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Millionen Inder stehen jetzt vor der Abschiebung

Millionen Inder wurden in Internierungslager gesteckt und befürchten ihre Ausweisung – weil sie nicht nachweisen können, dass sie wirklich Inder sind.

In Indien stehen Millionen Menschen vor der Abschiebung – weil sie nie nachtweisen können, dass sie wirklich Inder sind.
In Indien stehen Millionen Menschen vor der Abschiebung – weil sie nie nachtweisen können, dass sie wirklich Inder sind.
IMAGO/Xinhua

Krishna Biswas hat Angst. Weil er nicht nachweisen kann, dass er ein rechtmäßiger indischer Staatsbürger ist, könnte er in einem Internierungslager landen – weit entfernt von seiner bescheidenen Bambushütte mit Blick auf üppige Maisfelder. Biswas sagt, dass er in Indiens nordöstlichen Bundesstaat Assam zur Welt kam, wie auch sein Vater vor fast 65 Jahren. Aber die Regierung verlangt einen Beweis dafür, dass er Inder ist, in der Form von Dokumenten, die mindestens bis 1971 zurückreichen.

Zwei Millionen können nicht nachweisen, dass sie Inder sind

Für den 37-jährigen Gemüseverkäufer bedeutet das, einen Jahrzehnte alten Nachweis über den Besitz eines Grundstücks oder eine Geburtsurkunde mit dem Namen eines Vorfahrens darauf aufzuspüren. Biswas hat keines von diesen Dokumenten – und er steht damit nicht allein da. Es gibt fast zwei Millionen Menschen in Assam, mehr als fünf Prozent der Bevölkerung dieses Bundesstaates, die wie er befürchten müssen, dass man ihnen die Staatsbürgerschaft entzieht, weil sie nicht nachweisen können, dass sie Inder sind.

Und nun, da Indien China als bevölkerungsreichstes Land der Welt ablöst – nach einer Prognose der UN dürfte es dieser Tage soweit sein -, ist zu erwarten, dass sich diese Befürchtungen noch verstärken könnten. Zumal die Regierung von Narendra Modi selbst versucht, das Thema illegale Einwanderung und demografischer Wandel für eigene politische Zwecke auszuschlachten.

Die Überprüfung der Staatsbürgerschaft in Assam wurde zwar vorläufig gestoppt, nachdem bei einer Überprüfung auf Bundesebene Mängel und Fehler festgestellt worden waren. Modis nationalistische Partei BJP will sie perspektivisch dennoch auf ganz Indien ausweiten.

Nachweis, dass Vorfahren vor 1971 indische Staatsbürger waren

Tausende sind aus Furcht vor einer Festnahme in andere indische Bundesstaaten geflohen, und einige haben sich aus Verzweiflung das Leben genommen. Millionen Menschen wie Biswas, dessen Staatsbürgerschaftsstatus unklar ist, sind in Indien geboren worden, nachdem ihre Eltern vor Jahrzehnten dorthin immigriert waren. Viele von ihnen besitzen Stimmkarten, das heißt Wahlrechte, und verfügen auch über andere Papiere. Aber Assams Register zählt nur jene, die an Hand von Dokumenten nachweisen können, dass ihre Vorfahren vor 1971 indische Staatsbürger waren – dem Jahr, als Bangladesch gegründet wurde.

Modis Partei, die auch in Assam regiert, argumentiert, dass das Register nötig sei, um Leute zu identifizieren, die illegal ins Land gekommen sind – in einen Bundesstaat, in dem Anti-Immigranten-Proteste in den 1980er- Jahren in ein Massaker an mehr als 2000 eingewanderten Muslimen mündeten.

Als "Ausländer" eingestuft

"Mein Vater und dessen Bruder sind hier geboren. Wir sind hier geboren. Unsere Kinder sind auch hier geboren. Wir werden hier sterben, aber diesen Ort nicht verlassen", sagt Biswas, der im Dorf Muskata lebt. Die Biswas-Familie hat elf Mitglieder, der Status von neun ist strittig. Biswas’ Frau und Mutter sind von einem Ausländer-Tribunal, das über Ansprüche auf Staatsbürgerschaft entscheidet, offiziell zu Indern erklärt worden. Andere, so seine drei Kinder, sein Vater und die Familie von dessen Bruder, wurden als "Ausländer" eingestuft.

Das alles macht in Biswas’ Augen keinen Sinn, er fragt sich, warum die einen als rechtmäßige Staatsbürger betrachtet würden und die anderen nicht. Die Familie hat – und so geht es vielen – nicht genügend Geld, um gerichtliche Schritte einzuleiten.

Das zuletzt 2019 auf einen neuen Stand gebrachte Register hat sowohl als Immigranten verdächtigte Hindus als auch Muslime ausgeschlossen, aber die meisten Kritiker sagen, dass es darauf abziele, Millionen von Muslimen – der größten Minderheit im Land – abzuschieben. Sie fürchten, dass sich die Ausgrenzungen noch verstärken werden, wenn Modis Partei eine umstrittene Gesetzesvorlage wiederbelebt, die verfolgten Gläubigen, die illegal aus Nachbarstaaten ins Land gekommen sind, die Staatsbürgerschaft gewährt. Dazu gehören Hindus, Sikhs und Christen, aber nicht Muslime. Der Entwurf war 2019 vorgelegt worden, aber die Regierung stellte ihn nach Protesten gegen die Ausgrenzung der Muslime zurück.

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