Risiko Frühgeburt

Kortison & Atemhilfe – jedes 10. Baby kommt zu früh

Dank der Frühchenmedizin ist es in hoch entwickelten Ländern bereits möglich, Kinder, die zu früh auf die Welt kamen, am Leben zu erhalten.

Rhea Schlager
Kortison & Atemhilfe – jedes 10. Baby kommt zu früh
Getty Images/iStockphoto

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommt weltweit jedes zehnte Kind zu früh auf die Welt. In Entwicklungsländern haben Frühchen, aufgrund der Versorgungsmöglichkeiten, immer noch kaum Überlebenschancen. In hoch entwickelten Ländern ist es allerdings schon möglich, Babys, die an der Grenze der Lebensfähigkeit geboren werden, am Leben zu erhalten.

Die Grenze der Lebensfähigkeit ist der Zeitpunkt, an der ein Neugeborenes eine reale Chance auf ein Überleben außerhalb des mütterlichen Körpers hat.
Prof. Dr. Sven Matthias Wellmann
Chefarzt und Klinikleiter der Abteilung Neonatologie der Barmherzigen Brüder KUNO Klinik St. Hedwig in Regensburg und Council-Mitglied der European Society for Paediatric Research (ESPR)

"Bei uns liegen die Überlebenschancen ab 22 Schwangerschaftswochen bei 50 Prozent, ab 23 Schwangerschaftswochen schon bei 70-80 Prozent und ab 28 Schwangerschaftswochen sogar bei über 90 Prozent", so Wellmann weiter. "Frühgeburt ist daher nicht gleich Frühgeburt, da mit zunehmender Schwangerschaftswoche auch die Reife des Neugeborenen und damit auch seine Überlebenschancen steigen."

3 Schritte zum Überleben

Bei einer drohenden Frühgeburt vor der 34. Schwangerschaftswoche, ist die erste Maßnahme, der Schwangeren eine Lungenreifespritze zu verabreichen. "Sie enthalten den Wirkstoff Kortison und geben dem ungeborenen Kind ein wichtiges Signal, jetzt schon den Stoff Surfactant zu bilden", so der Neonatologe. "Dieser regelt die Entfaltung der Lungenbläschen und sorgt dafür, dass das Kind nach der Geburt besser atmen kann."

Mit einer Atemmaske, wird zusätzlich versucht, ein mögliches Zusammenfallen der Lunge und drohende Komplikationen wie das Atemnotsyndrom oder Hirnblutungen zu verhindern. Nach der Geburt wird häufig auch ein künstlich hergestelltes Surfactant verabreicht.

Diese drei Maßnahmen machen es Frühgeburten ab der 22./23. Schwangerschaftswoche überhaupt möglich zu überleben. Sie helfen, Komplikationen zu vermeiden und erhöhen die Chancen wesentlich, nachher ein ganz normales Leben führen zu können
Prof. Dr. Sven Matthias Wellmann
Chefarzt und Klinikleiter der Abteilung Neonatologie der Barmherzigen Brüder KUNO Klinik St. Hedwig in Regensburg und Council-Mitglied der European Society for Paediatric Research (ESPR)

Känguruhen

Während Eltern vor 20 Jahren noch als Besucher ihrer Babys auf Intensivstationen gesehen wurden, gelten sie heute als Teil des Frühgeborenen. "Eltern und Kind gehören psychologisch zusammen", erklärt der Neonatologe. Denn der Haut-zu-Haut-Kontakt, wie er beim sogenannten Känguruhen entsteht, habe eine wesentliche neuroprotektive Wirkung.

Eltern und Neugeborene beruhigen sich und das Stresserlebnis wird vermindert. Das fördert die generelle Entwicklung des Babys und ist ganz besonders für die Reifung des Gehirns wichtig.
Prof. Dr. Sven Matthias Wellmann
Chefarzt und Klinikleiter der Abteilung Neonatologie der Barmherzigen Brüder KUNO Klinik St. Hedwig in Regensburg und Council-Mitglied der European Society for Paediatric Research (ESPR)

Beim Känguruhen, einer in den 80er-Jahren in Österreich entwickelten Methode, liegt das Baby nur mit einer Windel bekleidet, über mehrere Wochen hinweg mehrere Stunden täglich am nackten Oberkörper der Mutter oder des Vaters.

Auf den Punkt gebracht

  • Dank der fortschrittlichen Frühchenmedizin in hoch entwickelten Ländern können selbst extrem früh geborene Babys überleben, wobei die Überlebenschancen mit zunehmender Schwangerschaftswoche deutlich steigen
  • Maßnahmen wie die Verabreichung von Kortison zur Lungenreifung und der Einsatz von Atemhilfen sind entscheidend, während der Haut-zu-Haut-Kontakt zwischen Eltern und Kind eine wichtige neuroprotektive Wirkung hat
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