"Nach 10 Geiseln ist Schluss"
Insider: Netanjahu will Geisel-Deal platzen lassen
Nach der ersten Geisel-Freilassung seit Ende 2023 ist Israel im Freudentaumel. Doch das Schicksal der restlichen 95 Geiseln hängt erneut in der Luft.
Laut Insidern will Israels Premier Benjamin Netanjahu (74) den Deal platzen lassen, um an der Macht zu bleiben. Zu einer Phase zwei wird es nicht kommen, ist der Polit-Experte Amir Tibon von der israelischen Tageszeitung Haaretz überzeugt – und beruft sich dabei auf Vertraute von Netanjahu sowie seinem Koalitionspartner Bezalel Smotrich (44).
Geisel-Freilassung in drei Phasen
Der aktuell ausverhandelte Deal zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas sieht einen Drei-Stufen-Plan vor. In der ersten Phase, die eigentlich am Samstag beginnen hätte sollen, aber wegen Verzögerungen erst am Sonntag startete, sollen 33 Geiseln freigelassen werden. Nach Romi Gonen (24), Emily Damari (28) und Doron Steinbrecher (31) sollen schon am kommenden Samstag (25. Jänner) vier weitere Geiseln freikommen. Deren Namen sollen einen Tag vorher bekannt gegeben werden. Unter den 33 Geiseln befindet sich auch der Österreicher Tal Shoham. Wann genau er freikommen soll, ist allerdings nicht bekannt.
30 Palästineser pro Geisel
Pro israelischer Geisel muss Israel 30 palästinensische Häftlinge freilassen – was Israel bereits getan hat. 90 Palästinenser kamen noch Sonntagnacht frei. Mit der schrittweisen Freilassung israelischer Geiseln will die Hamas sicherstellen, dass sich Israel an die Waffenruhe im Gazastreifen hält. Nach der Freilassung der 33 Geiseln in Phase 1 sollen die Details zur Freilassung der letzten 65 israelischen Geiseln ausverhandelt werden.
Deal droht zu platzen
Doch israelische Polit-Experten machen sich bereits große Sorgen, ob überhaupt Phase 1 bis zum Ende durchgezogen wird. Und die Verhandlungen über die Details von Phase Zwei beginnen erst in 15 Tagen – ob es dazu kommen wird, ist nun abermals fraglich.
Vertraute von Premier Netanyahu haben bereits durchklingen lassen, dass er nicht beabsichtige, den Deal bis zum Schluss einzuhalten. Zu groß ist der Druck seitens seiner rechtsextremen Koalitionspartner.
Insider: "Nach zehn Geiseln ist Schluss"
In einem TV-Kommentar des israelischen Journalisten Amit Segal, der für den Netanjahu-nahen Sender N12 arbeitet, rechnet dieser damit, dass der Deal nach der Freilassung von zehn Geiseln platzen werde. Denn Netanjahu habe seinem Koalitionspartner Smotrich, der auch Finanzminister ist, versprochen, den Krieg in Gaza wieder aufzunehmen – wie Politik-Analyst Amir Tibon in der Online-Ausgabe der israelischen Tageszeitung Haaretz zusammenfasste. Der gut vernetzte Segal habe seine Informationen direkt aus Gesprächen mit Netanjahu und Smotrich erhalten, berichtet Tibon. Laut dem Sender N12 sei das Waffenstillstandsabkommen nur "vorübergehend".
Netanjahu könnte daher versuchen, die Verhandlungen für Phase zwei so lange hinauszuzögern, bis sie platzen – oder er findet einen Vorwand für einen neuen Militäreinsatz in Gaza, schreibt Tibon. Netanjahu steht aber auch unter massivem Druck der USA, die unter Donald Trump sichtbare Fortschritte im Nahost-Konflikt erzielen will. Nach Trumps Vorstellung müsse der (schiitische) Iran weiter isoliert werden – dazu müsse sich Israel jedoch mit seinen (sunnitischen) Nachbarländern wie Saudi-Arabien verbünden, was durch den Gaza-Krieg sabotiert wurde.
Koalitionspartner wollen Gaza annektieren
Es geht dabei um ganz grundsätzliche Meinungsunterschiede über die Zukunft von Gaza und dem Westjordanland. Während Netanjahu eher einen pragmatischen Kurs bevorzugt, geht es seinen rechtsextremen Koalitionspartnern um eine Ausweitung israelischer Siedlungsgebiete mit dem Ziel eines "Groß-Israels". Smotrich spricht offen davon, eine Million Palästinenser aus dem Gazastreifen vertreiben und dort jüdische Siedlungen errichten zu wollen. Sollte es eine Phase 2 geben, werde er die Regierung verlassen, habe er laut Amit Segal klar gesagt. Netanjahu habe ihm daher versprochen, dass das nicht passieren werde, so Segal.
Netanjahu im Würgegriff seiner Koalitionspartner
Netanjahu, der von der Zivilgesellschaft und Opposition unter massivem Druck steht, die Geiseln lebend zurückzuholen, befindet sich in einem politischen Spagat, den er unmöglich durchhalten kann. Entweder opfert er das Leben der Geiseln, um an der Macht zu bleiben – oder er hält sich an das auf Druck der USA ausgehandelte Abkommen mit der Hamas, bringt alle lebenden Geiseln zurück und Israel geht in Neuwahlen, bei denen er deutliche Verluste zu befürchten hat.
Hält der Deal, platzt die Regierung
Nach dem Austritt von Innenminister Itamar Ben-Gvir am Sonntag verfügt Netanjahus Koalition nur noch über eine Mehrheit von 62 der 120 Sitze in der Knesset. Ben-Gvir trat bekanntlich aus Unzufriedenheit über den Geiseldeal zurück, da er auf keinen Fall die Freilassung palästinensischer Terroristen akzeptieren wollte.
Tritt auch Smotrich aus der Koalition aus, ist Netanjahus Regierung am Ende. Smotrichs Religiös-Zionistische Partei hält 7 Sitze in der Knesset. Ohne sie käme Netanjahus Kabinett nur noch auf 55 von 120 Sitzen.
Netanjahu klammert sich an Amt
Netanyahu ist seit 2019 in drei Fällen wegen Korruption, Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit angeklagt. Dabei geht es um Geschenkannahmen durch Großunternehmer und geheime Abkommen mit den Medien "Yedioth Achronoth" und "Walla!" über positive Berichterstattung im Austausch für höhere Medienförderungen oder andere finanzielle Zuwendungen durch den Staat.
Er nutzte seine bisherige Amtszeit geschickt dazu, die Prozesse zu verzögern und zu behindern. Kritiker werfen ihm vor, auch den Gaza-Krieg bewusst in die Länge gezogen zu haben, um den Fokus der Opposition auf den äußeren Feind zu lenken. Nach Dutzenden Großdemonstrationen in den letzten zwei Jahren ist das Land tief gespalten. Netanjahu selbst nennt die Ermittlungen und Prozesse gegen ihn ein "politisches Komplott" und weist sämtliche Vorwürfe zurück.
Sollte seine Regierung platzen, verlöre Netanjahu seien politische Immunität. Die drei Prozesse könnten schneller fortgeführt werden. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm mehrere Jahre Haft und hohe Geldstrafen.
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Auf den Punkt gebracht
- Nach der ersten Geisel-Freilassung in Israel seit Ende 2023 steht das Schicksal der restlichen 95 Geiseln auf der Kippe, da Premierminister Benjamin Netanjahu laut Insidern den Deal platzen lassen will, um seine Macht zu sichern.
- Polit-Experten befürchten, dass es keine Phase zwei der Freilassungen geben wird, da Netanjahu unter dem Druck seiner rechtsextremen Koalitionspartner steht, den Krieg in Gaza wieder aufzunehmen.