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Keine Befreiung für Muslime vom Schwimmunterricht
Das deutsche Bundesverwaltungsgericht hat ein richtungsweisendes Urteil gefällt: Eine Befreiung von gewissen Teilen des Schulunterrichts aus religiösen Gründen ist nur in absoluten Ausnahmefällen möglich. Schwimmunterricht im Burkini ist muslimischen Schülerinnen zuzumuten. Anlass war die Klage einer 13-jährigen Muslima aus Frankfurt am Main gewesen.
Muslimische Mädchen dürfen dem Schwimmunterricht in Schulen nicht einfach aus religiösen Gründen fernbleiben. Die Teilnahme in einem Burkini - einem Ganzkörperbadeanzug - sei ihnen zuzumuten, entschied das Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch. Es wies damit die Klage einer 13 Jahre alten Gymnasiastin aus Frankfurt ab. Sie hatte eine Befreiung vom gemeinsamen Schwimmunterricht für Buben und Mädchen erwirken wollen und sich auf die Religionsfreiheit berufen.
Anwalt: Burkini führe zu Ausgrenzung
Die Bundesverwaltungsrichter urteilten, eine Unterrichtsbefreiung aus religiösen Gründen sei nur in Ausnahmefällen möglich. Bei der muslimischen Schülerin kollidiere ihre grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit mit dem verfassungsrechtlichen verankerten Erziehungsauftrag des Staates. In solchen Konflikten müsse grundsätzlich abgewogen werden, und es müsse auch nach Kompromissen gesucht werden, sagte der Vorsitzende Richter Werner Neumann. Der Burkini - ein islamkonformer Badeanzug, der nur Gesicht, Hände und Füße freilässt - sei eine Möglichkeit.
Die Schülerin hatte argumentiert, die Teilnahme am Schwimmunterricht verletze ihre religiösen Bekleidungsvorschriften. Auch das Tragen eines Burkinis lehnte sie ab. "Der Weg, einen Burkini zu tragen, der stigmatisiert sie, der führt zu ihrer Ausgrenzung", sagte ihr Anwalt Klaus Meissner. Zudem dürfe sie sich auch nicht dem Anblick leichtbekleideter Burschen im Schwimmbad aussetzen.
Gericht: Leichtbekleidete sind Alltag
Dem folgten die Bundesverwaltungsrichter nicht. Leichtbekleidete junge Männer seien in Deutschland im Sommer überall zu sehen, auch auf den allgegenwärtigen Werbeplakaten sei das Alltag. Der Anblick leichtbekleideter männlicher Schüler im Schwimmbad beinträchtige die 13-Jährige somit nur "geringfügig" in ihrer Glaubensfreiheit, erklärte Neumann. In dem Falle überwiege der staatliche Bildungs-und Erziehungsauftrag. Der Vater der 13-Jährigen hatte vor der Urteilsverkündung erklärt, er wolle die Entscheidung akzeptieren.
Zustimmung in türkischer Community
Der Vorsitzende der türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, hat das "Burkini-Urteil" als "weise" begrüßt. Kolat sagte der "Saarbrücker Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe): "Ich finde, das Gericht hat einen hinnehmbaren Ausgleich zwischen Religionsfreiheit und Bildungsauftrag gefunden." Es sei wichtig, dass muslimische Kinder am gesellschaftlichen Leben teilhaben könnten, so Kolat. Dazu gehöre auch der Schwimm- und Sportunterricht.
APA/red