Politik
Kickl als Kanzler? VP-General macht im ORF Kampfansage
VP-Generalsekretär Christian Stocker gab sich im ORF siegessicher für die nächste Wahl: Die Frage nach einem Kanzler Kickl "wird sich nie stellen".
Breite Maßnahmen gegen die Teuerung verabschiedet die Regierung auch heute nicht im Nationalrat, die Sitzung dauerte bis in die Nachtstunden an. Noch vor dem Ende wagte sich im Rahmen der Sommerinterview-Serie mit den Parlamentsparteien im ORF für die ÖVP Generalsekretär Christian Stocker ins Studio der ZIB2. Statt wie in den vergangenen Tagen Armin Wolf, begrüßte ihn heute Martin Thür als Moderator.
Gleich zu Beginn lenke der ORF-Anchor das Gespräch auf die Inflation und das für viele bizarr anmutende Social-Media-Sujet der Volkspartei. Diese hatte sich für 8 Prozent Inflation selbst bejubelt. "Das ist das Ergebnis effektiver Maßnahmen, die unser Bundeskanzler @karlnehammer mit seinem Team für Österreich ergriffen hat", hieß es da.
Stocker beteuerte, dass die Teuerungsrate auch für die ÖVP "noch zu hoch" sei, aber man dürfe "nicht vergessen, wo wir herkommen". Und so gesehen gehe es "in die richtige Richtung". Dass die Inflation mit 7,8 Prozent in Österreich immer noch deutlich über der Eurozone (5,5%) liegt, wollte er nicht stehen lassen.
Der Partei-General betonte, dass man auf das Gesamtbild achten und auch die Maßnahmen jener Länder, die in die Preise eingegriffen hatten, im Nachgang bewerten müsse. Weil Spanien etwa eine viel höhere Arbeitslosigkeit und einen Kaufkraftverlust habe, sei das nicht so pauschal bewertbar. Insofern also alles paletti für Türkis: "Ich glaube, da liegen wir nicht so schlecht."
Dass es auch in Österreich einen starken Abfall beim real verfügbaren Einkommen gebe, der erst mit den Gehaltsabschlüssen Ende des Jahres aufgeholt werde, konnte der VPler natürlich nicht als Erfolg der Gewerkschaften gedeutet lassen.
Plötzlich griff er auf den Tisch und hielt Thür und der Kamera eine Hefterl vor. In dieser Broschüre seien auf 40 Seiten die Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Teuerung zusammengefasst, die lasse er gerne als Lektüre da. Fazit am Ende dieses Diskurses: die aktuell noch immer hohe Inflation in Österreich betrübt Stocker nicht. Ob das Parteilinie ist?
Und: Für "die, da unten" habe die Regierung genug getan, betonte Stocker auf Nachfrage: "Wir haben gerade für die vulnerablen Gruppen und die mit niedrigem Einkommen sehr viel gemacht." Hingegen wüsste er nicht, dass man "die da oben", also die reichsten 5 Prozent, ebenso begünstigt hätte.
Thürs Beispiel der Abschaffung der Kalten Progression lässt der VP-General da nicht gelten: "Davon profitiert vor allem der Mittelstand, deswegen, weil diese 5 Prozent von denen Sie hier sprechen, sowieso mit ihrem Einkommen in der obersten Steuerklasse."
Neutralität "kein Sicherheitsnetz"
Ein weiterer Elefant im Raum: Verteidigungsministerin Klaudia Tanners (VP) Bekenntnis, Österreich an der NATO-Initiative Sky Shield für eine europäische Raketenabwehr zu beteiligen. Die FPÖ sieht darin einen klaren Bruch mit der Neutralität, das Bundesheer (klarerweise) sowie viele Verfassungsexperten eigentlich nicht. Auch Stocker bezog klar Position: Sky Shield, Ja. Neutralität auch Ja.
Seine Ausführung dürfte den Blauen nicht schmecken: "Unsere Welt ist nicht mehr, wie sie in den 1960er Jahren war. Die Bedrohungslage hat sich geändert. Neutralität alleine ist weder ein Sicherheitsplus noch ein Minus. Wenn Sie die Neutralität jetzt abschaffen würden, hat sich an der Sicherheitslage nichts geändert."
Österreichs Wahl der Neutralität sei eine "politische Entscheidung" gewesen, doch der neutrale Status des Landes sei "kein Sicherheitsnetz. Das wär er auch nie." Dennoch sei man damit bisher sehr gut gefahren, weshalb es auch keine Gründe gebe, daran zu rütteln.
Kickl Kanzler? "Frage wird sich nie stellen"
Auf die aktuell katastrophalen Umfrage-Ergebnisse wollte Stocker wenig überraschend nicht eingehen: "Umfragen katastrophal. "Umfragen sind Momentaufnahmen. Die Wahl wird in mehr als einem Jahr sein, wir werden sehen, wie es dann aussieht."
Doch was, wenn die FPÖ gewinnen sollte? Werde sich die ÖVP zum Steigbügelhalter eines Kanzlers Herbert Kickl machen? Bisher hat die Volkspartei eine solche Koalition im Gegensatz etwa zur SPÖ nicht ausgeschlossen. Der türkise Generalsekretär versuchte sich in Offensive, statt Verteidigung: "Diese Frage stellt sich jetzt nicht und nach der Wahl werde ich alles dafür tun, dass sie sich auch nicht stellen wird, weil Karl Nehammer Bundeskanzler bleiben wird." Auch auf Nachfrage betone er noch einmal: "Ich glaube, diese Frage wird sich nie stellen!"
Zum Schluss drehte sich das Interview noch um die Vorwürfe über Ex-Kanzler Sebastian Kurz, deren Entkräftigung Stocker vor Gericht erwartet. Der VP-Grande wurde zum Ende hin immer mehr wie Teflon, Thür perlte ab, verhaspelte sich beim Nachfragen. Der Auftritt endete mit einem stoischen Lächeln auf Stockers Gesicht.