Wien
Jugend demonstriert am Sonntag gegen "Polizei-Schikane"
Das "skandalöse Verhalten der Polizei muss ein Ende haben", sagt die Wiener Jugend. Auch Bürgermeister Ludwig zeigt sich verstimmt.
"Der Karlsplatz gehört uns." Nach der Sperrstunde um 22 Uhr treffen sich junge Menschen hier, um den Abend ausklingen zu lassen. Dazu gehören Alkohol, laute Musik und dichtes Gedränge. Ähnliche Szenen spielen sich regelmäßig am Donaukanal ab. Am Freitag war das wieder der Fall. Rund eintausend Menschen feierten zu lauter Musik grölend vor der Karlskirche.
Übermütige kletterten auf Statuen, die Polizei marschierte in schwerer Kampfmontur auf, weil Sachbeschädigungen gedroht haben sollen. Die Menge wurde auseinandergetrieben, die Party für beendet erklärt. Als Antwort flogen Flaschen und Feuerwerkskörper. Die Polizei sprach später von 200 gewaltbereiten Autonomen, "durch Alkohol enthemmte radikale Gruppen", die "rücksichtslos die Gesundheit von Polizeibeamten, aber auch anderer aufhältiger Menschen gefährdet hätten." Pfefferspray wurde eingesetzt, acht Beamte verletzt.
Diskussionen gab es auch um die Aussage des Innenministers, "Aktivisten aus dem linksextremen Bereich" seien "als Drahtzieher dieser Attacken" in Erscheinung getreten. Dafür gab es keine genaueren Konkretisierungen oder Belege, auch "Der Standard" und zahlreiche Augenzeugen sahen keinerlei Hinweise darauf.
Tägliches Platzverbot?
Um ähnliche Szenen zu verhindern, verhängte die Wiener Polizei am Samstag ein Platzverbot über den halben Resselpark. Auch für den Arbeitsweg durfte dieser nicht betreten werden, Strafen von bis zu 4.600 Euro drohten. Als sich nachts deswegen mehr Menschen als gewöhnlich am Donaukanal einfanden, wurde auch dieser aufgrund von "Lärmerregungen" kurzerhand gesperrt. Das Platzverbot für den Karlplatz wurde Sonntag um 8 Uhr wieder aufgehoben. "Eine erneute Beurteilung und Gefahreneinschätzung ergab, dass momentan keine Gefährdungen zu befürchten sind."
Am Sonntag kamen erste Gerüchte auf, dass ein Platzverbot nun jeden Tag ab 19 Uhr gelten wird. Dadurch sollen Kirchenbesuche und der Arbeitsweg ungestraft angetreten werden können. Die Polizei bestätigt das auf "Heute"-Anfrage nicht. Eine neuerliche Verhängung sei aber anlassbezogen jederzeit wieder möglich.
Bürgermeister übergangen
Leichte Kritik am Vorgehen der Polizei ließ auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig durchklingen. Das Platzverbot war weder mit ihm, noch mit der Stadt Wien abgestimmt, heißt es dazu aus seinem Büro gegenüber "Heute". "Ich verurteile jede Form von Gewalt. Angriffe auf Polizisten sind nicht entschuldbar. Gewalt ist niemals zu tolerieren", stellt der Wiener Bürgermeister klar. "Das friedliche Miteinander, das unsere Stadt stets auszeichnet, das ist gerade jetzt nach den Herausforderungen der letzten Monate rund um die Pandemie besonders bedeutend und gefragt."
Ludwg setzt hier auf den Dialog, auch in Gesprächen mit der Wiener Polizei. "Jede Form der Polarisierung ist fehl am Platz", so der Bürgermeister. Seinen Appell richtet er insbesondere auch an die politischen Entscheidungsträger: "Wir brauchen eine verantwortungsvolle Politik und Maßnahmen, die das Miteinander unterstützen. Gegenseitiger Respekt und Rücksichtnahme bilden dabei die Grundvoraussetzungen – auch für politische Akteure."
Demos am Sonntag
Orte im Freien, an denen man sich aufhalten kann, ohne Getränke oder Speisen kaufen zu müssen, sind in jeder Stadt Mangelware. Dass diese dann auch noch für junge Menschen gesperrt werden, stößt den Jugendorganisationen besonders sauer auf. Junge Linke und Sozialistische Jugend kündigten für Sonntag deswegen Kundgebungen gegen diese Praxis an.
"Ein Jahr lang mussten wir uns wegen der Unfähigkeit der Chaos-Regierung in überfüllten Schulklassen, Büros und Öffis einer Ansteckung mit Corona aussetzen. Jetzt, wo die Infektionszahlen fast so niedrig wie zu Beginn der Pandemie sind, dürfen wir nicht einmal mehr in weniger gefährlichen Situationen mit Freund:innen das Leben genießen", schreibt etwa die Junge Linke in einer Aussendung.
Ungleichbehandlung
Besonders großen Widerspruch sehen sie in der Ungleichbehandlung im Vergleich zu Corona-Demos. Zigtausende durften im Frühling bei einer Inzidenz von weit über 400 trotz Untersagung ohne Abstand und Masken durch die Straßen ziehen und Passanten attackieren. Aber "wenn junge Menschen jetzt am Karlsplatz ein Bier trinken, bekommen sie Pfefferspray ins Gesicht", so die Junge Linke.
Ab 18 Uhr soll deswegen am Karlsplatz direkt vor der Karlskirche demonstriert werden – eben jener Ort, an dem alles seinen Lauf nahm. "Wir protestieren gemeinsam gegen die Polizei-Schikanen und genießen unseren Karlsplatz den ganzen Abend." Das Tragen einer FFP2-Maske wird empfohlen. Auch antifaschistische Organisationen rufen zur Teilnahme auf.
SPÖ-Jugend
Der inhaltlichen Kritik schließt sich auch die SPÖ-nahe "Sozialistische Jugend" an. "Platzverbote wie am Karlsplatz, oder die Sperrung des Donaukanals sind nichts als bodenlose und populistische Schikanen gegenüber Jugendlichen", sagen Paul Stich, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich (SJ) und Rihab Toumi, Vorsitzende der SJ-Wien. Das "skandalöse Vorgehen der Polizei muss ein Ende haben."
"Anstatt sich sinnvoll zu überlegen, wie konsumfreie Räume mit ausreichend Platz für alle geschaffen werden können, setzen Regierung und Polizei lieber auf Eskalation. Platzverbote und Sperren sind dabei vor allem ein Ausdruck von Strategie-, und Planlosigkeit und lösen das Problem nicht einmal ansatzweise."
Die Junge Generation in der SPÖ Wien fordert gar, dass "Chaosminister Nehammer" die Polizeikompetenz abgeben soll. "Vier durch einen amtsbekannten Terroristen ermordete Menschen, ein durch Rechtsextreme schwer verletzter Wachmann, nicht genehmigte, gesundheitsgefährdende Corona-Demonstrationen, Kinderrechte missachtende Abschiebungen und gefühlte Willkür gegenüber Wiener*innen prägen die bisherige Amtszeit des ÖVP Innenministers Karl Nehammer. Die Junge Generation Wien fordert Sicherheit für Wien und einen Stopp der Schikanen für (junge) Wiener*innen durch die Übertragung der Polizeikompetenz des Bundes an die Länder", heißt es in einer Aussendung.