Streit um "Radikalisierung"
Islam-Unterricht: VP fordert strengere Kontrollen
Die Wiener ÖVP fordert strengere Kontrollen für den islamischen Religionsunterricht, doch die IGGÖ kritisiert dies und betont die integrative Rolle.
In Wien ist eine hitzige Debatte um den islamischen Religionsunterricht entbrannt. Im Zentrum stehen Forderungen von Christian Klar, Schulleiter und ÖVP-Bezirkspolitiker in Floridsdorf, sowie der ÖVP-Politikerin Martina Hammerer. Beide fordern mehr Kontrolle über den islamischen Religionsunterricht, insbesondere in Moscheen, und sehen darin eine potenzielle Gefahr für die Integration bzw. der Radikalisierung muslimischer Kinder. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) weist diese Vorwürfe jedoch entschieden zurück und verteidigt die Rolle des Religionsunterrichts als Brückenbauer zwischen Religion und Gesellschaft.
"Risiko, dass Inhalte nicht unseren Werten entsprechen"
Christian Klar und Martina Hammerer sehen im islamischen Religionsunterricht in Moscheen eine potenzielle Gefahrenquelle, da er oft außerhalb staatlicher Aufsicht stattfinde und teilweise in den Herkunftssprachen der Kinder unterrichtet werde. "Es besteht das Risiko, dass Inhalte vermittelt werden, die nicht den Werten unserer Gesellschaft entsprechen", so Hammerer. Sie fordern daher mehr Transparenz und Kontrolle durch die IGGÖ, um sicherzustellen, dass westliche Werte wie Gleichberechtigung und Toleranz im Unterricht verankert sind.
Die IGGÖ hingegen betont, dass solche Bedenken auf Vorurteilen beruhen und den tatsächlichen Beitrag des islamischen Religionsunterrichts zur Integration verkennen. "Unsere Moscheen sind nicht Orte der Abgrenzung, sondern fördern die Vermittlung von religiösen und gesellschaftlichen Werten, die im Einklang mit der österreichischen Gesellschaft stehen", betont die Glaubensgemeinschaft. Laut der IGGÖ sind die Inhalte, die in Moscheen unterrichtet werden, vielfältig und tragen maßgeblich dazu bei, muslimische Kinder in die österreichische Gesellschaft zu integrieren, ohne ihre religiöse Identität zu verleugnen.
IGGÖ: "Vorurteile und falsche Annahmen"
Die IGGÖ wehrt sich entschieden gegen die Vorwürfe und kritisiert, dass diese Debatte auf ungenügenden Informationen und Vorurteilen basiere. "Solche Forderungen zeugen vor allem von Ignoranz. Wer als 'Experte' auftritt, sollte sich nicht auf selektive Informationen stützen, die das eigene Weltbild bestätigen", so die IGGÖ. Die Glaubensgemeinschaft betont, dass der islamische Religionsunterricht in Österreich im Einklang mit demokratischen und rechtsstaatlichen Werten stehe. "Zahlreiche Positionierungen der IGGÖ belegen die Vereinbarkeit einer muslimischen und gleichzeitig österreichisch-europäischen Identität – und das nicht erst seit gestern!", fügt ein Sprecher hinzu.
Insbesondere die Interpretation des Korans durch Klar wird von der IGGÖ scharf zurückgewiesen: "Die Auslegung und Exegese des Korans, wie sie von Christian Klar, der über keine fundierte und wissenschaftliche Kenntnis der islamischen Theologie verfügt, in seinem Buch präsentiert wird, ist ebenso irreführend wie die vereinfachten Narrative extremistischer Hassprediger."
Bekenntnis zu Menschenrechten gefordert
Ein besonders kontroverser Punkt in der Debatte ist die Forderung von Klar und Hammerer, dass sich die IGGÖ klar von der Kairoer Deklaration der Organisation of Islamic Cooperation (OIC) distanziert. Diese Erklärung wird von einigen als nicht vereinbar mit den universellen Menschenrechten angesehen. Hammerer fordert von der IGGÖ ein eindeutiges Bekenntnis zu den UN-Menschenrechten, um Zweifel an der Rolle der Religion in der österreichischen Gesellschaft auszuräumen.
Die IGGÖ hingegen hält diese Forderung für "völlig absurd" und betont, dass sie als österreichische Institution unabhängig von der OIC agiert. "Eine Analyse der Positionierungen der IGGÖ belegt eindeutig, dass sie stets die UN-Menschenrechte als maßgeblichen Referenzrahmen verwendet", erklärt die IGGÖ. Für die Glaubensgemeinschaft ist die Forderung nach einer Distanzierung von der Kairoer Deklaration ein Zeichen von Unkenntnis über die tatsächliche Rolle der IGGÖ in Österreich.
IGGÖ: Ein Dialog statt einseitiger Forderungen
Die IGGÖ betont, dass sie offen für einen Dialog über die Rolle des Islam in der österreichischen Gesellschaft sei. Allerdings warnt sie vor einseitigen Schuldzuweisungen und einer Verzerrung der Debatte. "Islamische Religionslehrer und die IGGÖ spielen eine wichtige Rolle, um muslimische Schüler in der Gesellschaft zu verankern", heißt es in einer Stellungnahme. Es sei wichtig, die Zusammenarbeit mit Schulen und anderen Institutionen zu stärken, anstatt mit pauschalen Vorwürfen zu arbeiten.
Auch die Forderung von Klar, sich von der Kairoer Deklaration der OIC zu distanzieren, sieht die IGGÖ kritisch. "Wir sind eine österreichische Institution und agieren unabhängig von internationalen Organisationen. Die Behauptung, wir würden uns nicht zu den UN-Menschenrechten bekennen, entbehrt jeder Grundlage", erklärt ein Sprecher.
Islamische Religionslehrer haben "Schlüsselfunktion"
Ein wichtiger Aspekt in der Debatte ist die Rolle der islamischen Religionslehrer. Hammerer sieht in ihnen zentrale Akteure, die muslimische Kinder nicht nur religiös, sondern auch gesellschaftlich prägen. Sie fordert, dass Religionslehrer ihre Verantwortung wahrnehmen und den Schülern westliche Werte wie Gleichberechtigung und Toleranz vermitteln. "Sie haben eine Schlüsselfunktion, um radikale Strömungen zu verhindern und eine offene, demokratische Gesellschaft zu fördern", so Hammerer.
Die IGGÖ betont, dass diese Lehrer bereits heute eine wichtige Rolle in der Bildung spielen: "Guter Religionsunterricht orientiert sich an der Lebensrealität der Schüler und fördert ihr Verantwortungsbewusstsein sowie das soziale Miteinander." Religionslehrer seien Brückenbauer, die komplexe Themen verständlich machen und Vorurteile abbauen können. Die IGGÖ weist darauf hin, dass es gefährlich sei, Religion als alleinige Ursache für gesellschaftliche Probleme darzustellen, und dass viele Forderungen eher populistisch motiviert seien.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Die Wiener ÖVP fordert strengere Kontrollen für den islamischen Religionsunterricht, insbesondere in Moscheen, um potenzielle Gefahren für die Integration und Radikalisierung muslimischer Kinder zu verhindern
- Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) weist diese Vorwürfe zurück und betont die integrative Rolle des Religionsunterrichts sowie die Vereinbarkeit mit demokratischen und rechtsstaatlichen Werten