Wintersport

Kritik an Team Hirscher: "Der Neid ist hart erarbeitet"

"Das war nicht die feine Art", übte ÖSV-Star Marco Schwarz Kritik an Marcel Hirscher. Jetzt reagiert Hirschers Team "Van Deer".

Martin Huber
Hirscher, ÖSV-Star Schwarz: "Wenn bei uns die Leute 1+1 zusammenzählen, kommt 2,37 heraus."
Hirscher, ÖSV-Star Schwarz: "Wenn bei uns die Leute 1+1 zusammenzählen, kommt 2,37 heraus."
GEPA, Red Bull

"Dass der Henrik Kristoffersen dabei ist, das hat mich selbst überrascht", sagt Edi Unterberger zu "Heute".

Unterberger ist der Materialguru im neuen Skiteam von Marcel Hirscher. So wie Ex-ÖSV-Sportdirektor Toni Giger wechselte er aus der ÖSV-Entwicklungsabteilung zu "Van Deer-Red Bull Sports". "Eigentlich dachte ich, dass wir im Hintergrund wegstarten", sagt Unterberger. "Mit Henrik sind wir aber gleich mittendrin im Rennen um den Sieg."

Kristoffersen mit Hirscher gegen die etablierte Elite

Der Skisport erlebt in diesen Tagen das spannendste Projekt seit langem. Die Erzrivalen Hirscher und Kristoffersen sind plötzlich in einem Rennstall. Sie wollen es mit einem neuen Ski allen zeigen. Die erste Attacke auf die etablierte Elite gibt es am Wochenende beim Weltcup-Auftakt in Sölden. "Ich will siegen und das nicht erst in zwei Jahren", stellt Kristoffersen klar.

"Wir lernen Kristoffersen neu kennen. Er ist sehr offen."

Hirschers Partner und "Van Deer"-Geschäftsführer Dominic Tritscher ist drei Tage vor der Weltcup-Premiere im "Heute"-Gespräch euphorisch: "Henrik ist heiß und gut drauf. Wir lernen ihn neu kennen. Er ist sehr offen. Mit unserem Material fühlt er sich wohl. Wir machen ihm keinen Druck, sind entspannt. Der erste Sieg im Weltcup darf passieren. Auf den Stammtischen wird jetzt schon über Van Deer diskutiert."

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    Die größten rot-weiß-roten Ski-Legenden
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    GEPA

    Die Geschichte ist zu gut. Jetzt schon besser als es die vielen Ski-Fans von den sich leider zu oft wiederholenden Floskeln in Zielraum-Interviews auf ORF1 gewöhnt sind.

    Kristoffersen stieg in den Ski-Weltcup ein als Hirscher die erste von acht großen Kugeln gewann. Der Norweger biss sich dann konstant am rot-weiß-roten Ski-Held die Zähne aus – Wutausbrüche inklusive. Auch nach dem Abgang Hirschers gelang dem mittlerweile 28-Jährigen nicht der erwartete Sprung an die Spitze. Die Wutausbrüche wurden mehr, die Kritik am Rossignol-Ski zuletzt auch lauter.

    Nach zwei Tagen sagte Kristoffersen: "Bin dabei"

    Jetzt probiert er Kristoffersen im Team mit Hirscher. Er selbst rief bei Marcel an, mit dem Vorschlag die "Van Deer"-Ski zu testen. Zwei Tage später sagte er zu: "Ich bin dabei."

    Der Norweger ist froh, jene Leute an seiner Seite zu haben, die ihn jahrelang am Siegen hinderten. "Ich habe mit Marcel den besten Skitester der Welt", sagte er der "Kleinen Zeitung". "Ich kann mich mehr aufs Training als aufs Material konzentrieren. So ist es sogar einfacher als früher."

    "Wenn bei uns die Leute 1 + 1 zählen, dann kommt 2,37 heraus"

    Das Team hinter dem Team ist bei "Van Deer" einen genaueren Blick wert. 

    Toni Giger betreut das Projekt im Auftrag von Red Bull, das im Sommer zu 50 Prozent einstieg und Geld einbrachte. Als Ex-ÖSV-Entwicklungschef nahm er das Know-how und auch Personal aus der Forschungsabteilung mit. Das sorgte für Ärger im ÖSV, der sogar über Stellenanzeigen neue Leute suchen musste.

    "Es arbeitet die Top-Belegschaft des Skisports bei uns", sagt Tritscher zu "Heute". "Wenn bei uns die Leute 1 + 1 zusammenzählen, dann kommt 2,37 heraus", schmunzelt er.

    Star-Truppe: Giger, Hirscher, Kristoffersen, Tritscher
    Star-Truppe: Giger, Hirscher, Kristoffersen, Tritscher
    © Jörg Mitter / Red Bull Content

    Gibt es da nicht Reibung bei so vielen Perfektionisten und Alphatieren im Skikeller?

    "Jeder ist Profi und weiß genau, was er zu tun hat. Die Handgriffe sitzen, jeder hat seinen abgesteckten Bereich", meint Tritscher. Der aufziehende Gegenwind im Ski-Tross überrascht ihn nicht. "Damit haben wir gerechnet. "

    Kritik übte ÖSV-Star Marco Schwarz an der offensiven Personalpolitik seines Ex-Teamkollegen Hirscher. "Es war sicher nicht die feine Art, gewisse Leute abzuwerben“, sagte er im "Heute"-Interview. 

    "Der Neid ist hart erarbeitet", sagt Tritscher mit dieser Kritik konfrontiert. "Wir haben niemanden abgeworben. Jeder kam aus freien Stücken zu uns. Wir tragen Positives bei, nehmen einen Haufen Kohle in die Hand und machen den Skisport interessant." Tritscher wünscht sich "mehr Dankbarkeit" für das Projekt. 

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      Die Ski-Piste in Sölden vor dem Weltcup-Auftakt
      Die Ski-Piste in Sölden vor dem Weltcup-Auftakt
      Ernst Lorenzi

      "Wir wollen gar nicht die Größten sein, aber die Coolsten", erklärt Tritscher. Er beruft sich bei den neuen Mitarbeitern auf den freien Markt. "Jeder, der bei uns dabei sein will, kann dabei sein. Es gibt einen positiven Spirit."

      Wichtig ist ihm, dass Toni Giger nicht von der Red Bull GmbH bezahlt wird, sondern von der Van Deer-Red Bull Sports Equipment GmbH. "Wir halten uns an die Regeln. Wir haben eine sportliche Vision, sind echte Skifanatiker. Darum stehen wir in der Früh auf, weil wir den Sport lieben."

      Edi Unterberger tut das schon länger.

      Für junge Ski-Fans im Jahre Schnee, nämlich 1989, tauchte er im Ski-Weltcup auf. Wo Unterberger seither seine Hände im Spiel hatte, da schneite es verdächtig oft Siege. Ob bei Hermann Maier, Michael Walchhofer, Markus Wasmeier oder Aksel Lund Svindal: Unterberger schliff die Weltmeister-Ski. Als Atomic und damit auch Österreich der Rest der Ski-Welt zumindest eine Carving-Skilänge voraus war, führte er im Skikeller Regie. "Ich bin mit der Firma Atomic verheiratet", sagte er damals.

      Später werkte Unterberger für das Privatteam von Marcel Hirscher, war einer seiner engsten Vertrauten und tüftelte mit bei 67 Weltcupsiegen, acht großen Kristallkugeln, sieben WM-Titeln und zwei Olympiasiegen. Legendär ist die Anekdote, als er mit Hirschers Papa Ferdl stundenlang den schnellsten Skistock bei Start-Tests für Marcel heraustestete. 

      "Ich weiß, wie es ist, mit Marcel zu arbeiten. Ich kenne es, gefordert zu sein", sagt Unterberger heute zum alten und neuen Chef.

      Unterberger mit Hirscher: Legendärer Skistock-Test mit Papa Ferdl
      Unterberger mit Hirscher: Legendärer Skistock-Test mit Papa Ferdl
      GEPA

      Unterbergers Erfahrung und sein Wissen hielt Ex-ÖSV-Boss Peter Schröcksnadel für unverzichtbar. Er holte ihn nach der Ära Hirscher zum ÖSV und hängte ihm ein Spezialprojekt um: Unterberger wurde Kathi Liensberger nach dem Materialstreit mit dem ÖSV im Herbst 2019 zur Seite gestellt. "Da begann sie im Riesentorlauf bei Null, das sah auf den Videos furchtbar aus. Der Toni Giger hat gemeint, ich soll ihr helfen", erzählte er damals "Heute".

      15 Monate später war Liensberger Doppel-Weltmeisterin. Beide Goldenen in Cortina holte sie mit einem neuen Ski und einem völlig neuen Set-up. Sie war dabei auf drei verschiedenen Schneearten schnell. "Das kannte ich so nur von Hirscher."

      Natürlich war das nicht Unterbergers alleiniger Verdienst. Er profitierte von einer ehrgeizigen Athletin und ihrem fleißigen Servicemann Raphael Hudler. Der ist jetzt – eh klar – auch bei "Van Deer-Red Bull Sports".

      Auch das Duo Unterberger und Papa Hirscher ist wieder ein Herz und eine Seele. Die armen Skistöcke - werden jetzt so manche denken. Viel öfter schauen Edi und Ferdl aber gemeinsam Videos von Trainingsfahrten, ziehen dabei aus winzigen Details die richtigen Schlüsse für das Ski-Tuning. 

      "Ich arbeite mehr mit dem Ferdl zusammen als mit Marcel. Beim Skibauen und beim Tunen", erzählt Unterberger. "Marcel wird immer am Laufenden gehalten, irgendwann bringt er dann seine Ansätze ein." Im Team der Perfektionisten gäbe es keinen, der fix die Letztentscheidung hat. "Es geht um die guten Ideen. Die wollen wir umsetzen."

      Für Sölden hat Unterberger nicht zu hohe Erwartungen. "Am Anfang wird es schwer. Wir haben wenig Erfahrungswerte. Eine Rennpiste ist noch einmal etwas anderes."

      Marcel Hirscher wird das Rennen nicht am Rettenbachferner, sondern vor dem Großbildschirm-Fernseher daheim in Annaberg schauen, obwohl er die Grippe mittlerweile überstanden hat. 

      Kristoffersen hält bei 28 Siegen, Hirscher bei 67. In den nächsten Jahren soll diese Lücke kleiner werden. Hirscher wird seinen Teil dazu beitragen. Das Team Hirscher auch.

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