"Dieser Antrag ist mit den Stimmen der ÖVP und der FPÖ angenommen", verkündete FPÖ-Politiker Gottfried Waldhäusl am 25. Mai 2023 und besiegelte damit den Beschluss des NÖ COVID-Hilfsfonds. Das Ziel: Die zur Eindämmung der Pandemie gesetzten Maßnahmen teilweise zu entschädigen.
In einer Presseaussendung sprach die schwarz-blaue Landesregierung anschließend davon, dass sie "die im Zuge von Corona gesetzten Maßnahmen aufzuarbeiten" gedenke und Schritte setzen würde, um "die entstandenen Schäden - so gut dies möglich ist - wiedergutzumachen."
Zwei Jahre später hagelt es nun Kritik vom Rechnungshof, der vor wenigen Tagen einen Bericht zum NÖ COVID-Hilfsfonds veröffentlichte, in dem er schreibt: "Das Land Niederösterreich legte das Volumen des NÖ Covid-Hilfsfonds auf 31,3 Millionen fest – jedoch ohne nachvollziehbare Grundlage." Und: "Eine gesamthafte, nachvollziehbare Bedarfsabschätzung zu dieser Summe lag nicht vor."
Ein Blick in den Bericht zeigt, "fast die Hälfte der bisherigen Auszahlungen entfielen auf die Refundierung von psychologischen Behandlungskosten im Zusammenhang mit COVID-19." Bis Juni 2024 hatte der Fonds 3,63 Millionen Euro an "rund 5.000 Personen und zwei Vereine" ausbezahlt.
Die Mittel für den Fonds stammen direkt aus dem Budget des Landes Niederösterreich, was bereits bei seinem Beschluss von den Oppositionsparteien im Landtag (SPÖ, Grüne und NEOS) heftig kritisiert wurde. Damals sagte etwa der NEOS-Abgeordnete Helmut Hofer-Gruber: "Das heißt, es werden wieder neue Schulden aufgenommen. Die nächsten Generationen werden sich freuen."
Womöglich war auch bei den sogenannten "Impfgegnern" die Freude groß, hieß es doch, dass Personen, die einen Schaden durch die Impfung nachweisen können, entschädigt werden sollen. In der tatsächlichen Förderabwicklung führte das aber zu "erhöhtem Klärungsbedarf", schrieb der Rechnungshof, da etwa Begriffe wie "Impfbeeinträchtigung" nirgendwo in der Fachwelt gängig seien. Es kam zu Auslegungsschwierigkeiten, da die Förderkriterien völlig offen lassen, was nun anzuerkennen sei. "Das Land Niederösterreich wartete daher mit der Abarbeitung von Fällen zu."
In einer Reaktion auf die Rechnungshof-Kritik verteidigte der ÖVP-Landtagsabgeordnete Franz Dinhobl das Millionenprojekt: "Über 90 Prozent der Fördermittel des Corona-Fonds, die ausgezahlt wurden, gingen an Long-COVID-Opfer, Menschen mit ärztlich nachgewiesenen Folgeproblemen und Schülerinnen und Schüler mit Lerndefiziten."
Die FPÖ reagierte auf den Bericht des Rechnungshofs wie folgt: "Weil während der Pandemie Wahnsinns-Summen für Sinnlosmaßnahmen verpulvert wurden, ist die falsche Coronapolitik eine wesentliche Ursache für die völlig marode Budgetsituation in Österreich", sagte FPÖ-Landessekretär Alexander Murlasits.
Demgegenüber sei der 2023 beschlossene NÖ COVID Hilfsfonds "ein wichtiger Teil des konsequenten, ehrlichen Weges der FPÖ Niederösterreich" und "in Ermangelung valider Vergleichszahlen" sei es gut, "dass ausreichend Mittel vorhanden waren", so Murlasits.
Von diesen Mitteln, schreibt der Rechnungshof, wurden aber bisher nur "zwölf Prozent des Fördervolumens ausbezahlt". Es sei unwahrscheinlich, dass bis zum Ende der Laufzeit, am 31. August 2025, eine volle Ausschöpfung stattfinden werden. In ihren Aussendungen betonen FPÖ und ÖVP, dass das kein Problem sei, da überflüssige Gelder ins Budget des Landes zurückfließen würden. Und LH-Stellvertreter Udo Landbauer bekräftigte am Rande einer Landtagssitzung letzte Woche, dass man das "von Anfang an ganz offen kommuniziert" habe.
Der Rechnungshof kritisiert aber auch, wie die 31,3 Millionen Fondsvolumen zustande kamen: "Das Arbeitsübereinkommen und der dem Landtagsbeschluss zugrunde liegende Antrag enthielten nur Aussagen zu 1,3 Millionen Euro", schreibt die Behörde und rechnet aus, dass das lediglich "vier Prozent des Fondsvolumens" entspricht.
Ein Betrag, der sich "aus der geschätzten Summe aller dem Land zugeflossenen Strafgelder auf Basis von COVID-19-Bestimmungen" ergibt. Eine nachvollziehbare Abschätzung zu den erforderlichen Mitteln habe es nicht gegeben, schreibt der Rechnungshof: "Das Land Niederösterreich ermittelte somit vor Einrichtung des Fonds nicht den gesamten Förderbedarf."
Der Rechnungshof sieht außerdem eine für den Rechtsstaat bedenkliche Signalwirkung in der Rückerstattung von rechtmäßig verhängten Verwaltungsstrafen, da dieses Vorgehen rechtswidriges Verhalten begünstige. Gleichzeitig habe der NÖ COVID Hilfsfonds Vereine gefördert, schreibt der Rechnungshof, ohne aber "qualitative oder quantitative Anforderungen" festzulegen. Das sei auch von zahlreichen Medien in Österreich kritisiert worden.
Laut "profil" soll Corona-Leugner Martin Rutter "in Niederösterreich mindestens 24 gleichlautende Vereine in jedem Bezirk und jeder Statutarstadt angemeldet" haben. Rutter soll auf seinen Veranstaltungen regelmäßig die Falschmeldung verbreitet haben, dass Geimpften ein Chip eingesetzt worden sei.
Dazu schreibt der Rechnungshof in seinem Bericht: "Das Land Niederösterreich genehmigte im Februar 2024 fünf Förderanträge mit wortgleichen Projektbeschreibungen von fünf Vereinen mit demselben Sitz, derselben IBAN und demselben Vereinsobmann (zugesagte Fördersumme: 25.000 EUR). Mitte April 2024 brachten 20 Vereine mit identem Sitz, identer IBAN und identem Vereinsobmann weitere 20 gleichartige Förderanträge ein."
Der Rechnungshof schreibt weiter: "Ende April 2024 kamen die Fachabteilung und der Verfassungsdienst im Amt der Niederösterreichischen Landesregierung zum Schluss, dass diese insgesamt 25 gleichartigen Förderanträge nach den Förderrichtlinien nicht förderwürdig waren. Ende Juni 2024 war das weitere Vorgehen bei den genehmigten wie auch den 20 noch nicht entschiedenen Förderanträgen ungeklärt."
Die niederösterreichische NEOS-Politikerin, Indra Collini, sieht die Kritik ihrer Partei durch den Bericht des Rechnungshofes nun bestätigt: "Die Rede war von der größten Wiedergutmachung nach der Pandemie – geworden ist es der größte Marketing-Gag der FPÖ." Und Collini weiter: "Das Schuldenloch ist zu groß, um Steuermillionen in intransparente freiheitliche Schmähprojekte zu stecken."
"Der Corona-Fonds war eine klassische Husch-Pfusch-Aktion und reiner Populismus", sagte die Grüne Gesundheitssprecherin in Niederösterreich, Silvia Moser, in einer aktuellen Presseaussendung. Das einzig Positive an diesem Fonds sei, wenn Menschen tatsächlich durch die Übernahme von Therapiekosten geholfen wurde.
Die SPÖ fordert seit Langem die Auflösung des Fonds. Im September 2024 hatte der SPÖ-Landesvorsitzende Sven Hergovich gefordert, dass die Mittel des Fonds für die Opfer der Hochwasserkatastrophe verwendet werden sollen.
Der "Wiedergutmachungsfonds" war 2023 eine Koalitionsbedingung der FPÖ an die ÖVP gewesen. Alle drei Oppositionsparteien, NEOS, Grüne und SPÖ, hatten dagegen gestimmt.