Knallhart-Plan der FPÖ

Kickl: "Volk soll unfähige Regierung absetzen dürfen"

39 Tage vor der Nationalratswahl hat Herbert Kickl am Mittwoch im Wiener Palmenhaus das FPÖ-Wahlprogramm präsentiert. "Heute" hat die Details.

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    39 Tage vor der Nationalratswahl hat Herbert Kickl am Mittwoch im Wiener Palmenhaus das FPÖ-Wahlprogramm präsentiert. <em>"Heute"</em> hat die Details.
    39 Tage vor der Nationalratswahl hat Herbert Kickl am Mittwoch im Wiener Palmenhaus das FPÖ-Wahlprogramm präsentiert. "Heute" hat die Details.
    Helmut Graf

    116 Seiten ist es lang, 71 Mal kommt das Wort "Freiheit" vor – mit seinem am Mittwoch präsentierten Wahlprogramm schlägt Herbert Kickl nun die blauen Pflöcke im langsam Fahrt aufnehmenden Wahlkampf ein.

    Bereits in der Einleitung von "Festung Österreich, Festung der Freiheit" stellt Kickl klar: Als "Volkskanzler" wolle er von Tag eins weg alles unternehmen, "um den Österreichern ein maximales Maß an Freiheit zu ermöglichen". Er sieht seine FPÖ als "Freiheitspartei". Der Staat habe "dem Einzelnen möglichst viel Freiraum zu geben", fordert der blaue Frontman.

    Blaue Wirtschaftsprogrammatik

    Neben den freiheitlichen Kernthemen (Migration, Sicherheit, Corona, direkte Demokratie) nimmt sich der in Umfragen stabil Führende intensiv auch des Wirtschaftsthemas an – wohl, um enttäuschte ÖVP-Wähler von Sebastian Kurz anzusprechen. Dafür holte er sich Input von Ex-ÖBB-Finanzvorstand Arnold Schiefer, der nun auf der blauen Liste kandidiert. Bei der Präsentation im Palmenhaus waren zudem seine beiden Vertrauten, die Vize-Klubchefinnen Dagmar Belakowitsch und Susanne Fürst sowie Klubdirektor Norbert Nemeth an Kickls Seite.

    "Keine neuen Steuern"

    Wie bereits im ORF-Sommergespräch angekündigt, stemmt sich Kickl gegen neue Steuern. Es ist eine klare Absage an die von SPÖ-Chef Andreas Babler geforderten Erbschafts- und Schenkungssteuern, an Vermögenssteuern; er wolle auch "keine Häuselbauersteuer". Das Unternehmertun solle unter einer blauen Kanzlerschaft gefördert, Steuerbetrüger mit "voller Härte" verfolgt werden. Die Abgabenquote insgesamt solle sinken.

    Zwangs-Mitgliedschaft in AK beenden

    Brisant: Auch die Pflichtmitgliedschaft in Arbeiter- und Wirtschaftskammer möchte Kickl beenden – und die Arbeitnehmer auf diese Weise entlasten. Dafür wäre freilich eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament vonnöten. Kickl: "Wir sind gegen jede Art von Zwangsmitgliedschaft."

    Weg mit der ORF-Haushaltsabgabe!
    Herbert Kickl
    FPÖ-Parteichef und -Spitzenkandidat

    Dies gelte auch für Hochschülerschaft und ORF. So tritt Kickl für "die Abschaffung der CO2-Strafsteuer, echte und vollständige Abschaffung der kalten Progression, Abschaffung der ORF-Zwangsteuer und eine Valorisierung des Pendlerpauschales und des amtlichen Kilometergelds" ein. Den öffentlich-rechtlichen Sender will er einer Reform unterziehen – "für Objektivität statt Propaganda".

    Regierungsmitglieder abberufen

    Das Feld der direkten Demokratie fasst Kickl nun noch weiter, so befindet er: "Dem Volk sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, eine unfähige Regierung oder unfähige Regierungsmitglieder abzuberufen. Es handelt sich somit um einen Misstrauensantrag des Volkes." Vom Ablauf her solle dieser "analog zur Volksinitiative ausgestaltet werden".

    "Kampf gegen Überwachungsstaat"

    Privates solle "privat bleiben", Kickl sagt daher "Nein zur Chatkontrolle". Eine "verdachtsunabhängige Massenüberwachung" trete "das Recht auf Privatsphäre mit Füßen". Er kämpfe "gegen Überwachungsstaat und Sozialkredit-Systeme", will "keinen Zwang zur digitalen Identität".

    Wenig überraschend sagen die Freiheitlichen auch "Nein zum Verbot von Verbrennungsmotoren"; Klimakleber hingegen sollen härter bestraft werden. Wie auch die ÖVP will Kickl das Bargeld durch die Verfassung geschützt wissen. In der Verfassung festgeschrieben werden soll auch, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Im öffentlichen Bereich soll es zudem ein Genderverbot geben.

    Sogar auf die jüngsten Olympischen Spiele in Paris bezieht sich das FPÖ-Programm. Unter dem Motto "Rettet den Frauensport" fordern die Freiheitlichen, dass bei Sportereignissen keine Transgender-Athleten zugelassen werden sollen.

    Kickl will "Corona-Amnestie"

    Auch das persönliche Leibthema Kickls, die Corona-Aufarbeitung, darf nicht fehlen: "Wir treten für eine unmittelbare und ausnahmslose Amnestie für alle von Verwaltungsstrafen Betroffenen, etwa bei Verstößen gegen die Abstandsregeln oder das Maskentragen, und eine Rücküberweisung aller eingehobenen Strafen ein."

    "Festung Österreich"

    Unter seinem Slogan "Festung Österreich" fordert der FPÖ-Chef etwa die umstrittenen Pushbacks. Diese seien bereits in vielen Ländern "gängige Praxis". Das Asylrecht soll durch ein Notgesetz ausgesetzt werden, solange Österreich überlastet ist. Asylanträge sollten nur von Personen angenommen werden, die auf ihrem Weg zu uns kein sicheres Drittland passiert haben. Für Asylwerber soll es nur Sachleistungen statt Bargeld geben, "Asylanten" dürften keine Staatsbürgerschaft bekommen. Das Wort "Remigration" darf natürlich auch nicht fehlen: Eine solche fordert die FPÖ etwa auch nach Afghanistan und Syrien.

    FPÖ-Chef für Kindersegen

    Die Freiheitlichen treten dafür ein, "ein traditionelles Familienbild" zu verteidigen. Die Entwicklung, "dass immer weniger Kinder geboren werden", solle gestoppt werden – dafür möchte man Geld in die Hand nehmen. Meint konkret: "Anrechnen von vier Jahren Kindererziehungszeiten für jedes Kind am Pensionskonto oder konkrete Steuerentlastungen für Verheiratete."

    In diesen Genuss sollen ganz allgemein junge Menschen am Beginn ihres Berufslebens kommen. Kickl beabsichtigt, sie steuerlich besser zu stellen, "um finanziellen Spielraum für die Familiengründung zu schaffen".

    24/7-Kinderbetreuung im ganzen Land

    Wichtig ist dem blauen Parteichef die Erziehung zu Hause: "Die Betreuung von Kindern in familiärer Geborgenheit wird von uns staatlichen Ersatzmaßnahmen vorgezogen, wohl wissend, dass dies nicht immer möglich ist und daher die Bereitstellung von Alternativen unumgänglich ist." Daher sei es unerlässlich, dass "während der üblichen Arbeitszeit Kindergärten flächendeckend vorhanden und geöffnet sind".

    Bildstrecke: Sommergespräch mit FPÖ-Chef Herbert Kickl

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      FPÖ-Chef Herbert Kickl zu Gast im ORF-Sommergespräch 2024 bei Martin Thür am Traunsee (OÖ)
      FPÖ-Chef Herbert Kickl zu Gast im ORF-Sommergespräch 2024 bei Martin Thür am Traunsee (OÖ)
      ORF/Zach-Kiesling

      "Nein" zu Nato und Sky Shield

      Wichtig ist der FPÖ die "Souveränität" Österreichs. So müsse etwa die Neutralität durch die Verfassung geschützt werden. Ebenso fordert die Kickl-Partei, dass das Einstimmigkeitsprinzip in der EU geschützt und unser Vetorecht dort genützt wird. Ein klares "Nein" gibt es zur Schulden- und Kapitalmarktunion ebenso wie zu einem Nato-Beitritt oder der Beteiligung an Sky Shield.

      Ein "klares Bekenntnis" legt die FPÖ zu einem funktionierendem Heer ab. Dieses müsse ausreichend finanziert, der Soldatenberuf attraktiver gemacht werden. Dazu zählt etwa die bessere Bezahlung von Offizieren und Unteroffizieren. Um das Personalproblem zu lösen, müsse aber auch ein Kampf gegen die Untauglichkeit von immer mehr jungen Männern einhergehen: "Sportverein statt Computerspiel ist angesagt", heißt es dazu im blauen Wahlprogramm.

      "Faire" Medienförderung

      Im Medienbereich spricht sich die FPÖ für eine "faire Förderpolitik" aus: "Wir brauchen eine faire und transparente Förderstruktur, die die Entwicklung und Etablierung alternativer Medienkanäle ermöglicht", heißt es dazu. Als "alternativer Medienkanal" wohl auch gemeint: das parteieigene Medium FPÖ-TV. Der ORF müsse einer Reform unterzogen werden. Denn: "Die Berichterstattung entspricht in keiner Weise der Definition eines öffentlich-rechtlichen Auftrags im ORF-Gesetz", meinen die Freiheitlichen.

      Die Blauen wollen, dass Big-Tech-Konzerne wie Meta (Facebook, Instagram) oder YouTube Beiträge zur Unterstützung österreichischer Medien leisten sollen. Immerhin würde immer mehr Werbegeld aus Österreich zu diesen Unternehmen fließen. Konkret schwebt der FPÖ ein "Digitalwerbeförderungsbeitrag" vor. Die Einnahmen aus diesem sollen in einen Nationalen Medienfonds geleitet werden, aus dem heimische Medien eine Förderung erhalten – und zwar gegliedert nach jeweiliger Reichweite.

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        ALEX WROBLEWSKI / AFP / picturedesk.com

        Auf den Punkt gebracht

        • Herbert Kickl präsentierte das 116-seitige FPÖ-Wahlprogramm mit dem Schwerpunkt auf Freiheit und Wirtschaftsthemen
        • Er lehnt neue Steuern ab, möchte die Zwangsmitgliedschaft in der Arbeiter- und Wirtschaftskammer beenden und setzt sich für direkte Demokratie ein
        • Weitere Punkte sind der Kampf gegen den Überwachungsstaat, die Corona-Aufarbeitung und die Forderung nach einer "Festung Österreich"
        • Die FPÖ tritt außerdem für ein traditionelles Familienbild und eine 24/7-Kinderbetreuung im ganzen Land ein, lehnt jedoch eine Nato-Mitgliedschaft ab und fordert eine "faire" Medienförderung
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