Niederösterreich
Hungerstreik! Häftling (24) fürchtet Giftmord im Häfen
Dragan S. sitzt nach einem Mordversuch in Haft, wurde nach Sonnberg verlegt. Seine Mutter schlägt Alarm: "Mein Sohn fürchtet um sein Leben."
Die Mutter (50) sowie der Vater (55) von Dragan S. (24) aus Niederösterreich sind tief besorgt und langsam verzweifelt: "Mein Sohn wurde von Garsten nach Sonnberg verlegt in der vorletzten Aprilwoche. Er vertraute sich mir an: Er ist sich sicher, vergiftet oder getötet zu werden. Wir kämpfen um eine Verlegung, bisher erfolglos. Seit Freitag ist mein Dragan im Hungerstreik", schildert die Angestellte.
Der Wunsch bzw. Appell der 50-jährigen Österreicherin mit serbischen Wurzeln mag auf den ersten Blick womöglich überfürsorglich bis hysterisch wirken, bei genauerer Betrachtung der Vorgeschichte sind die Ängste des 24-Jährigen und dessen Eltern mitunter besser verständlich.
Schüsse auf Autolenker
Der 24-jährige Boxer und Berufs-Security, einst über 100 Kilogramm Körpergewicht bei zwei Meter Körpergröße, hatte Mitte August 2018 eine blutige Auseinandersetzung mit Tschetschenen. Der damals 21-Jährige war in der Wohnung seiner Großmutter in Wien Blumen gießen und fuhr dann mit deren Auto auf ein Eis mit einem Bekannten zu einem Salon in Wien-10. Dabei kam es zu einer Reiberei mit einem anderen Autolenker. Dragan S. sowie der andere Lenker und dessen Beifahrer sprangen aus dem Wagen.
Nach einigen, wechselseitigen Drohungen zückte Dragan S. eine illegale Pistole und drückte elf Mal ab. Das Opfer wurde drei Mal getroffen, lag eine Woche auf der Intensiv und mehrere Wochen im Krankenhaus - mehr dazu hier und hier. Der junge Serbe flüchtete in ein Kloster in seiner Heimat, wurde wenige Wochen später bei der Einreise nach Österreich unter falschem Namen festgenommen und wegen Mordversuches vor Gericht gestellt.
Beim Prozess am Wiener Landl hatte Dragan S. (der bei Schussabgabe zwei Monate über 21 Jahre war, relevant für Strafhöhe, Anm.) zunächst zehn, dann zwölf Jahre ausgefasst.
Verlegung nach Sonnberg
Dragan S. saß anfangs in der Justizanstalt Josefstadt, dann in der Justizanstalt Garsten (OÖ). "Über drei Jahre saß er ohne ein Problem unauffällig seine Strafe ab. Wir suchten um eine Verlegung in den Osten Österreichs an. Wir besuchen Dragan oft und Garsten ist von Vösendorf nicht ums Eck", erklärt die Mutter von Dragan.
Tipp: "Du wirst sterben in Sonnberg"
Doch statt - wie gewünscht - nach Simmering oder Hirtenberg, kam Dragans S. über Korneuburg in die Justizanstalt Sonnberg (Bezirk Hollabrunn). "Da lief einiges schief. Im Akt steht, er habe eine Nacht in Wien und nicht wie in Wahrheit in Korneuburg verbracht und dann kam er eben nach Sonnberg, wo hauptsächlich Sexualstraftäter sitzen", so die 50-Jährige. Dragan S. bekam vor der Verlegung einen Tipp eines Insassen oder Beamten, dass er in Sonnberg höllisch aufpassen müsse, weil man ihn vergiften wolle.
"Mein Sohn bat um eine Einzelzelle, diese wurde ihm nicht gestattet, schließlich begab sich der 24-Jährige freiwillig in Absonderungshaft, weil er Todesangst hat", berichten die Eltern. Eine Aussprache mit einem fünfköpfigen Team von Sonnberg verlief laut Mutter fruchtlos. "Die Missstände wurden in einem gemeinsamen Brief ans Justizministerium skizziert, den ich in Freiheit absandte.
Hungerstreik
Seit Freitag, 13. Mai 2022, ist der 24-Jährige jetzt im Hungerstreik und im Hausarrest. "Der Hausarrest wurde nur verhängt, weil er den Brief nicht zurückgezogen hat bzw. ihn zurückziehen ließ", meint die Mutter, die jetzt mit ihrem Sohn nicht mal mehr telefonieren kann.
Mittlerweile wiegt das einstige Muskelpaket nur noch 90 Kilogramm. "Mein Sohn ist orthodox, will am Mittwoch und Freitag auf Fleisch verzichten. Nicht mal das wurde ihm gewährt, obwohl es sehr wohl ausreichend Kost für Andersgläubige gibt", sagt die Mutter, die überzeugt ist: "Mein Sohn ist in Gefahr und keiner glaubt uns und tut etwas. Klar ist auch, dass mein Sohn einen schweren Fehler 2018 gemacht, den er jetzt büßt. Wir stehen felsenfest hinter unserem Bub, hätten sogar schon einen Job für ihn in Freiheit."
Zorn der Community
Auch die Eltern sollen den Zorn der Community aus dem Umkreis des Opfers immer wieder spüren: "Letzte Woche wurde wieder unser Auto demoliert. Die Community will die Schüsse einfach rächen", glaubt die Mutter.
Prüfung läuft laut BMJ
Eine Sprecherin des Justizministeriums dazu: "Es kann bestätigt werden, dass die an Sie gesendeten Vorbringen als Beschwerde in der Generaldirektion eingegangen sind und derzeit einer Prüfung unterzogen werden. Ebenfalls geprüft wird dabei ein Ansuchen auf Vollzugsortsänderung. Eine Sicherheitsgefahr liegt nach derzeitigem Stand nicht vor."
Die Sprecherin weiter: "Es kann ebenso bestätigt werden, dass sich ein Insasse in der Justizanstalt Sonnbergt seit 13. Mai im Hungerstreik befindet. Zur Sicherstellung der Gesundheit wird diese Person jeden Tag von medizinischem Fachpersonal kontrolliert. Darüber hinaus ist die Chefärztin der Generaldirektion in den Fall eingebunden. Allgemein können wir informieren, dass Strafgefangene in einfachen und zweckmäßigen eingerichteten Räumen unterzubringen sind. Es besteht kein subjektives Recht auf Einzelunterbringung. Des weiteren sind Strafgefangene mit einfacher Anstaltskost ausreichend zu verpflegen. Dahingehend bestehen weiterführende erlassmäßige Vorgaben für die Justizanstalten.
"Darüber hinaus ist beispielsweise auf das dem Glaubensbekenntnis der Strafgefangenen entsprechenden Speiseangebot Rücksicht zu nehmen. In diesem Sinne wird in den Justizanstalten neben vegetarischer Kost auch rituelle Kost angeboten", erklärt die BMJ-Sprecherin.
"Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Justizanstalten sind Strafgefangene auch in der Freizeit und Ruhezeit in den ihnen zum Aufenthalt zugewiesenen Räumen unvermutet zu beobachten und aufzusuchen. Zu diesem Zweck können diese Räume auch während der Nachtruhe vorübergehend beleuchtet werden und sind zu durchsuchen. Verhält sich ein Strafgefangener nicht entsprechend den Vorgaben des Strafvollzugsgesetzes kann darin eine Ordnungswidrigkeit begründet sein. Gegebenenfalls können Ordnungsstrafen verhängt werden. Als Strafen für Ordnungswidrigkeiten kommen die in § 109 StVG genannten Maßnahmen in Betracht. Darunter befindet sich auch der sogenannte Hausarrest. Während der Zeit des Hausarrestes ist der Strafgefangene grundsätzlich in einem besonderen Einzelhaftraum anzuhalten und ihm sind neben etwaigen Vergünstigungen auch bestimmte Rechte entzogen. Gespräche mit seinem Rechtsbeistand sind dem Insassen jedoch nicht untersagt. Diese können auf sein Ersuchen weiterhin stattfinden", so die Sprecherin abschließend.