Wahl-Überraschung

Junge wollen weniger Klimaschutz und weniger Migration

Die Grünen sind die großen Verlierer, die AfD die große Siegerin der EU-Wahl in Deutschland. Die Rechte findet mit Klima- und Migrationspolitik Fans.

Junge wollen weniger Klimaschutz und weniger Migration
Bei der Europawahl in Deutschland schnitt die AfD besonders unter jungen Wählenden gut ab.
REUTERS

Zwölf Prozent der bis 24-Jährigen deutschen Wählenden gaben ihre Stimme der AfD, die so auf 17 Prozent kam. Die Grünen verloren in dieser Altersgruppe dagegen 23 Prozent und landeten bei elf Prozent. Wieso setzte sich die AfD bei den Jungen durch? Es scheint vor allem um Ängste zu gehen. So zeigen Studien aus Deutschland: 14- bis 29-Jährige haben Angst, dass zu viele Geflohene in ihr Land kommen und Wohnungsmarkt und Sozialsystem überstrapazieren.

Rechtsrutsch wegen Asylpolitik?

Erklärt sich der Rechtsrutsch also vor allem wegen des Themas Migration? "Es ist ein Krisencocktail, zu dem die Migration prominent gehört. Aber generell sind es Unsicherheit und Sorge angesichts der sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Lage Europas", sagt Frank Schimmelfennig, ETH-Professor für europäische Politik.

Migration sei immer noch das Steckenpferd der Rechten, die auch weitere Themen polarisierten, bei denen die Gesellschaft einen liberalen Wandel vollziehe, sagt auch ETH-Politologin Jana Lipps: "Man kann diese grob unter soziokulturelle Themen fassen: Rechte von sexuellen Minderheiten, Rolle der Frau, insbesondere das Abtreibungsrecht, und Klimapolitik."

Die Wählenden erwarten von der Regierung, dass Probleme gelöst werden
Jana Lipps,
Politologin

Kommen also die etablierten Parteien mit ihrer Migrations-, Gender- und Klimapolitik bei den Wählern nicht an? "Die Wählenden erwarten natürlich von der Regierung in erster Linie, dass gewisse Probleme gelöst werden. Und den Eindruck haben gerade die deutsche und auch die französische Regierung in letzter Zeit nicht abgegeben", sagt Politologin Lipps dazu. Sie ist allerdings unsicher, inwiefern bestimmte Themen die Wahlentscheidung tatsächlich entscheiden: "Hier drückt sich eine Unzufriedenheit aus, die sich vielleicht nicht konkret benennen, aber gut an Themen wie Gender- oder Klimapolitik aufhängen lässt."

Rechte predigen "weniger Klimaschutz, sehr viel weniger Migration"

Die rechten Parteien stehen heute für "weniger Klimaschutz, sehr viel weniger Migration, womöglich eine Annäherung an Russland, zumindest weniger Unterstützung der Ukraine", schreibt die "Zeit".

Der Kurs der EU in Richtung einer weniger liberalen Asylpolitik und einer weniger ambitionierten Klimapolitik dürfte sich fortsetzen
Frank Schimmelfennig,
Professor für europäische Politik

Fragt sich, welche Auswirkungen der Rechtsrutsch auf die großen Themen wie Asyl- und Klimapolitik der EU haben wird. "Schon vor der Wahl und angesichts der Proteste und Umfragen hat die EU ihren Kurs hier verändert, zugunsten einer weniger liberalen Asylpolitik und weniger ambitionierten Klimapolitik", meint dazu Europa-Politexperte Schimmelfennig. "Diese Korrektur dürfte sich bestätigen und fortsetzen."

Und Lipps ergänzt: "Die Hauptforderung lautet weniger Kooperation, mehr Handlungsspielraum für die Nationalstaaten. In der Asylpolitik lehnen die Rechten speziell eine Lastenteilung zwischen europäischen Ländern ab – und ganz besonders, wenn diese eine Verteilung von Asylbewerbern über Länder hinweg bedeuten würde."

Was bedeutet das Resultat für die Grünen?

"Einerseits sind sie thematisch in der Defensive. Andererseits werden sie für stabile proeuropäische Mehrheiten im Europäischen Parlament stärker gebraucht als zuvor."

Die emotionale Elefantenrunde im ORF

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    Andreas Schieder sichtlich emotional in der ORF-Elefantenrunde.
    Andreas Schieder sichtlich emotional in der ORF-Elefantenrunde.
    Helmut Graf

    Die europäischen Grünen hätten Jana Lipps zufolge sicher ein Interesse daran, dass Ursula von der Leyen den Green Deal der EU weiterführt. Doch: "Die deutschen Grünen werden in der Ampel einen noch schlechteren Stand haben als bisher schon."

    Wars das mit der Klimajugend?

    "Das glaube ich nicht", sagt Lipps. "Bei der letzten Wahl haben ja die Grünen gerade auch unter den jungen Wählenden sehr gut punkten können. Ihre Präferenz für Klimapolitik ist jetzt kaum verschwunden, auch wenn es im Moment sicher Themen gibt – Stichwort Ukraine-Krieg, Migration, Wohlstand –, die als dringlicher wahrgenommen werden."

    Muss sich Olaf Scholz Neuwahlen stellen?

    Laut den Experten kaum. Keine der Ampelparteien könne momentan durch Neuwahlen etwas gewinnen, meint dazu Schimmelfennig. "Im Moment ringt die Ampel um den Bundeshaushalt 2025. Das über die Bühne zu bringen, hat für alle drei Regierungsparteien Priorität", stimmt Lipps zu. "Alle drei Parteien betonen, dass sie jetzt Probleme lösen wollen – als Koalition. Solange diese hält, und das scheint so, halte ich es nicht für wahrscheinlich, dass Scholz die Vertrauensfrage stellt."

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    red, 20 Minuten
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