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Mama in Panik: "Haben das schon am Balkan erlebt"

Die Corona-Krise macht manchen Leuten mehr und manchen weniger zu schaffen. Meiner Familie geht es derzeit ziemlich an die Substanz.

Heute Redaktion
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Ein bisschen mulmig wurde mir ja schon, nachdem die ersten Beschränkungen der Regierung verkündet wurden. Ich meine, wir durften plötzlich nur noch unter bestimmten Voraussetzungen nach draußen. Und das möglichst kurz. Aber ich dachte mir im ersten Moment: Naja, nach ein paar Tagen wird das schon wieder vergessen sein.

Meine Mama dachte da ganz anders. Schon am ersten Tag rief sie mich an und meinte zu mir, dass sie ein ungutes Gefühl bei der Sache habe. Damals konnte sie mir aber noch nicht ganz kommunizieren, weshalb sie ein Problem mit den Maßnahmen hatte.

Kein Kampf um Klopapier, sondern ums Essen

Vor wenigen Tagen hat sich das aber geändert. Über drei Wochen sind verstrichen. Es hat sich einiges getan. Und nun weiß meine Mama auch, woher ihr ungutes Gefühl rührte: "Wir haben das doch schon mal erlebt. Es ist genau wie früher im Krieg", meinte sie zu mir am Telefon, mit einem panischen Unterton in der Stimme.

Man muss wissen, dass ich kurz vor Ausbruch des Balkan-Kriegs geboren wurde. Und zwar am Balkan. Ich selbst erinnere mich nur noch dunkel an die Zeit damals. Wenn ich Fotos von früher sehe, dann schießen mir ein paar Erinnerungen ein. Meine Mutter kann sich aber ganz genau an diese schwierigen Jahre erinnern. Sie sprach bislang aber nur selten darüber. Ganz im Gegensatz zu meinen mittlerweile verstorbenen Großeltern. Die haben mir öfters vom Krieg erzählt.

Und tatsächlich finden sich einige Parallelen: Denn nach Ausbruch des Krieges verhängte man ebenfalls eine Art Ausgangssperre zum Schutz der Bevölkerung. Niemand durfte auf die Straße. Einkäufe waren auf das Nötigste beschränkt. Und zwar wirklich auf das Nötigste. Denn meine Oma musste teilweise mehrere Stunden anstehen, um am Ende einen Brotlaib oder Schokolade zu bekommen. Mehr gab es nicht zu holen. Kampf um Klopapier gab es also nicht. Sondern einen Kampf um Nahrung.

Wir werden es überleben

Fast schon schlimmer als der Krieg waren aber die Folgen danach. Armut beherrschte die Länder. Es gab keine Arbeit. Kein Geld. Teilweise schafften es die Staaten bis heute nicht aus dem Sumpf der Folgeprobleme heraus. In Bosnien lag die Arbeitslosenquote nach dem Krieg bei über 70 Prozent. Mittlerweile liegt sie bei knapp über 20 Prozent. Zum Vergleich: In Österreich waren vor der Krise nur knapp 4,6 Prozent der Bevölkerung arbeitslos.

Jetzt hat meine Mama Angst. Nicht vor dem Virus. Das ist ihr egal: "Wir haben den Krieg überlebt. Dann werden wir das auch überleben", meint sie. Sorgen machen ihr aber die Folgen. Vor allem die wirtschaftlichen. Denn die Arbeitslosigkeit wird steigen. Die Steuern werden steigen. Die Preise werden steigen. Und damit wird womöglich auch die Armut steigen. Leicht wird es wahrscheinlich nicht, aber meine Mama hat schon irgendwie recht: Wir haben es auch damals überlebt. Also werden wir es auch jetzt überleben.

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