Backstage bei der Formel 1
Lauda: "Vielleicht hat Red Bull einen Fehler gemacht"
Christian Klien und Mathias Lauda sind auch heuer als ServusTV-Experten im Formel-1-Einsatz. "Heute" sprach mit dem Duo über alle brisanten Themen.
Der Countdown läuft! Am 2. März (16 Uhr, live auf ServusTV) wird in Bahrain die Formel-1-Saison eröffnet, schon am Donnerstag steigt das erste Training. Im Vorjahr gewann Weltmeister Max Verstappen – 18 (!) weitere Siege sollten folgen.
Doch wie sieht das Kräfteverhältnis heuer aus? Was kann Lewis Hamilton in seinem letzten Mercedes-Jahr bewirken? Und wer wird der nächste Österreicher in der PS-Königsklasse?
"Heute" fragte bei den rot-weiß-roten ServusTV-Experten Mathias Lauda (l.) und Christian Klien nach.
"Heute": Was dürfen sich die Fans von der neuen Saison erwarten?
Christian Klien: "Ich denke, dass alle ein bisschen enger zusammenrücken. Das Reglement ist gleichgeblieben. Die Teams konnten also im Vorjahr schauen, was Red Bull macht und in diese Richtung entwickeln. Wobei Red Bull selbst auch wieder einen Schritt nach vorne gemacht hat und anders aussieht – ein bisschen wie der letzte Mercedes."
Mathias Lauda: "Red Bull ist Favorit, ganz klar. Aber dahinter wird es spannend. Keiner weiß, wo Mercedes, McLaren, Aston Martin und Ferrari stehen. Vielleicht hat ja sogar Red Bull Fehler gemacht und das Auto ist nicht so toll, wie erhofft. Klar ist für mich nur: Würden alle im selben Auto sitzen, würde trotzdem Verstappen den Titel holen – er ist der schnellste Pilot. Er wird immer besser."
Red Bull Racing wurde überlegen Weltmeister, hat das Auto trotzdem stark umgebaut. Warum?
Mathias Lauda: "Die wollen einfach noch schneller werden. Es ist sehr mutig, was sie tun, denn man hätte das Auto auch so lassen können, nur ein bisschen Feintuning machen. Adrian Newey ist sehr kreativ, er will neue Sachen ausprobieren. Das ist seine Leidenschaft. Er will nicht den konservativen Weg gehen. Für ihn ist es wie Kunst, ein Auto zu designen. Man muss davon ausgehen, dass sie schnell sind."
Können die "Bullen" die Rekordsaison wiederholen, wieder von Sieg zu Sieg rasen?
Christian Klien: "Ich denke, sie waren sogar selbst davon überrascht, so erfolgreich zu sein. Ich denke nicht, dass es zu toppen ist. Muss aber auch nicht sein. Dem Max Verstappen reicht es auch, wenn er mit zehn Siegen Weltmeister wird."
Wer wird der erste Red-Bull-Herausforderer sein?
Christian Klien: "Ich denke, McLaren ist am nächsten dran. Sie haben ein gutes Auto und mit Lando Norris und Oscar Piastri zwei tolle Fahrer."
Mercedes-Superstar Lewis Hamilton gab bekannt, 2025 zu Ferrari zu wechseln. Überrascht?
Mathias Lauda: "Letztes Jahr im Mai in Monaco gab es erste Gerüchte. Ich habe dann bei Ferrari ein paar Leute gefragt und die haben mir bestätigt, dass etwas dran ist, dass es Gespräche gibt. Doch dann hat Lewis mit Mercedes verlängert, war die Sache für mich vom Tisch. Ferrari hat ihn später wohl in einer Phase erwischt, in der es bei ihm nicht lief. Sie haben ihn sicher mit einem tollen Angebot und einem Vertrag über viele Jahren motiviert. Ich kann es nachvollziehen. Lewis benötigt eine Abwechslung, eine neue Herausforderung, eine neue Sprache, ein neues Team. Und Ferrari-Fahrer zu sein, ist sicher der Traum von jedem Rennfahrer, auch der von einem siebenfachen Weltmeister. Für diese Marke zu fahren, ist einfach was anderes.
Belastet der Wechsel Hamiltons Verhältnis zu Toto Wolff?
Christian Klien: "Es war im ersten Moment sicher ein gewisser Bruch, weil Toto vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Auf der anderen Seite haben sie so ein gutes Verhältnis, dass er ihm trotzdem alles Gute wünscht. Es wird auch während der Saison keine großen Probleme geben. Natürlich wird eher George Russell die neuen Teile bekommen und bei der Strategie Vorteile haben. Aber ich denke nicht, dass es böses Blut gibt."
Wird Hamilton einfach nicht mehr involviert in die Entwicklung des 2025er-Boliden?
Christian Klien: "Genau, aber das ist bei jedem Teamwechsel so. Wenn es Richtung 2025er-Auto geht oder sogar 2026, wird er nicht mehr eingeweiht. Da hat er dann Zeit, andere Dinge zu machen, muss nicht in jedem Meeting sitzen. Da wird er ausgeschlossen, ganz klar."
Warum wurde der Wechsel so früh offiziell gemacht?
Christian Klien: "Möglicherweise wurde etwas geleakt und man musste reagieren – oder es steckt der Plan dahinter, dass Lewis noch den einen oder anderen Mitarbeiter mitnehmen kann. Es ist jedenfalls ein ungewöhnlicher Zeitpunkt."
Fakt ist: Das Match um ein Mercedes-Cockpit ist eröffnet. Wer beerbt Hamilton?
Mathias Lauda: "Ich würde Alonso für ein Jahr nehmen und dann ihren Juniorfahrer, den Kimi Antonelli, der ist richtig gut."
Christian Klien: "Mercedes hat nicht den Druck, sofort entscheiden zu müssen. Carlos Sainz wäre frei. Der muss sich überlegen, was er machen will. Ein, zwei Jahre als Nummer zwei zu Mercedes, oder will er sich was Längeres mit Audi aufbauen? Ich denke, Mercedes schaut sich mal den Andrea Kimi Antonelli (17-jähriges Mega-Talent, Anm.) an. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sie ihm sofort das Cockpit geben. Sie bräuchten einen, der für ein oder zwei Jahre kommt. Ist das der Sainz? Glaube nicht. Ist das Alonso? Könnte sein. Der bietet sich bestimmt an."
Die neuen Formel-1-Boliden der Saison 2024
Weil der Name Antonelli gefallen ist: Wie gut ist er?
Mathias Lauda: "Was ich gehört habe, ist er unglaublich. Das sagen Leute, die ihn gut kennen. Er ist letztes Jahr in jeder Session Bestzeit gefahren. Er hat jetzt auch einen Formel-3-Test als Vorbereitung auf die Formel 2 absolviert, im Regen – und war mit Abstand der Schnellste. Er ist richtig gut, aber die Formel 1 wäre zu früh für ihn."
Ist Antonelli ein neuer Verstappen?
Mathias Lauda: "Sagt man, aber man aufpassen, dass man nicht übertreibt und zu viel Druck erzeugt. Bis jetzt hat der Junge alles richtig gemacht. Sein Vater hat ein Team. Wenn Kimi kein Rennen fährt, arbeitet er dort mit, schraubt am Auto, kennt die Daten, macht den Lastwagen sauber. Er ist dort aufgewachsen. Jetzt macht er einen riesigen Schritt, lässt die Formel 3 aus, steigt mit 17 Jahgren direkt in die Formel 2 ein. Bald werden wir sehen, wie er sich schlägt."
Ferrari setzt Sainz 2025 vor die Tür. Kann er heuer zum Problem für das Team werden?
Christian Klien: "Der wird die Funksprüche sicher egoistisch anlegen und sein Ding machen. Allerdings muss auch er sich gut präsentieren, um in eine gute Verhandlungsposition zu kommen. Er ist ein wahnsinnig guter Pilot. Seine Optionen sind aktuell Mercedes und Audi. Ich denke, er wird sich für die langfristige Lösung entscheiden, also Audi. Ob er mit denen Weltmeister wird, sei dahingestellt. Es steckt ein Risiko dahinter."
Fernando Alonso sagt, er ist mit 43 körperlich so gut wie noch nie in Form und könne bis 50 fahren. Herr Klien, Sie sind zwei Jahre jünger, wie sehen Sie das?
Christian Klien: "Bei Fernando ist es sicher so, wie er es sagt. Der ist noch voll dahinter. Es ist ohnehin eher eine mentale Frage, denn körperlich kannst du dich hintrainieren, das geht. Es ist nicht wie beim Skifahren, wo du viele Verletzungen hast und irgendwann aufhören musst. Die Frage ist, wie motiviert bist du gegen Ende der Karriere. Bei Vettel zum Beispiel hat in den letzten beiden Jahren die letzte Konsequenz gefehlt, es war ein kleines Baucherl zu sehen. Das ist bei Alonso nicht der Fall. Er kann sicher noch ein paar Jahre fahren. Aber es muss auch Platz für die Jungen sein. Denn immer über Alonso zu sprechen, ist auch langweilig. Es gibt so viele spannende Talente. Felipe Drugovich hat mit riesigem Abstand die Formel 2 gewonnen, oder eben Kimi Antonelli."
Wann sehen wir den nächsten Österreicher in der Formel 1?
Mathias Lauda: "Am nächsten dran ist der Charlie Wurz in der Formel 3. Wenn er dort einen guten Job macht, ist der nächste Schritt Formel 2 und dann Formel 1. Hinter ihm tut sich momentan nicht so viel."
Christian Klien: "Der Weg von Wurz stimmt. Er ist jetzt mal im Rahmenprogramm der Formel 1, also im Rampenlicht. Es wird ein Lernjahr für ihn. Bei den Tests war er schnell unterwegs. Mit dem Alex hat er einen im Hintergrund, der ihn perfekt begleiten und in die richtige Richtung coachen kann. Ich finde es richtig, dass sie alles Step by Step machen. Mich würde es freuen, ihn in der Formel 1 zu sehen. Die Frage ist natürlich immer auch, ob ein Platz frei wird."
Michael Andretti wollte ein elftes Team in die Formel 1 bringen, ist vorerst gescheitert. Was würden Sie von einem weiteren Rennstall halten?
Christian Klien: "Ich würde es sehr begrüßen, denn dann gibt es zwei Plätze mehr, die besetzt werden können. Die Frage ist: Will man den Geldkuchen teilen oder nicht? Da wird es dann politisch."
Es steht eine Rekordsaison mit 24 Rennen und einigen Sprints an. Ist es zu viel?
Mathias Lauda: "Für uns vor dem TV-Schirm ist es toll. Wenn man etwas mag, will man es so oft wie möglich sehen. Für die Fahrer ist es hart, aber für die Mechaniker ist es extrem hart. Die Fahrer reisen am Donnerstag mit dem Privatjet an, sind nach dem Rennen am Sonntag bald wieder daheim. Die Mechaniker müssen allerdings schon am Mittwoch anreisen und bleiben bis Montag. Oft können sie zwischen den Rennen nicht nach Hause fliegen. Wenn du 20 bist und keine Kinder hast, ist es kein Problem, da ist es aufregend. Aber mit 40 und Familie ist es extrem. Am Ende des Tages hat sich allerdings jeder den Job selbst ausgesucht."
Was ist wichtiger für den Erfolg: Fahrer oder Auto?
Christian Klien: "Es ist 50:50. Nehmen wir Red Bull. Verstappen hat fast jedes Rennen gewonnen, Perez hat sich mit dem besten Auto dafür phasenweise sehr schwer getan. Du kannst das beste Auto haben, musst es aber auch fahren können. Umgekehrt: Wenn man Verstappen in den Haas setzt, wird er auch nicht gewinnen. Beides ist also wichtig."
Bei Red Bull wirbelt die Causa Horner viel Staub auf. Wirkt sich das auf die Performance auf der Stecke aus?
Christian Klien: "Nein. Christian ist ein wahnsinnig wichtiger Bestandteil des Teams, er hat es von Grund auf mit aufgebaut. Aber er ist auch nur ein Zahnrad. Das Team ist schon so etabliert, das würde auch ohne ihn weiterlaufen."