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Just Cause 4 im Test: Eine Ode an die Zerstörungswut
Größer, lauter, spektakulärer: Während Innovationen im neuen Just Cause ausbleiben, präsentiert sich die Zerstörungsorgie bombastischer denn je.
Vor drei Jahren legte sich Action-Ikone Rico Rodriguez in Just Cause 3 auf der fiktiven Mittelmeerinsel Medici mit dem herrschsüchtigen General Di Ravello an. Was für die Spieler bedeutete: Story beiseite lassen und Sprengungen, Explosionen, Schusswechseln, Stunts und purem Wahnsinn fröhnen. Die Handlung war nie die Stärke eines Just Cause, und so verhält es sich auch mit dem neuen Just Cause 4 für PlayStation 4, Xbox One und PC.
Und ganz ehrlich, wieso auch? Ein Just Cause kauft man wegen der geballten Action und nicht wegen herzergreifenden Storyelementen. So ist es auch im neuen Machwerk der Avalanche Studios der Fall, dass die Handlung zur Nebensache mutiert. Statt auf Medici findet sich unser Held nun im südamerikanischen Solís wieder, statt Di Ravello und seine Schergen bekämpft man nun die Soldaten der Schwarzen Hand unter der neu eingeführten Figur Gabriella Morales und den zwielichtigen Oscar Espinosa.
Was gleich bleibt: An allen Ecken und Enden der Spielewelt gibt es Explosionen und Feuerwerke zum Abwinken und so gut wie alles in der Spielwelt kann in Schutt und Asche gelegt werden. Eine Innovation zeigt sich dann doch gleich zu Beginn: Im Intro erfährt man, dass Ricos Vater in seiner Heimat Solís an Wettermanipulationen für die Machthaber geforscht hat. So richten wir also im Spiel nicht nur selbst Zerstörung an, sondern werden auch mit riesigen Tornados und Sand- und Schneestürmen konfrontiert.
Action-Feuerwerk überdeckt alles
Zu Beginn bemüht sich der Titel neben der Vermittlung der grundlegenden Steuerung auch darum, eine Beziehung zu den anderen Figuren aufzubauen. Während Ersteres gut gelingt und Lust aufs Experimentieren macht, bleibt bei Zweiterem der Tiefgang aus. zwar bekommt Rico Figuren wie die Rrebellenkämpferin Mira Morales oder den Hauptmann Sargento zur Seite gestellt, bevor man sie aber ins Herz schließen kann ist man in Dauer-Action von Verfolgungsjagden, Feuerwänden und Schussgefechten durchgeschüttelt.
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Fesselt schon die Handlung nicht, dann tun es neben den Naturkatastrophen die neuen Möglichkeiten des Greifhakens umso mehr. Rico kann sich neu nicht nur an Objekte heranziehen oder sie miteinander koppeln, sondern sie per "Luftheber" mit einem Ballon in die Höhe steigen lassen. Verstärkt wurde auch
das Koppeln, Drahtseile mit Motoren reißen nun spürbar wuchtig Platten von Wänden oder knallen Gasflaschen an den Kopf von Feinden. In Just Cause 3 wirkte das noch etwas grob umgesetzt. Eine neue Varianten sind auch die Raketensätze, sie beschleunigen damit verbundene Objekte kurzzeitig sehr stark.
Freude an dem irren Potential
Alle Funktionen des Hakens muss Rico beziehungsweise der Spieler erst freischalten, indem er Aufgaben für drei Nebenfiguren erledigt. Das Freischalten macht Sinn, denn es gibt Dutzende Haken-Upgrades und durch die neuen Funktionen sind so viele Einsatzmöglichkeiten gegeben, dass der Spieler zu Beginn vollkommen überfordert wäre. So lernt man nach und nach die Steuerung des Hakens kennen und hat auch mehr Freude daran, sein irres Potential zu entfalten. Und erwischt sich immer wieder dabei, Pflicht- oder optionale Missionen beiseite zu lassen und mit dem Haken stundenlang Chaos zu verursachen.
Beeindruckend ist, wie tief nun das Fähigkeiten- und Kombinationssystem, das den Haken als Herzstück hat, verzahnt wurde. Hier kann man bis ins kleinste Detail bestimmen, wie eines der drei Gadgets reagieren soll, mit welchen anderen Funktionen es kombiniert wird und wie eine Aktivierung ablaufen soll. Beispiel: Man rüstet den Haken so aus, dass ein Panzer per Ballon in die Luft abhebt, eine Schubrakete ihn wegschleudert, Rico sich währenddessen auf einen Sportwagen zieht, dieses Gefährt dem Panzer in die Luft folgt und Rico das Fahrzeug schließlich mit einem Raketenwerfer in die Luft Jagd. Solcher Sequenzen sind theoretisch Hunderte möglich, sie benötigen aber Experimentierfreude. Passende Kombis kann man sich bei genug Geduld als Schnellauswahl festlegen, allerdings nur drei.
Keine Schießbudenfiguren mehr
Die Vorgangsweise in Just Cause 4 unterscheidet sich kaum vom Vorgänger. Nach und nach befreit man erst Gebiete mit kleineren Gegnergruppen und stößt dadurch zu besser befestigten und ausgerüsteten Basen vor. Hier bleibt ein Kritikpunkt bestehen: die Spielweise bietet wenig Abwechslung, man infiltriert meist eine Basis und richtet dort so lange Zerstörung an, bis sich nichts mehr rührt. Während das ein großes Manko bei anderen Spielen wäre, entschädigt die Action mit dem Effektfeuerwerk für diesen Umstand. Sowohl Gegner- als auch Helfer-KI haben ein Upgrade erfahren. Befreit man Gefangene sind sie schießstarke Helfer, steht man Gegnermassen gegenüber, wird es dieses mal richtig brenzlig für Rico, denn sie wissen sich zu wehren.
Einstellbaren Schwierigkeitsgrad gibt es keinen, doch das Spiel finden einen guten Spagat zwischen schnellem Vorankommen und kniffliger Herausforderung. Vor allem obliegt es dem Spieler selbst, sich die Aufgaben so einfach oder schwierig wie gewünscht zu gestalten. Wer auf schwere Kämpfe steht, spaziert im Alleingang in einen besetzte Basis. Wer es einfacher mag, "bestellt" sich von der unterstützenden Chaos-Armee Kampfjets oder Militärhuschrauber und bombt erst mal die schlimmsten Basenwaffen weg. Spielerische Freiheit wird hier groß geschrieben.
Ein Sturm zieht auf
Mit dabei ist auch wieder die Hubschrauber- und Wingsuit-Transportfunktion, mit der Rico schnell über die gesamte Karte gelangen kann. Ladezeiten gibt es dabei, wie auch an allen anderen Stellen des Spiels, nur extrem kurze. Anders als in Just Cause 3 sieht man nun auch besser die Auswirkungen in den befreiten Gebieten. Wo Rebellen die Basen übernehmen und von der Schwarzen Hand bedrängt werden, entbrennen mitunter gewaltige Schlachten in der Spielwelt. Ein schönes, detailliertes Beiwerk, dass die Geschehnisse von Just Cause 4 etwas glaubwürdiger macht.
Ebenfalls ein netter Bonus sind die neuen Wetterphänomene. Sie wurden bildgewaltig inszeniert und es ist beeindruckend, wenn man durch die generell grafisch bombastisch umgesetzte offene Welt kurvt und dabei sich plötzlich ein Tornado vor dem eigenen Gefährt aufbaut, der alles in der Umgebung einzusaugen beginnt. Just Cause wäre nicht Just Cause, wenn es beim schönen Anschauen bleiben würde. Wagemutige stürzen sich mit dem Fallschirm mitten in den Sturm und Jagd Bestmarken wie die maximal erreichbare Höhe.
Ode an die Zerstörungswut
Die rund 40 Stunden Spielzeit, die Just Cause mit Haupt- und Nebenmissionen bietet, werden einfach nicht langweilig. Denn auch wer die oft gleichbleibenden Abläufe bei Baseneroberungen und Missionen bemängelt muss zugeben: eine richtig schöne Explosionsorgie hört einfach nicht auf, Spaß zu machen. Die Abwechslung bietet Just Cause in den Details: in Hunderten Stuntaufgaben, Wetter-Experimenten und Co. stellt man Punkterekorde und Bestmarken auf. Wobei sich zwangsläufig die Frage stellt: Warum gibt es keinen Multiplayer? Diese Nebenbeschäftigungen sind ein Paradebeispiel für launige Mehrspieler-Action.
Just Cause bleibt letztlich Just Cause, Überraschungen warten wenige. Storymäßig bleibt der Titel flach, positiv geschraubt wurde aber an der KI, der Fahrzeugsteuerung und der Grafik, die nur in manchen Zwischensequenzen grobe Gesichter zum Vorschein bringt. Just Cause 4 ist aber wieder ein bombastischer Titel geworden, nicht nur wegen den noch größeren und zahlreicheren Explosionen und der Zerstörungswut. Zum Ausnahmetitel machen Just Cause die faszinierende offene Welt, die gewaltigen Wettereffekte und das dynamische und zum Experimentieren einladende Gameplay, das Just Cause 4 zu einem großen Spielplatz macht. (rfi)