Soldatenmangel
In der Ukraine werden langsam die Kämpfer knapp
Im Kampf gegen Russland fehlen der Ukraine Soldaten. Zehntausende Männer entziehen sich laut Schätzungen dem Kriegsdienst.
Zu Beginn des russischen Angriffskriegs vor zwei Jahren strömten ukrainische Männer in Scharen zu Rekrutierungszentren im ganzen Land, um freiwillig zur Verteidigung ihres Landes in den Kampf zu ziehen. Dieser Pflichteifer hat inzwischen nachgelassen. Viele Männer entziehen sich ihrer Einberufung, indem sie sich zu Hause verstecken oder versuchen, dem Kriegsdienst mit Schmiergeld zu entkommen.
Doppelt so viele russische Kämpfer
Nach zwei Kriegsjahren hat Russland heute ein Viertel der Ukraine unter Kontrolle, und zwischen den Streitkräften beider Seiten entlang der 1.000 Kilometer langen Front herrscht praktisch Stillstand. Ukrainische Befehlshaber beklagen, dass ihre Armee zu klein sei und aus zu vielen erschöpften und verwundeten Soldaten bestehe.
Die drängendste und politisch sensibelste Herausforderung des Landes besteht darin, genug neue Soldaten aufbieten zu können, um einen Feind mit deutlich mehr Kämpfern in der Hinterhand zurückzuschlagen.
Die Bevölkerung Russlands ist mehr als dreimal so groß wie die der Ukraine, und Präsident Wladimir Putin hat sich bereit gezeigt, Männer in den Kampf zu zwingen, wenn sich nicht genug Freiwillige finden. Laut Schätzungen kämpfen an der Front derzeit 300.000 ukrainische Soldaten und weitere andernorts. Nach Angaben Putins befinden sich doppelt so viele russische Kräfte in der Ukraine.
Bei Verweigerung drohen Ausreiseverbot und Bankkontensperrung
Der Mangel an Soldaten ist nicht die einzige Schwierigkeit der Ukraine – sie ist auch dringend auf westliche Militärhilfen angewiesen, die mit Dauer des Kriegs schwerer zu bekommen sind. Aber die Mobilisierung von Soldaten ist ein Problem, das nur Kiew lösen kann. Das Parlament prüft derzeit ein Gesetz, das den potenziellen Pool an Rekruten um etwa 400.000 vergrößern würde, unter anderem durch die Absenkung des Einberufungsalters von 27 auf 25.
Wer den Kriegsdienst verweigert, könnte mit Strafen wie einem Ausreiseverbot und der Sperrung von Bankkonten belegt werden. Doch der Gesetzesentwurf ist sehr unpopulär. Selbst Präsident Wolodimir Selenski hat noch nicht öffentlich seine Unterstützung dafür ausgesprochen.
Weil es nicht genug neue Rekruten gibt, bekommen die Soldaten an der Front zwischen ihren Diensten nicht mehr ausreichend freie Zeit. Viele sind erschöpft und verletzungsanfälliger. Wenn neue Rekruten kommen, sind es nach Angaben von Soldaten und Kommandeuren zu wenige, die zudem zu schlecht ausgebildet und oft zu alt sind.
Befehlshaber sagten in AP-Interviews, sie hätten zu wenig Soldaten, um Offensiven zu starten, und kaum genug, um inmitten zunehmender russischer Angriffe Positionen zu halten. Brigaden von 3.000 bis 5.000 Soldaten kämpfen typischerweise mit nur 75 Prozent ihrer vollen Stärke, wie es aus Parlamentskreisen heißt.