Es geht um Amtsmissbrauch
Mega-Streit in Koalition – ÖVP zeigt jetzt Gewessler an
Nach ihrem "Ja" zum umstrittenen EU-Renaturierungsgesetz fliegen in der türkis-grünen Koalition die Fetzen. ÖVP-General Stocker zeigt Gewessler an.
Leonore Gewessler hat es also getan! Obwohl Bundeskanzler Karl Nehammer (VP) sie für unzuständig erklärt hatte, stimmte sie dem Gesetz beim Treffen der EU-Umweltminister am Montagvormittag zu. Es fand somit genug Unterstützer und ist damit beschlossen.
Das Bundeskanzleramt geht allerdings auf die Barrikaden, teilt gegenüber "Heute" mit: "Österreich wird Nichtigkeitsklage beim EuGH einbringen. Das Votum von Bundesministerin Gewessler entspricht nicht dem innerstaatlichen Willen und konnte daher nicht verfassungskonform abgegeben werden. Diese Entscheidung gilt es dann abzuwarten."
„Die Verfassung gilt auch für Klimaschützer. Niemand steht über dem Recht.“
Man gehe davon aus, "dass der EuGH so rechtzeitig entscheiden wird, dass eine Vorlage von nationalen Wiederherstellungsplänen vorab nicht notwendig sein wird und damit die nicht notwendige Überregulierung unwirksam bleibt". Das BKA bleibt dabei: "Klimaschutz ist ein wichtiges Anliegen und die Bundesregierung hat in vielen Bereichen wesentliche Maßnahmen gesetzt. Klar ist aber auch: Die Verfassung gilt auch für Klimaschützer. Niemand steht über dem Recht."
ÖVP zeigt Gewessler an
Wie "Heute" darüber hinaus erfuhr, wird ÖVP-Generalsekretär Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen die Grünen-Ministerin Leonore Gewessler einbringen. "Der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt legt die Verfassung für die Mitglieder der Bundesregierung aus. Laut diesem ist die Ministerin gemäß der Verfassung an die Stellungnahme der Länder gebunden", so Generalsekretär Christian Stocker. Er hegt den Verdacht, "dass Leonore Gewessler mit ihrer Zustimmung zur Renaturierungsverordnung rechtswidrig und wissentlich gegen die klaren Vorgaben des Verfassungsdienstes und gegen die Verfassung handelt – dies begründet Amtsmissbrauch".
„Leonore Gewessler stellt wie Herbert Kickl Ideologie über das Gesetz.“
Stocker weiter: "Der Zweck heiligt nicht die Mittel: Leonore Gewessler stellt sich über die Verfassung, weil sie es mit ihrer grünen Ideologie nicht vereinbaren kann, gesetzeskonform zu handeln. Wie Herbert Kickl stellt sie damit Ideologie über das Gesetz. Dieses Verhalten wird die Volkspartei nicht akzeptieren."
Das steht im umstrittenen Gesetz
Das EU-Renaturierungsgesetz verpflichtet die Mitgliedstaaten, zerstörte Natur wiederherzustellen. Bis 2030 sollen mindestens 20 % der Land- und Meeresflächen der EU und bis 2050 alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme wieder in guten Zustand versetzt werden. Das heißt etwa, Tausende Flusskilometer wieder frei fließen zu lassen und Biotope wie Streuobstwiesen anzulegen. Damit das Gesetz durchgeht, müssen mindestens 15 der 27 EU-Staaten zustimmen (für 65 % der EU-Bevölkerung)
Pressekonferenz am Sonntag
Wie berichtet, hatte Gewessler Sonntagnachmittag die Bombe platzen lassen: Sie kündigte an, im EU-Rat für die umstrittene EU-Verordnung zur "Renaturierung" (= Wiederherstellung der Natur, siehe rechts) zu stimmen. Damit geht die Grüne auf Konfrontation mit Regierungspartner ÖVP.
Wien änderte Zugang
Lange war nicht klar, ob der Punkt überhaupt auf die Tagesordnung kommt. Gewessler war immer für das Renaturierungsgesetz. Da es aber eine einheitlich ablehnende Stellungnahme der Bundesländer gab, war klar, dass sie im EU-Rat nicht zustimmen dürfte. Doch Wien änderte den Kurs, unterstützt das Gesetz jetzt doch – Gewessler sah somit freie Bahn für ihre Pläne.
Für die Rettung der Natur sei es das wichtigste Gesetz. ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler reagierte verschnupft: "Sich über Verfassung und Gesetze zu stellen ist eine neue Dimension", schimpfte Edtstadler: "Das muss und wird rechtliche Konsequenzen haben." Nun erstattet ihre Partei Strafanzeige.
Auch SP-Doskozil not amused
Am Montag meldete sich auch Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zu Wort: "Der Konflikt hätte leicht in dieser Schärfe vermieden werden können, wenn man frühzeitig einen gemeinsamen Nenner aller Beteiligten gesucht und strittige Fragen, etwa zur Finanzierung und zum Zeitplan, geklärt und zum Gegenstand einer gemeinsamen österreichischen Position zusammengefasst hätte. Es ist auch höchst bedauerlich, dass durch diese unkoordinierte Vorgangsweise Beschlüsse der Landeshauptleute-Konferenz ad absurdum geführt werden", teilte er mit.