Klimaschutz
Klima enthauptet Fluchthorn, weitere Felsbrüche möglich
Nach dem massiven Felssturz im Tiroler Galtür warnen Umweltschützer jetzt vor dem Ausbau des Kraftwerks Kaunertal.
Im Silvrettagebirge in den Tiroler Alpen donnerten Sonntagnachmittag riesige Gesteinsmassen ins Tal. Der 3.398 Meter hohe Südgipfel des Fluchthorn-Massivs ist abgebrochen, wurde teilweise weggerissen – "Heute" berichtete. Durch den Felssturz ist der Gipfel jetzt 100 Meter tiefergelegt.
"Es gibt keinen Südgipfel mehr. Der ist weg. Auch das Gipfelkreuz", so die beklemmende Schilderung von Christian Walter, dem Obmann der Galtürer Bergrettung.
Der Felssturz und die dadurch ausgelöste Mure dürfte eine Länge von rund zwei Kilometern erreicht haben, beschrieb das Land Tirol das Ausmaß des Naturereignisses. Weitere, detaillierte Messungen seien aber noch ausständig. Im Zuge eines Erkundungsfluges stellten die Experten freigelegte Eisflächen fest – daher könne es zu weiteren Abbrüchen kommen.
Lesen Sie auch Bergführer: Alpine Gefahren nehmen mit Erderhitzung zu
Klimawandel macht Bergsteigen gefährlicher
Die Gefahr von Eis- und Felsschlag, die Absturzgefahr auf steilen Blankeisfeldern sowie die erhöhte Spaltensturzgefahr auf dünner Firnauflage sind konkrete Beispiele für die Zunahme des Gesamtrisikos beim Bergsteigen, die unmittelbar mit dem Klimawandel in Zusammenhang stehen.
Alpine Gefahren werden mit fortschreitender Erderhitzung zunehmen, warnt der Tiroler Bergführer Thomas Wanner. "Felsstürze wie jener in der Silvretta sind oft auf das Abschmelzen des Permafrosteises zurückzuführen", erklärt Wanner. Der "Kitt der Alpen" löse sich langsam auf.
Der Felssturz in der Silvrettagruppe führte zu weitgehenden Beeinträchtigungen der Wanderwege in dem Gebiet. Wie die Jamtalhütte auf ihrer Homepage informierte, sind die Wege zum westlichen Gamshorn, zur Schnapfenspitze, zum Finanzerstein, Zahnjoch, Kronenjoch und Futschölpass gesperrt.
Lesen Sie auch Alpen stürzen ein – was jetzt auf uns zukommt
Bergsturz auch im Kaunertal möglich?
"Der Bergsturz am Fluchthorn muss ein Alarmsignal auch über das Paznaun hinaus sein", warnt der Klubobmann der Tiroler Grünen, Gebi Mair, in einer Aussendung. Angesichts der "aktuellen Entwicklungen" müssten "großtechnische Projekte im Hochgebirge" überprüft werden, fordert er. "Das gilt insbesondere für das Kraftwerksprojekt Kaunertal. Auch wenn die Bewegungen am Gepatschspeicher derzeit schon beobachtet werden, sind die Prüfparameter neu zu justieren", sagt Mair.
Lesen Sie auch Alpengletscher – eisfrei in nur zehn Jahren?
Auch die Naturschutzorganisation WWF sieht ähnliche Gefahren im Kaunertal herannahen. "Der Ausbau des Kraftwerks Kaunertal würde die Instabilität um den Gepatschspeicher weiter erhöhen. Vor dem Hintergrund des aktuellen, massiven Bergsturzes muss Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP, Anm.) sich endlich mit den akuten Sicherheitsbedenken beschäftigen, anstatt den von der Tiwag gewünschten Ausbau des Kraftwerks stur durchzuboxen", fordert Gewässerschutzexpertin Bettina Urbanek in einer Aussendung.
Lesen Sie auch Tiwag-Pläne bedrohen einzigartiges Naturjuwel in Tirol
Alpen von Klimakrise besonders stark betroffen
Diese Frage dürfe nicht im UVP-Verfahren behandelt werden, sondern benötige eine Überprüfung durch eine unabhängige Fachkommission. Der WWF verweist zudem darauf, dass die Alpen von der Klimakrise besonders stark betroffen seien.
"Die Erderhitzung lässt die Temperaturen in den Alpen deutlich stärker steigen als im globalen Durchschnitt: Im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter ist mit einem Anstieg um rund 3 °C bis 2050 und um bis zu 5 °C bis Ende des 21. Jahrhunderts zu rechnen", heißt es in einer Aussendung.
Lesen Sie auch Erderhitzung lässt Gletscher schmelzen
Dadurch steige auch die Häufigkeit von Naturkatastrophen, da die auftauenden Permafrostböden und die schmelzenden Gletscher das Gestein nicht mehr im selben Maß stabilisieren. "Auch das klimakrisenbedingt vermehrte Auftreten von Wetterextremen wie Starkregenereignissen kann zu verstärkter Bodenerosion und häufigeren Muren führen", warnt der WWF. Damit würden sich insbesondere in den Alpen drängende Sicherheitsfragen für alle bestehenden und geplanten Infrastrukturen stellen. Der WWF fordert daher bessere rechtliche Rahmenbedingungen für Sicherheitsfragen im alpinen Raum.
Lesen Sie auch Umweltallianz fordert Stopp für Kraftwerk Kaunertal