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Marken-Zwang am Balkan: Wieso wir 'Gutschi' tragen

Heute Redaktion
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Finanziell geht es den Balkanern zum Großteil bescheiden. Dennoch laufen vor allem die Jugendlichen in Bosnien, Kroatien und Serbien mit Marken-Kleidung herum. Wie kann das sein? Und wieso überhaupt?

Im Süden ist der Kleidungsstil ein eigenes Thema. Und ja, dabei meine ich die traditionelle Kleidung: die Jogginghosen. Am Balkan gehört die "Trenerka" einfach zum guten Ton. Doch nicht jeder Jogger eignet sich für einen Balkaner von Welt. Er muss schon einen Namen haben. Und mit "Name" ist Marke gemeint.

5.000 Euro für einen Jogger? Nein, danke!

Der Klassiker ist natürlich die Hose mit den drei Streifen an der Seite. Doch damit begnügt sich die Jugend am Balkan heutzutage nicht mehr. Adidas, Nike und Puma sind schon zu weit verbreitet. An diese Marken kommt man auch leicht. Viel spannender sind edlere Stücke, die weiter entfernt sind. Designer-Teile sind das Objekt der Begierde.

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Hallo und herzlich willkommen zu "Hajde", dem Balkan-Blog auf "Heute.at"! Unser Blogger ist zwischen Sarma und Wiener Schnitzeln aufgewachsen. Wie das so ist? Er verrät's euch in seinen Kolumnen. Übrigens: "Hajde" bedeutet auf Deutsch so viel wie "Los geht's!"

Und was ist für euch typisch Balkan? Eure Inputs sind willkommen unter [email protected]

Und wir müssen jetzt nicht lange um den heißen Brei reden. Falls ihr einen Balkaner mit Gucci-Schuhen seht: Ja, sie sind fake! Natürlich will ich nicht alle in einen Topf werfen. Es geht um den Großteil. Es gibt schon zwei, drei Menschen am Balkan, die sich die Markenteile tatsächlich leisten. Die tatsächlich 5.000 Euro für eine Jogginghose ausgeben. Doch die Mehrheit macht das nicht.

Der Grund ist dafür ist schnell geliefert: Denn das Durchschnittsgehalt in Bosnien-Herzegowina beläuft sich auf lediglich 430 Euro im Monat. Das zeigen die Zahlen diverser staatlicher Institutionen. Im Vergleich zu den anderen Balkan-Staaten befindet sich das Land nicht mal auf dem letzten Platz. Denn in Serbien (405 Euro) und Mazedonien (370 Euro) verdient man noch um einiges weniger.

Weiter oben auf der Liste steht überraschenderweise Montenegro mit 512 Euro pro Monat. Überraschend deshalb, da man im Jahr 2006 dort noch lediglich 283 Euro bekam. In Kroatien kann man mit einem Durchschnittsgehalt von 750 Euro im Monat rechnen. Unsere Nachbarn in Slowenien verdienen im Durchschnitt 1.030 Euro pro Monat. In Österreich beträgt das durchschnittliche Einkommen 2.400 Euro.

Nur noch "Gutschi"!

Dennoch kennen wir Balkaner alle diesen einen Onkel, der zu jedem Familientreffen mit einem Hugo-Boss-Shirt kommt, eine Louis-Vuitton-Tasche umgehängt hat und sein Outfit mit einem Gucci-Gürtel komplettiert. Wieso aber? Wieso zieht er sich so an? Ach sind wir uns ehrlich: Wieso ziehen "wir" uns so an?

Die Sache ist eigentlich relativ einfach: Wir Balkaner legen sehr viel Wert darauf, wie wir nach außen hin wirken. Uns ist äußert wichtig, dass ein gewisses Bild von uns aufrecht bleibt. Es gäbe wohl nichts Schlimmeres für einen Menschen vom Balkan, als offen zuzugeben, dass es ihm nicht gut geht. Und weil man nicht zu jedem hinrennen kann, um ihm zu sagen, dass alles in Ordnung ist, gönnen wir uns das ein oder andere Shirt eines Designers. Von der Bascarsija in Sarajevo. Um fünf Euro. Ein echtes "Gutschi" sozusagen.

Auch Stars auf Fake-Shopping-Tour

Denn mit Markenkleidung kann man sehr schnell protzen und alle anderen Probleme, die man vielleicht zu Hause hat, verheimlichen. Die Stromrechnung nicht bezahlt, die Freundin will einen verlassen und der Hamster ist vergangene Woche gestorben. Aber egal: Einfach den Gucci-Gürtel umgeschnallt und man ist direkt der Babo sobald man nach draußen geht.

Peinlich muss uns das aber nicht wirklich sein. Sogar die Jugend-Vorbilder, die teilweise aufgrund der Markenkleidung berühmt geworden sind, gaben bereits zu, dass sie Fälschungen kaufen. So zum Beispiel Capital Bra. Er gestand, dass sein Markenzeichen, die Gucci-Kappe, ein Fake sei. Auch RAF Camora lachte in einer Insta-Story über seine Reisetasche, die ein Mix aus Louis Vuitton und Gucci sein soll. Preis: 30 Euro. Sein Kollege Bonez MC ging sogar in Marokko am Markt shoppen und deckte sich mit Haufenweise Fälschungen ein.

Natürlich stellt sich die Frage, wie weit das Ganze Sinn macht, wenn sowieso schon jeder weiß, dass das alles nur Fassade ist. Nun ja: Wie bereits erwähnt, gibt es ja zwei, drei Balkaner, die sich aus irgendeinem unerfindlichen Grund die teuren Teile leisten. Und solange man nicht herausbekommt, wer die sind, kann man immer noch das Bild aufrecht erhalten, dass man selbst der reiche Gigolo ist, dem Geld egal ist.

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