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Millionenerbin Marlene Engelhorn will radikal teilen

Marlene Engelhorn wird ein Vermögen im zweistelligen Millionenbereich erben. Doch anstatt sich darüber still zu freuen, fordert sie höhere Steuern.

Christine Scharfetter
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Günther Pichlkostner / First Look / picturedesk.com

Warum stillschweigend mehrere Millionen erben, wenn man damit auch die Welt verändern kann? Diesen Vorsatz hat Marlene Engelhorn gefasst und setzt gemeinsam mit anderen Erbinnen und Erben sowie reichen Personen des Netzwerks "Millionairs for Humanity" dafür ein, dass Reichtum gerecht verteilt werden soll. Ihre Forderung: Superreiche sollen endlich gerecht besteuert werden. Deshalb will Engelhorn 90 Prozent ihres Erbes im zweistelligen Millionenbereich spenden.

Erben wird die 29-jährige Österreicherin das Geld von ihrer Großmutter Traudl Engelhorn-Vechiatto (94). Das Vermögen der aus Wien stammenden Witwe von Peter Engelhorn schätzt "Forbes" auf rund 3,4 Milliarden Euro. Ihr im Jahr 1991 verstorbener Mann, ein Urenkel des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn, war Mitgesellschafter der deutschen Boehringer-Mannheim-Gruppe, die 1997 an den Schweizer Pharmakonzern Hoffmann-La Roche verkauft wurde.

"Heute": Frau Engelhorn, in den vergangenen Wochen haben Sie mit Ihrer Aussage, dass Sie Ihr Erbe in Millionenhöhe verschenken, spenden und teilen wollen, für Aufsehen gesorgt. Warum streben Sie diesen Schritt an?

Marlene Engelhorn: Ich habe nichts getan für dieses Erbe. Das ist pures Glück im Geburtslotto und reiner Zufall. Schauen wir uns die Zahlen an: Ein Prozent der Bevölkerung hält 40 Prozent des Vermögens, während die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher nicht einmal drei Prozent besitzen. Stellen wir uns das Vermögen in Österreich als Kuchen vor, den sich zehn Menschen teilen. Ein einziger Mensch bekommt sechs Stück des Kuchens, fünf andere hingegen bekommen gemeinsam nicht einmal ein Stück, sie bekommen nur ein paar Brösel ab. Das ist schlicht und ergreifend sowohl ungerecht als auch undemokratisch. Denn es geht schließlich nicht nur um Geld, sondern auch um Macht und Lebenschancen. Mit meinem Millionenvermögen ist meine Stimme mehr wert als die der allermeisten Menschen in Österreich, denn ich kann mir den Einfluss auf Politik und Wirtschaft kaufen. Superreiche werden systematisch bevorzugt und das kann in einer Demokratie einfach nicht sein. Und: wer von seiner Arbeit leben muss, wird selbstverständlich besteuert. Warum machen wir ganz, ganz oben, wo man sich einen gerechten Beitrag am Steueraufkommen, ganz locker leisten kann, eine Ausnahme?

Darf man fragen, um welche Summe es sich handelt?

Es handelt sich um ein Vermögen im zweistelligen Millionenbereich. Damit gehöre ich zum reichsten Prozent dieses Landes.

Allerdings halten Sie Ihr Erbe derzeit noch nicht in den eigenen Händen?

Das ist richtig. Aber warum damit warten, eine Debatte darüber anzustoßen, dass unser Steuersystem extrem ungerecht ist? Eine faire Besteuerung aller wird nicht vom Himmel fallen, der Einsatz dafür wird mich sehr wahrscheinlich noch jahrelang begleiten. Warum also nicht gleich damit anfangen? Ich bin an die Öffentlichkeit gegangen, um eine Debatte über Steuergerechtigkeit anzustoßen. Im besten Fall wird eine Erbschaftssteuer eingeführt, bevor es soweit ist, dass ich überhaupt erbe.

"Ich habe für das Geld keinen Tag gearbeitet und zahle keinen Cent Steuer. Dass kann es doch nicht sein."

Was sagt Ihre Großmutter dazu? Schließlich wurde dieses Geld von Ihren Vorfahren hart erarbeitet. Oder sehen Sie das anders?

Meine Großmutter eröffnet mir damit einen riesigen Handlungsfreiraum, den ich nutzen möchte, um den öffentlichen Diskurs ein wenig aufzumachen: Ich habe für das Geld keinen Tag gearbeitet und zahle keinen Cent Steuer. Dass kann es doch nicht sein. Salopp formuliert: Wenn’s bis dahin keine Erbschafts- oder Vermögenssteuern gibt, mache ich mir halt selber eine. Und wenn das dabei hilft, viele Menschen für gerechtere Steuern zu begeistern, dann war es jeden Cent wert.

Forbes schätzt das Vermögen von Traudl Engelhorn-Vechiatto, Witwe des BASF-Urenkels Peter Engelhorn. auf etwas 3,4 Milliarden Euro.
Forbes schätzt das Vermögen von Traudl Engelhorn-Vechiatto, Witwe des BASF-Urenkels Peter Engelhorn. auf etwas 3,4 Milliarden Euro.
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Halten Sie eine Vermögensverteilung mittels Steuern tatsächlich für sinnvoll? Am Ende hat der kleine Arbeiter doch wieder nichts davon.

Ich plane mein Erbe radikal zu teilen, weil mich in Österreich verrückterweise niemand besteuert. Jeder, der von seiner Arbeit leben muss, zahlt um ein Vielfaches mehr Steuern als ich, die ein Vermögen einfach so geschenkt bekommt. Unser Wohlstand wird gemeinsam eben arbeitsteilig erwirtschaftet. Die Früchte dieser Arbeit landen aber konzentriert bei ganz wenigen Einzelnen. Unsere Art zu wirtschaften beutet systematisch viele Menschen zugunsten von wenigen, oft ohnehin schon sehr reichen Menschen, aus. Und ja, wenn wir das ändern, dann hat auch der kleine Arbeiter etwas davon.

Dass Besitz so gut wie gar nicht, aber Arbeit schon ab 11.000 Euro im Jahr mit 20 Prozent besteuert wird, ist doch absurd.

Was muss sich in Ihren Augen in der Gesellschaft in Bezug auf Einkommen, Gehalt und Steuern ändern?

Dass Besitz so gut wie gar nicht, aber Arbeit schon ab 11.000 Euro im Jahr mit 20 Prozent besteuert wird, ist doch absurd. Zu einer Gesellschaft sollen alle ihren Teil beitragen. Das verlangen wir von jeder alleinerziehenden Mutter, die ihre Kinder mit einem Teilzeitjob durchbringt, ganz selbstverständlich. Warum machen wir bei den Superreichen da eine Ausnahme? Die Steuern und Abgaben auf Arbeit sind unter anderem auch deshalb hoch, weil große Vermögen und Erbschaften keinen fairen Beitrag leisten.

Wie hoch sollte die Vermögenssteuer für Reiche sein oder wie würde eine gerechte Verteilung des Geldes in der Gesellschaft aussehen?

Viele Industrienationen kennen Erbschafts- und Vermögenssteuern: Und das schon sehr, sehr lange. Schon im alten Rom wurden Erbschaften besteuert. Es gibt sehr gute und unterschiedliche Modelle für Vermögens- und Erbschaftssteuern, über die sollten wir uns alle gemeinsam ernsthaft unterhalten. Thomas Piketty etwa, der französische Ökonom, meint, fünf Prozent des Staatshaushalts sollten aus Vermögenssteuern lukriert werden. Denn Geld ist eben mehr als ein Mittel, Dinge zu kaufen. Mit dem Geld kommen die Möglichkeiten: Mit so einer Rücklage traut man sich eher, ein Unternehmen zu gründen oder Kunst zu machen. Oder aber man kann es sich locker leisten, eine Partei über Spenden zu finanzieren oder kauft sich die größte Zeitung eines Landes. Es geht immer um Lebenschancen, aber am Ende ist es vor allem auch eine Machtfrage.

Wenn Sie nicht besteuert werden, wollen Sie Ihr Erbe teilen bzw. spenden. Wie und welche Kriterien sind dabei für Sie wichtig?

Hier fängt das Problem ja schon an: Dass ich als Einzelperson entscheide, wie das Geld zu verteilen ist. Das geht alle etwas an: Deshalb braucht es umfangreiche Vermögenssteuern, die jenes eine Prozent besteuern, das mehr Vermögen angehäuft hat, als man durch Arbeit je verdienen kann und wenn man sich noch so anstrengt. Hätten wir diese Steuern, würde die Frage, wofür das Geld verwendet wird, demokratisch und transparent entschieden. Dass wir sie nicht haben, ist schlicht ein politisches Versagen und hat auch damit zu tun, dass sich obszön reiche Menschen locker riesige Spenden an politische Parteien leisten können. Ich könnte das auch tun – die allermeisten Leserinnen und Leser nicht. Meine Stimme zählt damit mehr als ihre. Das darf in einer Demokratie nicht sein. Deshalb gilt mein Einsatz der fairen Besteuerung, dafür braucht es Erbschafts- und Vermögenssteuern. Da geht es nicht nur um eine Steuerfrage, das berührt das Herz unserer Demokratie.

"Ich persönlich bin schon abgesichert, und ich bin mir auch nicht zu schade, zu arbeiten."

Sie wollen mindestens 90 Prozent abgeben. Wie viel bleibt Ihnen dann noch? Wie viel Geld wollen Sie besitzen?

Wie viel ist genug? Was ist das gute Leben für alle? Das sind wichtige Fragen und vor allem politische Aufgaben. Ich persönlich bin schon abgesichert, und ich bin mir auch nicht zu schade, zu arbeiten. Momentan stecke ich alles, was ich an Arbeitskraft habe, in die Auseinandersetzung mit diesem Thema und den Einsatz für Steuergerechtigkeit und hoffe, dass das irgendwann gegessen ist, weil die Politik hier auf ihren Souverän hört: Umfragen zeigen uns ja, die Mehrheit der Menschen findet die Idee, Superreiche zu besteuern gut. Und wenn das geschafft ist, dann gehe ich arbeiten. Ich bin mir nicht zu schade, für mein Geld zu arbeiten, wie jeder andere auch.

Sie haben als „reicher Mensch“ den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt, was hat sich dadurch für Sie verändert?

Natürlich diskutiere ich auch in meinem Umfeld nun Steuergerechtigkeit viel häufiger. Genau das war ja der Grund dafür, den Schritt in die Öffentlichkeit zu wagen. Was mich besonders freut: Die allermeisten Reaktionen sind überwältigend positiv.

Seitdem erreichen Sie Briefe von Menschen, die um Geld bitten. Wie gehen Sie damit um?

Mir schreiben Menschen, die unglaublich schwierige Lebensgeschichten durchmachen und die sich ein Herz fassen, einem wildfremden Menschen eine Bitte um Unterstützung zu schicken, und diese Schreiben sind voller Respekt und Demut. Ich habe großen Respekt vor diesem Mut, auch wenn ich noch nicht über die Mittel verfüge, diesen Menschen zu helfen. Es sollte aber auch gar nicht meine Aufgabe sein. Diese Menschen begeben sich ja in die Abhängigkeit von meinem guten Willen. Das darf nicht sein. Niemand hätte sie mit ihren Sorgen und Nöten allein lassen dürfen. Hier zeigt sich ein gesellschaftspolitisches Versagen der Sonderklasse. Ich schreibe möglichst allen zurück, das ist das Mindestmaß an Respekt, auch wenn ich ihnen Absagen schicke. Man kann nicht superreich sein wollen, während andere um ihre Existenz fürchten müssen, und erwarten, dass es obendrein superbequem ist. Das ist ein Leugnen der Verantwortung und der gesellschaftlichen Verbundenheit.

Ich möchte mit diesem Erbe so sinnvoll und verantwortungsbewusst umgehen, wie ich kann.

Was, wenn Sie Ihre Entscheidung irgendwann einmal bereuen?

Würde ich mein Erbe vollumfänglich antreten, mich also mit dem Status quo und der Ungerechtigkeit arrangieren, würden sie mich das dann auch fragen? Sogenannte “Phasen” bekommen eben jene unterstellt, die die Dinge anders angehen. Ich möchte mit diesem Erbe so sinnvoll und verantwortungsbewusst umgehen, wie ich kann. Es sollte aber nicht eine einzige Person entscheiden, was sinnvoll ist. Jedenfalls will ich mich für Steuergerechtigkeit einsetzen und auch andere vermögenden Menschen davon überzeugen, dafür zu kämpfen.

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