Ukraine
"Machen uns fertig" – Russen-Deserteur rechnet jetzt ab
In einem Bericht von der Front in der Ukraine schildert der Ex-Soldat Pawel Filatjew Missstände in der russischen Armee.
Zwei Monate lang hat Pawel Filatjew als russischer Soldat den Krieg in der Ukraine unter ständiger Todesgefahr und unter militärischer Führungslosigkeit erlebt. Sein Entsetzen über die unter Kremlchef Wladimir Putin zur Chaostruppe verkommene russische Armee hat er schon im Sommer in dem packenden Frontbericht "ZOV. Der verbotene Bericht. Ein Fallschirmjäger packt aus" auf Russisch gratis im Internet geteilt – und damit international für Furore gesorgt.
Nun erscheint das brisante Buch mit tiefen Einblicken in den Kriegsalltag und in die von Korruption und Vetternwirtschaft geprägten Militärstrukturen auf Deutsch mit demselben Titel. Dem 34-Jährigen, der in Frankreich Asyl hat und seinen Aufenthaltsort geheim hält, droht in seiner Heimat lange Haft wegen Diffamierung der russischen Streitkräfte.
Russische Führung behauptete, ukrainischer Angriff stehe kurz bevor
Als Soldat war er selbst dabei, als die russische Armee am 24. Februar in die Ukraine einmarschierte. Blauäugig glaubte er demnach anfangs an einen Grund für die Invasion, bis er selbst merkte, dass niemand dort auf die vom Kreml angekündigte Befreiung wartete. Auch die Behauptung der russischen Führung, sie habe einem kurz bevorstehenden ukrainischen Angriff zuvorkommen wollen, sei nicht wahr, stellt Filatjew fest. Für einen solchen Fall wäre es aus seiner Sicht einfacher gewesen, wenn Russland seine eigenen Grenzen verstärkt hätte und bei einem möglichen Angriff in die Gegenoffensive gegangen wäre – "(...) und die Weltgemeinschaft könnte uns nicht vorwerfen, ein Aggressor und Besatzer zu sein".
Der Ex-Soldat macht immer wieder deutlich, dass sich seine Kritik nicht gegen die einfachen und durch Mangel an Information in die Irre geführten Soldaten richtet, sondern vor allem gegen den Kreml, gegen den er heute sogar selbst die Waffe erheben würde. Putin sei selbst verantwortlich für den Zustand der Armee. "Er hat nie gedient, er war nie im Krieg und weiß auch nicht, was eine Armee ist", sagte er am Freitag bei einer Videoschalte aus einem Café in Paris über Putin.
"Es werden ganze Städte sinnlos zerstört"
Filatjews Buch dreht sich um seine eigenen Erlebnisse, die miserable Ausstattung und Organisation der Truppe, der auch gar nicht klar sei, warum sie in der Ukraine kämpfe. Filatjew entlarvt die von Wladimir Putin immer wieder so bezeichnete militärische Spezialoperation gegen Nazis in der Ukraine als Farce. Getötet werden Zivilisten, die gegen die russischen Besatzer sind – und es werden ganze Städte sinnlos zerstört, wie Filatjew erzählt.
Kaputte Technik, ein Fahrzeug ohne Bremsen, durch Pannen verstümmelte Soldaten: "So eine Armee braucht keinen Gegner, wir machen uns selbst fertig." Sie sei "technisch hoffnungslos veraltet und moralisch verrottet". Während sich die Elite bereichere, in Villen, Schlössern und auf Jachten im Luxus lebe, müssten einfache Soldaten oft ihre ärztliche Behandlung und Medikamente selbst bezahlen. All das, so der Ex-Soldat, solle den Menschen in Russland zeigen, wie es tatsächlich um die Armee stehe im flächenmäßig größten Land der Erde.