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Burkini im Freibad – "liberaler" Imam packt jetzt aus
Der Imam der El-Hidaje-Moschee bezeichnet sich selbst als ein "liberaler Imam". Doch wie streng hält er die islamischen Regeln wirklich ein?
Die St. Galler Moschee "El-Hidaje" liegt an einer Quartierstraße zwischen dem Bahnhof Winkeln und Shopping-Arena. Imam Mehas Alija (39) kommt ursprünglich aus Nordmazedonien, seit elf Jahren ist bereits in St. Gallen tätig.
Er selbst sieht sich als liberaler, moderner Imam. Dennoch sind ihm traditionelle Werte wichtig. Doch wie streng halten er und seine Familie die islamischen Vorschriften wirklich ein? Das "Heute"-Partnerportal "20 Minuten" aus der Schweiz hat ihn besucht und mit ihm gesprochen. Hier die Schweizer Reportage im Wortlaut:
Imam Mehas Alija (39) öffnet die Tür an diesem warmen Sommermorgen. Er hat Gipfeli [Kipferl, Anm.] besorgt und serviert im Untergeschoss Kaffee dazu. Was tut ein Imam? Wir sind hier, um das zu erfahren.
Und weil Mehas Alija eine Imam-Weiterbildung in der Schweiz absolviert hat, über die wir berichten. Im Eingangsbereich hängen Informationen wie diese: "Liebe Gläubige, das Hallenbad Volksbad ist ideal für Muslime, die schwimmen wollen. Es hat Sichtschutz und getrennte Zeiten für Männer und Frauen." Auf einem anderen Zettel wird über ein saisonales Fußballtreffen informiert. So etwas tut ein Imam zum Beispiel.
VIDEO: 13 Fragen an Imam Mehas Alija
Oder: Während des Gesprächs klingelt sein Handy, er muss kurz weg, ein Todesfall in der Familie eines Gläubigen. Er ist auch Seelsorger. Nicht nur in seiner Gemeinde, sondern jeden Freitag auch im Kantonsspital St. Gallen. Er zeigt uns seine Agenda, wie zum Beweis. Sie ist randvoll, selbst die Wochenendtage. Gebete und Predigten vorbereiten, Koranstudium, Koran-Schulunterricht, Seelsorge, das Präsidium des Dachverbands islamisch-albanischer Gemeinschaften in der Schweiz (DAIGS).
Seine drei Kinder sind zwischen sechs und 15 Jahre alt, der älteste Sohn besuche derzeit eine öffentliche katholische Schule, sagt er. Mehas Alija absolviert zudem noch das Master-Fernstudium an der Universität Pristina. Und er berät Leute, die sich wegen persönlicher Probleme an ihn wenden. Immer mit Blick auf den Koran.
Von Nordmazedonien nach St. Gallen
Den Koran kannte er mit 13 auswendig, erzählt Alija. Geboren 1983 im nordmazedonischen Tetovo, Skopje, theologische Mittelschule in Skopje, dann Studium der Islamwissenschaften an der Universität in Pristina. "Ein Imam sollte Theologie studiert haben", sagt Alija. Nach dem Studium zieht er mit seinen Eltern und beiden Schwestern in die Schweiz, wo die Eltern Arbeit finden. Und auch er. Zuerst in einer Kettensäge-Firma in Wil, dann wurde in St. Gallen die Stelle in der Moschee frei. Das war vor elf Jahren.
"Ich fühle mich mehr als Schweizer als als Nordmazedonier", sagt Alija. Sein Herz schlage hier, er denke auf Deutsch. Das Zusammenwirken von Minderheiten in der Schweiz sei einzigartig. Darüber schreibt er seine Masterarbeit: "Der interreligiöse Dialog in der Schweiz".
Mehas Alija ist gut integriert, das spürt man. Er mag sein Quartier, die Nachbarn und Nachbarinnen, auch von den Behörden spüre er Wohlwollen, sagt er.
VIDEO: "20 Minuten"-Redakteur Adriel Monostori macht mit Imam Mehas Alija eine rituelle Waschung
Die Regeln des Koran
Er führt uns durch die Moschee, zeigt uns das Waschritual vor dem Gebet. Und beantwortet Fragen, auch zu Kopftuch und Schwimmunterricht. Seine Tochter dürfe den Schwimmunterricht besuchen, sagt er, denn mit sechs Jahren trage sie noch keine "religiöse Verantwortung". Erst wenn jemand in die Pubertät komme, sei es "eine Sünde", sich nicht an die Regeln des Korans zu halten: Frauen tragen Kopftuch und schwimmen nur mit Spezial-Badekleid wie Burkini, Alkohol ist verboten. "Ich habe noch keinen Tropfen Alkohol getrunken", sagt Mehas Alija. "Nie. Ich trinke am liebsten Wasser und Rivella."
Was, wenn eine Frau das Kopftuch nicht tragen will? "Das ist der freie Entscheid jeder Frau", sagt Alija. Niemand dürfe das der Frau befehlen. Auch in seiner Familie gebe es vereinzelt Frauen, die das Kopftuch nicht tragen. Sie seien an Familienfesten dennoch willkommen, sagt er. "Wir sind es gewohnt."