Klimaschutz

Forscher in NÖ decken globale Klima-Katastrophe auf

Die Karnische Krise war eine der größten Umweltkatastrophen aller Zeiten. Ein Forscherteam will nun in Niederösterreich Lehren für die Zukunft ziehen.

Roman Palman
NHM-Paläontologe Alexander Lukeneder bei der Grabung an der Polzberg-Fundstelle. Archivbild
NHM-Paläontologe Alexander Lukeneder bei der Grabung an der Polzberg-Fundstelle. Archivbild
NHM

Aus der Vergangenheit lernen für die Zukunft – genau das wird ein internationales Forscherteam in den kommenden drei Jahren in Niederösterreich tun. An der weltbekannten Fossilien-Fundstelle Polzberg zwischen Gaming und Lunz am See im Mostviertel wollen die Forscher rund um Paläontologen Alexander Lukeneder vom Naturhistorischen Museum Wien die Relikte der erst vor wenigen Jahren identifizierten "Karnische Krise" genauer unter die Lupe nehmen.

Die Ablagerungen und Fossilien, die hier im ehemaligen Reiflinger Meer zu finden sind, sind versteinerte Zeitzeugen einer der größten Umweltkatastrophe unseres Planeten. Vor rund 235 Millionen Jahren kam es zu einem weltweiten Massensterben in den Ozeanen des Erdmittelalters in Folge eines massiven Klimawandels.

Ökosysteme brachen zusammen

Auslöser dafür dürfte nach Annahme der Forscher der enorm starke Vulkanismus der damaligen Zeitperiode gewesen sein. Mit den Eruptionen wurden riesige Mengen an Treibhausgasen wie Kohlendioxid in die Atmosphäre geschossen, was eine weltweite Erwärmung zur Folge hatte. Die wärmere Luft konnte wiederum mehr Wasser aufnehmen, was starke Niederschläge provozierte. Rund eine Million Jahre soll diese Regenphase angedauert haben.

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    Alexander Lukeneder ist Kurator der Erdmittelalter-Sammlung am NHM Wien und erforscht die "Karnische Krise", eine globale Klimakatastrophe der Triaszeit.
    Alexander Lukeneder ist Kurator der Erdmittelalter-Sammlung am NHM Wien und erforscht die "Karnische Krise", eine globale Klimakatastrophe der Triaszeit.
    NHM Wien / C. Rittmannsperger / OTS

    "Die späte Triaszeit war durch ein Treibhausklima mit monsunartigen Niederschlägen geprägt, was zu einem vermehrtem Schlammeintrag ins Meer führte. Die Riffe erstickten und am Meeresboden wurde der Sauerstoff knapp", beschreiben die NHM-Forscher die damalige Situation. Es kam zum Zusammenbruch der Ökosysteme.

    Kernbohrung soll Antworten liefern

    Neben Grabungen soll in den kommenden drei Forschungsjahren auch eine Kernbohrung genauen Aufschluss über die Veränderungen während der Karnischen Krise geben. Dadurch können chemisch unveränderte Gesteine geborgen und die Schichten Millimeter für Millimeter untersucht werden.

    Über die Polzberg-Fundstelle

    Ein kleiner Graben zwischen Gaming und Lunz am See (Niederösterreich) birgt eine der wichtigsten Fossil-Fundstellen Österreichs. Die 233 Millionen Jahre alten Gesteinsschichten geben einen tiefen Einblicke in die Erdgeschichte. Seit rund 140 Jahren wird hier gegraben und geforscht. Mehr als 6.000 fossile Polzberg-Funde lagern bereits in den großen Sammlungen des Naturhistorischen Museums Wien, der Universität Wien und der Geologischen Bundesanstalt in Wien. Einige sind besonders gut erhalten, zeigen sogar Reste von Weichteilen wie Muskel- oder Knorpelgewebe.

    Die Forscher hoffen, damit folgende Fragen im Detail klären zu können: Wie veränderte sich das Klima durch den gewaltigen Vulkanismus und den damit verbundenen enormen CO2-Ausstoß in die Atmosphäre? Wie änderten sich dadurch die Ökosysteme an Land und in den Meeren? 

    Tod und Leben, Gewinner und Verlierer

    Massimo Bernardi vom Wissenschaftsmuseum Trient (MUSE) betont in einem 2020 in der Zeitschrift "Science Advances" veröffentlichten Artikel, dass jedes Ende auch Chancen birgt. Die Frage sei aber, für wen? "Es ist schwer vorherzusagen, wer auf der Seite der Verlierer und wer auf der Seite der Gewinner stehen wird. Wer also, wie wir, mitten in einer neuen Klimakrise mit fortschreitendem Aussterben lebt, darf also hoffen, muss aber gleichzeitig auch sehr vorsichtig sein".

    Die Verlierer der Karnischen Krise sind jedenfalls bis heute in der Reifling-Formation der Kalkalpen dokumentiert. "Eine der wichtigsten Auswirkungen der Karnischen Krise ist die Diversifizierung und Ausbreitung vieler moderner Tier- und Pflanzengruppen", so Evelyn Kustatscher, Paläontologin am Naturmuseum Südtirol, im gemeinsamen Text mit Bernardi über die Folgen. Erst durch solche Massensterben hätten Dinosaurier die Erde erobern können, ehe auch sie vor etwa 66 Millionen Jahren selbst zum Verlierer wurden und ausstarben.

    Ein gewaltiger Unterschied

    Das Wissen über diese vergangenen Katastrophen, so die Hoffnung der Forscher, könnte uns helfen, die bevorstehenden Veränderungen durch den menschengemachten Klimawandel zu verstehen.

    Und das Tempo des aktuellen Wandels ist rasant. Nach Schätzung des Weltbiodiversivitätsrats IPBES wird etwa eine Million Tierarten dieses Jahrhundert nicht überleben. Das ist auch der gewaltige Unterschied zur Karnischen Krise: "Das, was sich damals in einem Zeitraum von zwei Millionen Jahren abgespielt hat, schafft der Mensch nun in 50 bis hundert Jahren", mahnt NHM-Paläontologe Lukeneder.

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      privat, iStock