Politik

Kanzler völlig entsetzt: "In Europa herrscht Krieg"

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzker Werner Kogler (Grüne) verurteilen im Nationalrat die russischen Angriffe auf die Ukraine.

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Kanzler Karl Nehammer (re.) und Vizekanzler Werner Kogler
Kanzler Karl Nehammer (re.) und Vizekanzler Werner Kogler
ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

In ihren Erklärungen im Nationalrat verurteilten Bundeskanzler Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler die begonnenen Angriffe Russlands auf die Ukraine. Nehammer sprach von "Krieg in Europa", man habe gehofft, dass so eine Situation in Europa nie wieder Eintritt. Für Österreich gelte jedoch der Grundsatz, dass "die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren" zähle. Laut Kogler hat der russische Präsident mit den Angriffen die Friedensordnung in Europa in Frage gestellt. "Unsere Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine". Beide sprachen sich für ein weiteres koordiniertes Vorgehen im Rahmen der EU aus.

Unter den Fraktionen herrschte weitgehende Einigkeit bei der Beurteilung der Ereignisse in der Ukraine. Die FPÖ verurteilte die russische Intervention, sprach sich jedoch gegen eine zu einseitige Perspektive auf den Konflikt aus. In einem gemeinsamen Entschließungsantrag bekundeten ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS Solidarität mit der Ukraine und forderten die Rückkehr zu Verhandlungen. Weitere Anträge der Opposition blieben hingegen in der Minderheit.

"Mit einer Stimme sprechen"

"Wir sind mit einer Situation konfrontiert, von der wir gehofft haben, dass sie in Europa nie wieder Eintritt", eröffnete Bundeskanzler Karl Nehammer seine Erklärung zum Angriff Russlands auf die Ukraine. "Faktum ist, dass in Europa Krieg herrscht", so Nehmammer. Obwohl die Geschichte Österreichs eng mit Russland verbunden sei und man auch Russland zu verdanken habe, vom Naziterror befreit worden zu sein, lehne man den eingeschlagenen Weg zutiefst ab. Für Österreich gelte der Grundsatz, dass "die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren" zähle, unterstrich der Bundeskanzler. Nehammer berichtete zudem von einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten während der Nationalratssitzung. Dieser habe von einer höchst dramatischen Situation in seinem Land berichtet und um humanitäre sowie militärische Unterstützung geboten.

Der Kanzler begrüßte das gemeinschaftliche Vorgehen der EU, gerade in Zeiten der Krise sei es wichtig, "mit einer Stimme zu sprechen". Die EU habe durch die Sanktionen klar gemacht, der Aggression Russlands Einhalt zu gebieten. Zur Neutralität Österreichs hielt der Bundeskanzler fest, dass diese immer eine "klar militärische Neutralität" gewesen sei. Österreich könne sich nicht hinter der Neutralität "verstecken" und müsse klar Stellung beziehen.

"Ukraine ist ein europäisches Land"

Trotz der aktuellen Entwicklungen sei die Notwendigkeit des Dialogs von großer Bedeutung, in diesem Sinne werde Österreich auch weiterhin als Brückenbauer und Vermittler agieren. Es sei wichtig, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Es zeige sich jedoch, "dass die militärische Landesverteidigung eine zentrale Rolle für die Sicherheitsarchitektur Österreichs spielen muss", so der Bundeskanzler.

Was die Auswirkungen auf Österreich betrifft, habe man mit der Bildung des Krisenkabinetts Vorsorge getroffen und etwa die Evakuierung von ÖsterreicherInnen aus der Ukraine eingeleitet. Zur Frage der Energieversorgung, betonte Nehammer, dass die Versorgungssicherheit mit Gas auch bei einer "Null-Lieferung" Russlands bis April gesichert sei. Derzeit brauche Österreich russisches Gas, "ob das für die Zukunft so schlau ist, gilt es zu hinterfragen".

"Die Ukraine ist ein europäisches Land", hielt der Kanzler zur Frage möglicher Fluchtbewegungen fest. "Österreich hat bereits bei vorrangegangenen Krisen bewiesen, dass Nachbarschaftshilfe selbstverständlich ist und Menschlichkeit im Vordergrund steht". Das Innenministerium habe dazu bereits Vorsorge getroffen, zudem werde man auch die Nachbarländer der Ukraine bei Fluchtbewegungen unterstützen.

"Der 24. Februar 2022 wird in die Geschichte eingehen"

"Der 24. Februar 2022 wird in die Geschichte eingehen", erklärte Vizekanzler Werner Kogler. Der Angriff Russlands auf die Ukraine habe keine Rechtfertigung und sei "auf das Schärfste" zu verurteilen. "Unsere Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine", so Kogler. Der russische Präsident habe mit den Angriffen die Friedensordnung in Europa in Frage gestellt. Putin verdrehe mit seiner "Rhetorik eines Angriffskriegs aus Eigenschutz" die Wahrheit. Dies müsse man so benennen und zurückweisen.

Österreich werde die weiteren "massiven Maßnahmen" der EU mitentwickeln und mittragen, denn es gelte, alle Mittel der Politik und der Diplomatie zu ergreifen, "um uns entgegenzustellen", unterstrich der Vizekanzler. Auch das neutrale Österreich könne einem "derartigen Aggressionskrieg nicht zuschauen", die Neutralität sei keine "tatenlose Ideologie". Österreich bleibe aber den Prinzipien von Freiheit, Frieden, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie treu. Auch Kogler betonte, dass die Ukraine ein europäisches Nachbarland sei. Bei möglichen Fluchtbewegungen werde sich Österreich als "guter und solidarischer Nachbar" erweisen. Was die Energieabhängigkeit von Russland betrifft, müsse man so rasch als möglich die Diversifizierung steigern. Dies kann laut Kogler schneller erreicht werden, "wenn wir vor allem in Richtung Erneuerbare diversifizieren".

ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS bekunden Solidarität mit Ukraine

In einem gemeinsamen Entschließungsantrag sprachen sich ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS für eine Waffenruhe, die Einhaltung des Völkerrechts und die Rückkehr zu einer Verhandlungslösung aus. Zudem unterstützten die Abgeordneten die Verhängung zusätzlicher Sanktionen auf EU-Ebene und eine geeinte entschlossene EU-Positionierung. Die Bundesregierung solle ihre Solidarität mit der Ukraine deutlich bekunden und weiterhin humanitäre Hilfe bereitstellen.

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