Niederösterreich
Milch immer teurer: "Aber Preis wird 2023 explodieren"
Bäuerin und VP-Politikerin Waltraud Ungersböck schlägt Alarm: Wegen der hohen Energiekosten ist die Milchproduktion bald nicht mehr finanzierbar.
Die Teuerung lässt viele Bauern verzweifeln, die Preise für Milchprodukte schossen in die Höhe. Bäuerin Waltraud Ungersböck (46) aus Scheiblingkirchen-Thernberg (Neunkirchen) ist Landwirtschaftsmeisterin und seit 2015 politisch tätig. Mit "Heute" spricht die Vizebürgermeisterin und Landtagsabgeordnete über die Probleme der Landwirte und Milchbauern. Die Frau vom Fach ist fast sicher: Die Milchpreise werden 2023 so richtig abheben.
"Heute": Die Milchpreise stiegen um rund 40 %, um wieviel, schätzen Sie, sind die Produktionskosten der Milchbauern gestiegen?
Waltraud Ungersböck: Generell sind die Kosten in allen Bereichen gestiegen (Düngemittel, Saatgut, Verbrauchsmaterialien, Stromkosten usw.). Die Kostensteigerung ist unterschiedlich. Hier ein paar Beispiele: Die Kosten für das Getreidefutter, das wir zukaufen müssen, sind um 50% gestiegen. Die Treibstoffkosten sind im Vergleich zum Vorjahr um 70% gestiegen.
"Heute": Das geht sich somit niemals aus. Wie kann ein Landwirt somit überhaupt überleben?
Waltraud Ungersböck: Zum momentanen Zeitpunkt kann der gestiegene Milchpreis die gestiegenen Produktionskosten nicht abdecken. Über 90 Prozent unserer Milchviehbetriebe in Österreich sind Familienbetriebe. Es müssen keine regelmäßigen Löhne ausbezahlt werden und somit kann ein Familienbetrieb länger überleben. Weiters sind wir landwirtschaftlichen Betriebe auf die öffentliche Hand angewiesen und brauchen neben dem beschlossenen Versorgungssicherungspaket von 110 Millionen Euro noch weitere Zuwendungen.
"Heute": Wie ist ihre Einschätzung fürs nächste Jahr? Wird alles noch teurer?
Waltraud Ungersböck: Erst mit dem Jahresabschluss der Buchhaltung stehen genaue Ergebnisse fest. Die Teuerung wird sicher anhalten. Ich denke, dass sich nächstes Jahr die Teuerung noch mehr zu Buche schlagen wird, da heuer die Teuerung erst im Laufe des Jahres gekommen ist, und wir noch von Betriebsmittelreserven leben. Es wird in Zukunft noch höhere Milchpreise brauchen, um die erhöhten Betriebsmittelpreise auszugleichen. Nur so kann eine langfristige Milcherzeugung in unserer Region gehalten werden. Auch wenn unsere kleinstrukturierten Familienbetriebe krisengebeutelt sind, so macht aber auch hier die hohe Inflation einiges aus und kann nicht auf Dauer durchgehalten werden.
"Heute": Glauben Sie, dass sich durch die Krise und Teuerungen das Einkaufs- und Konsumverhalten der Menschen ändert?
Waltraud Ungersböck: Bereits jetzt stellen wir ein verändertes Konsumverhalten fest. Steigende Produktionspreise müssen an den Endverbraucher weitergeben werden – im Lebensmittelhandel wurde daher alles teurer. Die Konsumentinnen und Konsumenten haben auch mit der hohen Inflation und den gestiegenen Energiepreisen zu kämpfen. Dass beim Lebensmitteleinkauf auf billigere Alternativen gegriffen wird, ist nicht mehr aufzuhalten und auch verständlich. Leider melden auch schon einige Direktvermarkter in unserer Region, dass der Umsatz in den letzten Wochen gesunken ist. Als Konsumentin und Konsument muss derzeit viel Idealismus beim Lebensmitteleinkauf mitschwingen.
"Heute": Glauben Sie, dass die Menschen dennoch vermehrt zu regionalen Produkten tendieren. Wenn ja, warum?
Waltraud Ungersböck: Wir Bäuerinnen und Bauern hoffen auf die Herkunftskennzeichnung, die ab 2023 im Lebensmittelhandel umgesetzt werden wird. Die Herkunft der Primärzutaten Fleisch, Eier und Milch ist so in verarbeiteten Lebensmitteln ersichtlich und die Konsumentinnen und Konsumenten können zumindest hier mehr Informationen zur Herkunft erfahren und bewusst eine Entscheidung für ein österreichisches Lebensmittel treffen. Nicht immer muss regionale österreichische Qualität teurer sein. Und man darf nicht vergessen: Wer regional einkauft unterstützt die Bewirtschaftung unsere Kulturlandschaft, die wir in Österreich so sehr schätzen und lieben.