucht.
In der selben Nacht ist Andrea weit weniger schockiert, also ausgerechnet ihr Kollege Georg bei ihr klingelt, um ihr die Nachricht vom Unfalltod ihres Mannes zu überbringen. Seltsam ist nur, dass sich der vermeintliche Todesfahrer auch schon gemeldet hat: Der Religionslehrer und trockene Alkoholiker Franz (Josef Hader) dürfte die Leiche von Andy ein zweites Mal überfahren haben und ist sich sicher, dass es der eigentliche Unfallfahrer ist.
"Andrea lässt sich scheiden" besteht eigentlich aus drei Ebenen:
Ab diesem Zeitpunkt besteht die Tragikomödie "Andrea lässt sich scheiden" eigentlich aus drei klar trennbaren Film-Ebenen: Einem Krimi, in dem Andrea versucht, die tatsächlichen Unfallspuren an ihrem Auto zu kaschieren und so schnell wie möglich nach St. Pölten umzuziehen, während ihr die dortige Kripo - vertreten durch ihren eigenen neuen Kollegen Walter (Robert Stadlober) - auf den Fersen ist. Weiters ist "Andrea lässt sich scheiden" eine Ansammlung an bittersüßen Kabarett-Szenen, in dem Haders Franz wieder zum feuchten Alkoholiker wird und immer mehr die Kontrolle über sein Leben verliert. Und dann sind da noch alle Szenen, die Minichmayr und Hader gemeinsam spielen, eine wunderbare Fusion aus absurdem Kabarett und großartiger Schauspielerei.
Dass dieser Film aus den genannten drei Ebenen besteht, die sich auch ständig abwechseln, könnte irritieren, macht es aber nicht. Vielleicht auch deshalb, weil das erwähnte supertriste Setting des Film irgendwo im Bezirk Hollabrunn - keine Diss an den Bezirk Hollabrunn! - sich wie ein Schleier über den Film legt. Bemerkenswert ist auch, welchen Stellenwert Josef Hader den Autos als Sinnbild dafür den vermeintlich einzigen Weg aus dieser Tristesse zu entkommen einräumt, entweder als Transportmittel oder als Vehikel um komplett aus dem Leben zu scheiden. Praktisch keine Szene im Film kommt ohne ein Gefährt im Hintergrund aus.
Insgesamt sorgt "Andrea lässt sich scheiden" für einige echte Lacher, ein wenig Gänsehaut, ein bisschen Angst - vor allem wenn sich Schlingen zuziehen - und etliche Schmunzler darüber, wie man in Österreich mit dem Tod umgeht und auch mit der Frage, ob es ein Leben vor dem Tod gibt. Geschrieben, gespielt und gedreht ist "Andrea lässt sich scheiden" großartig, auch wenn man nach dem Film garantiert froh ist, der Trostlosigkeit des Settings entkommen zu können.