100.000 sind erkrankt

Long-Covid-Betroffene: "Sollte 3 Wochen in Psychiatrie"

Im März 2021 erkrankte Manuela Hitz (53) an Corona. Seitdem leidet die Niederösterreicherin an schweren Long-Covid-Symptomen. 

Christine Ziechert
Long-Covid-Betroffene: "Sollte 3 Wochen in Psychiatrie"
Manuela Hitz (53) wünscht sich Zentren für Long-Covid-Betroffene.
Getty Images/iStockphoto, Denise Auer

Die Zahl der Corona-Fälle in Österreich steigt derzeit stark an. Über 29.000 Österreicher sind vergangene Woche aufgrund einer Covid-19-Erkrankung im Krankenstand gewesen. Laut dem Kommunikationswissenschaftler Jakob-Moritz Eberl wurde zudem das stärkste Abwassersignal seit Messbeginn verzeichnet. 

Mit einer Corona-Infektion steigt auch die Gefahr, an Long Covid zu erkranken – so wie Manuela Hitz: "Ich kann jetzt wieder ganze Sätze sprechen – das ist für mich ein großer Erfolg", berichtet die 53-Jährige im Rahmen einer SPÖ-Pressekonferenz zum Thema "Long Covid und ME/CFS". Die Niederösterreicherin aus Waidhofen/Thaya erkrankte im März 2021 an Corona, leidet seitdem unter schweren gesundheitlichen Einschränkungen.

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    iSTock, Infgrafik "HEUTE"

    Arbeiten war nicht mehr möglich

    Nachdem bei der ÖGK-Angestellten im Betrieb zwei positive Fälle festgestellt wurden, musste Hitz in Quarantäne: "Am 14. März war ich dann auf die Delta-Variante positiv", erzählt die 53-Jährige. Sie erkrankte so schwer, dass sie eine Woche lang stationär aufgenommen werden musste. "Nach der Entlassung habe ich allerdings keine Therapievorschläge bekommen, wie ich meinen Zustand verbessern kann. Ich konnte damals keine 200 Meter gehen", so Hitz.

    Ein CT zeigte, dass die Lunge der Niederösterreicherin mit einer milchschleim-artigen Substanz überzogen war: "Es war für mich der absolute Stillstand. Ich konnte nicht mehr arbeiten gehen, einfach nichts mehr machen", erinnert sich Hitz, die damals vier Monate Kortison bekam.

    Die Haare sind mir büschelweise ausgegangen, ein halbes Jahr lang hatte ich jedes Monat eine Blasenentzündung. Dazu kamen Blähungen, als wäre ich im 9. Monat schwanger
    Manuela Hitz
    Long-Covid-Betroffene

    Auch zwei Reha-Aufenthalte brachten der Angestellten keine Besserung – ganz im Gegenteil: "Bei der ersten Reha waren sie sehr bemüht. Aber es war auf Druck, meinem Körper wurde viel zu viel zugemutet. Wenn ich nur eine Länge mehr geschwommen bin, bin ich zwei Tage lang gelegen. Als ich wieder heimgekommen bin, war mein Zustand schlechter, als vor der Reha. Die zweite Reha war noch anstrengender. Da konnte ich die letzten zwei Wochen gar nichts mehr machen", meint Hitz.

    Die 53-Jährige hat zahlreiche Long-Covid- und ME/CFS-Symptome: Sie ist extrem licht- und lärmempfindlich, hat Konzentrationsprobleme ("Brain Fog"), leidet unter Müdigkeit, Schlaflosigkeit, extremer Erschöpfung und Magen-Darm-Problemen: "Die Haare sind mir büschelweise ausgegangen, ein halbes Jahr lang hatte ich jedes Monat eine Blasenentzündung. Dazu kamen Blähungen, als wäre ich im 9. Monat schwanger. Aufgrund von Ganzkörperschmerzen, die schwer zu beschreiben sind, habe ich es nicht mal mehr geschafft, selbst aufzustehen", schildert sie.

    Psychiater wollte sie einweisen lassen

    Trotz der Vielzahl an Beschwerden konnten die Ärzte der Long-Covid-Betroffenen nicht helfen – oft wurde sie sogar belächelt: "Du bist so hilflos und ausgeliefert. Ein Primar hat mehrere Untersuchungen verordnet, aber es konnte nichts festgestellt werden. Er riet mir schließlich zu einem Psychiater", erklärt Hitz.

    Doch dieser machte alles noch schlimmer: "Er hat mir die Luft zum Atmen genommen. Ich habe geglaubt, ich ersticke dort. Dann hat er mir den Vorschlag gemacht, dass ich drei Wochen lang stationär in die Psychiatrie gehen soll. Er hat einfach alles auf meine Psyche geschoben. Doch eine liebe Ärztin hat mir davon abgeraten, und ich habe abgelehnt. Danach habe ich nicht einmal mehr einen Befund bekommen. Ich war wieder auf mich allein gestellt."

    Frau Hitz hat sich höchstwahrscheinlich im Job infiziert. Trotzdem erkennt die AUVA das in ihrem Fall nicht als Berufskrankheit an und lässt sich lieber klagen
    Rudolf Silvan
    SPÖ-Volksanwaltschaftssprecher

    Besagte Ärztin nahm sich Hitz an, absolvierte in Eigenregie Seminare, Kurse und Schulungen zum Thema Long Covid: "Sie hat zu mir gesagt: 'Wir schaffen das!'", meint die 53-Jährige. Extra nach Deutschland eingeschickte Tests ergaben, dass die Niederösterreicherin zahlreiche (energetische) Defizite im ganzen Körper (etwa bei den Nieren) hat: "Mein Leben ist auf das Minimalste reduziert."

    So wie Hitz sind in Österreich geschätzte 100.000 Personen an Long Covid erkrankt, rund 60 % davon sind nicht arbeitsfähig. Hinzu kommen rund 25.000 ME/CFS-Betroffene. Neben den gesundheitlichen Problemen kommen für viele Erkrankte auch noch finanzielle Sorgen dazu: "Frau Hitz hat sich höchstwahrscheinlich im Job infiziert. Trotzdem erkennt die AUVA das in ihrem Fall nicht als Berufskrankheit an und lässt sich lieber klagen. Würde die AUVA das anerkennen, würde sie eine Rente erhalten", erklärt SPÖ-Volksanwaltschaftssprecher Rudolf Silvan, der eine Anerkennung von Covid als Berufskrankheit in allen Branchen fordert.

    Die Lehrpläne an den medizinischen Unis müssen angepasst werden, damit Long Covid und ME/CFS schneller erkannt wird
    Eva-Maria Holzleitner
    stv. SPÖ-Klubvorsitzende

    Hitz erhielt ein Jahr lang eine Entgeltfortzahlung, danach seitens der PVA Reha-Geld – doch damit ist jetzt Schluss: "Vor zwei Wochen hat die PVA Frau Hitz informiert, dass das Reha-Geld eingestellt wird", eröffnet Silvan. Somit steht die Long-Covid-Betroffene finanziell im Regen. 

    Dass Long-Covid- und ME/CFS-Betroffene "auf sich allein gestellt sind" hält die stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzender Eva-Maria Holzleitner für "höchst problematisch". Holzleitner begrüßt das von Gesundheitsminister Johannes Rauch angekündigte Nationale Referenzzentrum für postvirale Erkrankungen, pocht aber auf eine rasche Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode. "Wir fordern nicht nur einen konkreten Zeitplan, sondern auch eine genaue Betrachtung des gendermedizinischen Aspektes. Die Lehrpläne an den medizinischen Unis müssen angepasst werden, damit Long Covid und ME/CFS schneller erkannt wird", so Holzleitner.

    Manuela Hitz (M.) mit SPÖ-Volksanwaltschaftssprecher Rudolf Silvan und der stellvertretenden SPÖ-Klubvorsitzenden Eva-Maria Holzleitner
    Manuela Hitz (M.) mit SPÖ-Volksanwaltschaftssprecher Rudolf Silvan und der stellvertretenden SPÖ-Klubvorsitzenden Eva-Maria Holzleitner
    Denise Auer

    Mangel an Anlaufstellen für Long-Covid-Betroffene

    Das Referenzzentrum ist ein Schritt in die richtige Richtung, dennoch kritisieren viele Long-Covid-Erkrankte das Fehlen bzw. den Mangel an Anlaufstellen: "Ich wünsche mir Zentren für Betroffene, wo wir verstanden und gesehen werden. Und wo wir auch Informationen erhalten. Denn als Betroffene musst du dir alle Infos selbst zusammensuchen – du greifst immer wieder nach Strohhalmen."

    6-Punkte-Plan der SPÖ zur Verbesserung der Situation von Long-Covid- und ME/CFS-Betroffenen

    - Rasche Umsetzung des angekündigten Referenzzentrums
    - Zielgerichtete Schulung der Ärzt:innen und Optimierung der Forschungs- und Datenlage
    - Optimierung der Rückkehrstrategie für Wiedereinsteiger:innen
    - Ausnahmslose Anerkennung von Covid als Berufskrankheit analog dem deutschen Modell, um bestmögliche Versorgung zu garantieren
    - Rentenzahlungen für die Zeit der Minderung der Erwerbsfähigkeit schaffen
    - Wohnortnahe Begutachtung durch besser sensibilisierte Gutachter:innen der Sozialversicherungen

    cz
    Akt.