Neue Phase in Nahost-Konflikt

Iran feuert Raketen nach Irak und Syrien ab 

Iran hat zahlreiche Raketen auf den Nordirak und Nordsyrien abgefeuert - inmitten der ohnehin schon heißen Lage im Nahen Osten.

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Iran feuert Raketen nach Irak und Syrien ab
In Erbil im Irak schlug am Dienstag eine Rakete ein. Sie wurde aus dem Iran abgefeuert.
via REUTERS

Der Iran feuerte am späten Montagabend elf ballistische Präzisionsraketen auf die Hauptstadt der autonomen Kurdenregion Iraks ab. Die Explosionen waren in ganz Erbil zu hören und versetzten die Einwohnerinnen und Einwohner in Angst. Das irakische Aussenministerium bezeichnete den Angriff als völkerrechtswidrig und zog aus Protest den irakischen Botschafter aus Teheran ab.

Zunächst wurde befürchtet, dass das neue US-Konsulat oder der amerikanische Truppenstützpunkt am internationalen Flughafen von Erbil angegriffen wurden. "Wenn das stimmt, ist es übel", tweetete der Politologe Carlo Masala noch spät. Er war nicht der Einzige, der mit Blick auf die aufgeheizte Lage im Nahen Osten kurz in Aufregung ausbrach. Nicht auszudenken, sollte der Iran jetzt auch noch direkt US-Ziele angreifen.

Tatsächlich schlugen die Raketen in einem wohlhabenden Viertel von Erbil nahe des US-Konsulats ein. Ihr Ziel sei ein "Zentrum des israelischen Geheimdienstes Mossad" in Erbil gewesen, erklärten die iranischen Revolutionsgarden IRGC am Dienstag. Dieses sei "für die Planung und Durchführung von Spionageoperationen und terroristischen Aktivitäten in der Region verantwortlich" gewesen.

Nicht die erste Attacke

Die Raketen trafen das Haus des Geschäftsmannes Peshraw Dizayee, einem bekannten Immobilienmogul aus Erbil und Eigentümer der Sicherheitsfirma Falcon Group, dem iranische Medien Verbindungen zu Israel nachsagen. Dizayee und drei Familienangehörige starben, sechs weitere Zivilisten wurden verletzt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Teheran Erbil mit der gleichen Begründung angreift: Als im März 2022 zwölf Fateh-110-Raketen in der Villa von Geschäftsmann Baz Karim Barzanji einschlugen, machte der Iran ebenfalls geltend, "strategische Zentren" Israels in der kurdischen Hauptstadt zerstört zu haben.

Beobachtern zufolge geriet der einflussreiche Unternehmer Barzanji aber eher ins iranische Visier, weil Teheran einen geplanten Gasdeal der irakischen Kurdenregion mit der Türkei und Europa sabotieren wollte.

Die Angriffe gegen Syrien

In Syrien wurde die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in der Provinz Idlib attackiert. Vier iranische Raketen vom Typ Cheibar flogen laut den iranischen Revolutionsgarden gegen IS-Stellungen aus Rache für den verheerenden Anschlag in der iranischen Stadt Kerman Anfang Jänner. Zum Auftakt einer weltweiten Terrorkampagne hatte sich der IS dazu bekannt.

Die IRGC teilten zudem mit, dass die jüngsten Angriffe auch Vergeltung für die Tötung eines ranghohen Generals in Damaskus sei, für die der Iran Israel verantwortlich macht. Mit einer Strecke von mehr als 1.200 Kilometern handelt es sich bei dem Angriff um die bisher weitreichendste Raketenoperation des Irans. Dies dürfte ein klares Signal an den Erzfeind Israel sein. Es wäre in etwa die gleiche Entfernung, die Raketen vom Westen des Landes aus benötigen, um Tel Aviv oder Jerusalem zu erreichen.

Wieso ist das wichtig?

Die Raketenangriffe von iranischem Boden auf Ziele in Syrien und im Irak markieren eine neue Dimension des Konflikts in Nahost. Gleichwohl sehen die meisten Experten keine neue Eskalation – zurzeit zumindest.

"Die Iraner haben wiederholt erklärt, dass sie nicht an einer Eskalation des Konflikts interessiert sind. Aber ich denke, solange der Konflikt in Gaza andauert, werden wir weiter solche Aktionen sehen", so Sina Azodi von der George Washington University. "Meine größte Sorge ist, dass es bei einem dieser Angriffe Opfer geben könnte, auch in den USA, was die Vereinigten Staaten zu einer Reaktion zwingen würde, und dann könnte es eskalieren, ohne dass irgendjemand wirklich einen Krieg will."

Schattenkrieg

Analysten zufolge erlebt die Welt gegenwärtig einen gefährlichen Schattenkonflikt zwischen den USA, Israel und dem Iran. Teherans Führung hatte die Attacke der islamistischen Hamas vom 7. Oktober auf Israel als Akt des Widerstands gelobt, eine direkte Verstrickung aber zurückgewiesen.

Gleichzeitig greifen mit dem Iran verbündete schiitische Milizen sowohl im Irak als auch in Syrien fast täglich US-Stützpunkte an. Der Iran bekräftigt, keine Befehle zu erteilen, diese Gruppen würden autonom agieren.

Allerdings sind nichtstaatliche Verbündete für Irans Machterhalt wichtig, weil der erklärte Erzfeind Israel stärker in die Region hineinwächst. So haben Bahrain, Marokko und die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Beziehungen mit Israel in den vergangenen Jahren normalisiert. Auch Saudiarabien hat Interesse an einer Einigung.

Auch Ziele in Pakistan angegriffen
Der Iran hat am Dienstag auch Ziele im Nachbarland Pakistan mit Drohnen und Raketen angegriffen. Die Attacke habe der islamistischen Separatistengruppe Dschaisch al-Adl gegolten, hiess es aus Teheran. Zwei wichtige Stützpunkte der Extremisten seien zerstört worden.
Die sunnitische Gruppe hatte im Südostiran mehrere Anschläge für sich reklamiert. Dschaisch al-Adl kämpft nach eigenen Angaben für Unabhängigkeit in der iranischen Provinz Sistan und Belutschistan. Die meisten Bewohner der Provinz folgen der sunnitischen Strömung des Islam, im Gegensatz zur schiitischen Staatsreligion. Immer wieder gibt es Konflikte zwischen den beiden islamischen Strömungen. Die USA und der Iran haben die Gruppe als Terrororganisation eingestuft. 

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