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Kranke Schwester: "Ratched" feiert seine Antiheldin
TV-Darling Sarah Paulson setzt sich das Schwesternhäubchen auf und zeigt in der Netflix-Serie von Ryan Murphy ("Glee", "Nip/Tuck") ihre dunkle Seite.
Wenn draußen der Herbst ins Land zieht, rüsten sich Horror-Fans alljährlich für die nächste "American Horror Story", eine Grusel-Anthologie aus der Feder von Ryan Murphy. Auf das Grusel-Spektakel, das in diesem Jahr eigentlich seine Jubiläumsstaffel erhalten sollte, muss sich das Publikum aber noch gedulden. Stattdessen serviert uns Murphy mit Streaming-Riese Netflix die Thriller-Serie "Ratched". Darin schlüpft Sarah Paulson in die Rolle der fiesen Krankenschwester aus "Einer flog über das Kuckucksnest" und erzählt von ihren Anfängen als Pflegerin.
Im Sanatorium ist die Hölle los
Dafür spult Murphy kräftig zurück und greift nach seiner "Hollywood"-Miniserie (ebenfalls auf Netflix) noch einmal tief in die Retro-Kiste. Genau wie seine romantisierte Was-wäre-wenn-Geschichte führt uns nämlich auch "Ratched" zurück in das Amerika der 1940er-Jahre. Diesmal nicht verkitscht, dafür aber umso düsterer und schon gar nicht zimperlich. Hier schleust sich Mildred Ratched (Sarah Paulson) geschickt in ein Sanatorium ein und will sich als versierte Kriegskrankenschwester in die Dienste der Menschlichkeit stellen.
Blöd nur, wenn es hinter der scheinbar perfekten Fassade der Klinik alles andere als menschlich zugeht. Während nämlich Oberarzt Dr. Hanover (Jon Jon Briones, "American Crime Story") regelmäßig selbst alle Narkotika seines Medizinschranks ausprobiert, kocht Oberschwester Betsy Bucket (Judy Davis, "Feud") die Patienten liebend gern in der Wassertherapie. Inmitten dieses Irrsinns wird Mildred nach und nach von ihren eigenen Dämonen eingeholt und geht selbst skrupellos, berechnend und eiskalt ans Werk. Da scheint es kein Zufall zu sein, dass auch der gefährliche Priestermörder Edmund Tolleson (Finn Wittrock) eingeliefert wird. Denn zu ihm dürfte Mildred eine ganz eigene Beziehung zu haben.
Geburt einer Antiheldin
Ryan Murphys neuer Eintrag in sein Serien-Universum sieht nicht nur auf den ersten Blick wie eine weitere Staffel "American Horror Story" aus, sondern bringt auch mit Sarah Paulson eine der beliebtesten Seriendarstellerinnen zurück auf den Bildschirm. Dass ihr die Rolle der undurchsichtigen Krankenschwester besonders Spaß gemacht hat, sieht man in jeder Szene. Verbissen, eiskalt, aber gleichzeitig ebenso verletzlich erschafft Paulson ihre bemerkenswerte Antiheldin. Genauso sehr wie Mildreds Seelenleben zerrissen ist, weiß nämlich auch der Zuschauer zu keinem Zeitpunkt, ob man Verständnis für ihre Taten aufbringen oder ihre Kaltherzigkeit verteufeln soll.
Style and Substance
Ebenso eindrucksvoll sind auch Setting, Ausstattung und Inszenierung ausgefallen. Detailreich erweckt "Ratched" das Amerika der Nachkriegszeit, erinnert an Filmklassiker wie "Bonnie und Clyde" und verbeugt sich bei Musik und Kamera vor Suspense-Meistern wie Alfred Hitchock oder Brian De Palma. Dazu gibt es im Ensemble ein Wiedersehen mit Sharon Stone als exzentrische Matriarchin und Cynthia Nixon ("Sex and the City") als Karrierefrau zwischen den Stühlen. Die Serie mag zwar an manchen Stellen am Melodrama kratzen oder überzeichnet wirken, macht aber dafür mit ihren vielen Twists umso mehr Freude.
Über Nachschub muss man sich ebenfalls keine Sorgen machen: Netflix hat bereits im Vorfeld zwei "Ratched"-Staffeln in Auftrag gegeben. Ryan Murphy plant außerdem mindestens vier Staffeln, bis wir endgültig wissen, wie und warum Mildred zur gefürchteten, fiesen Oberschwester aus "Einer flog über das Kuckucksnest" wurde.
> > > RATCHED ist ab 18. September auf Netflix verfügbar.