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"Immortals of Aveum" im Test – "Call of Duty" auf Magie
"Immortals of Aveum" tauscht Maschinengewehr gegen Magie – und für ein Werk eines kleinen Teams kann sich das Zauber-"Call of Duty" sehen lassen.
"Immortals of Aveum" ist zwar das Erstlingswerk der Entwickler Ascendant Studios mit überschaubar großem Team, dass der First-Person-"Shooter" mit magischem Einschlag aber nicht übersehen werden darf, zeigt schon die Liste der Namen dahinter. Gegründet von Sledgehammer-Games-Kreativdirektot Bret Robbins, holte sich das Studio einige Telltale-Größen an Bord und engagierte außerdem "Elder Scrolls"-Legende Michael Kirkbride als Hauptautor. Und so überrascht es auch nicht, dass "Immortals of Aveum" (neu für PC, PlayStation 5 und Xbox Series X|S) gute Gameplay-Figur macht, auch wenn das Konzept, bei einem Shooter Maschinengewehre gegen Magie zu tauschen, anfangs etwas gewöhnungsbedürftig ist.
Die Handlung von "Immortals of Aveum" ist fantastisch: Protagonist Jak schlägt sich in einer düsteren Welt eigentlich als Teil einer kriminellen Bande durch, als es zur Katastrophe kommt – die aber auch nicht nur eine, sondern gleich drei magische Kraftformen in ihm entfesselt. Weil das bei einer Person äußerst selten ist, soll Jak einem elitären Orden aus Kampfmagiern beitreten und wird vom Reich Lucium in der Zauberei unterrichtet. Diese soll er fortan ebenfalls als Magier gegen den Feindes-Anführer Sandrakk des und seiner Schergen des Gebiets Rasharn einsetzen. Was die Story an überraschenden Momenten und Tiefgang vermissen lässt, wird von viel Humor und liebevoll detailliert umgesetzten Figuren aufgewogen.
Magie-Klassen statt Waffen-Gattungen
Kinoreif sind dagegen die Videosequenzen ausgefallen, die grafisch eine Augenweide sind und auch musikalisch und sprecherisch perfekt vertont wurden. Ein erster Patch hat auch bereits einige Fehler bei sich nicht zur Sprache bewegenden Lippen zu einem großen Teil behoben. Das eigentliche Highlight des Spiels ist aber das Gameplay, in dem es im Verlauf des rund 20 Spielstunden dauernden Titels über zwei Dutzend Zaubersprüche zu lernen gibt. Diese unterteilen sich in "Immortals of Aveum" in die drei Kategorien Chaosmagie (rot dargestellt), Kraftmagie (blau) und Lebensmagie (grün). Die Kategorien sind dabei vergleichbar mit den Waffenkategorien klassischer First-Person-Shooter, wie etwa einem "Call of Duty"-Game.
Chaosmagie ist das Gegenstück zu Nahkampfwaffen, sie richtet massiven Schaden an Feinden in der direkten Umgebung an. Kraftmagie wiederum ersetzt die Fernkampfwaffen und kombiniert einzelne Attacken mit großer Reichweite. Und die Lebensmagie bietet neben verschiedenen Arten der Heilung auch das magische Pendant zu einem Maschinengewehr mit schnellen Zaubersalven. Je nach Gegnertyp ist der Einsatz einer anderen Magie-Art sinnvoll, wobei deren Einsatz beeindruckende Kombos ermöglicht – auch aus Fernkampf-Angriffen mit gezielten Schüssen, einem Heranstürmen an den Feind mit wilden Magie-Salven und dem letztlichen Einsatz einer magischen Peitsche, um dem Feind den Rest zu geben.
Rollenspiel-Elemente statt Deckungs-Gameplay
Auch die klassischen Shooter-Rezepte funktionieren in der Magie-Welt: bei Kopftreffern knicken die Gegner schneller ein als bei Körpertreffern, gegnerischen Attacken wird per Dash und Doppelsprung ausgewichen und kommen wir nah genug an die Gegner heran, dürfen wir sie direkt mit Zauberwaffen statt nur mit magischen Sprüchen beharken. Schlüssel zum Erfolg ist auch ein magischer Schild, mit dem wir Attacken abwehren können, ohne selbst mit unseren Angriffen aufhören zu müssen – allerdings werden bei aktiviertem Schild die Bewegungsmöglichkeiten weit eingeschränkter und das Schild kann auch nur eine bestimmte Schadensmenge einstecken, bevor wir wieder schutzlos sind. Taktik ist in "Immortals of Aveum" wichtig.
Sämtliche Magie-Effekte und Kombos spielen sich nicht nur superflüssig, sondern wurden auch mit spektakulären Effekten unterlegt, was das Game zu einem optisch opulenten Titel macht. So weit, so "Call of Duty". Anders als in der Shooter-Vorzeigereihe spielt aber Deckungs-Gameplay in "Immortals of Aveum" fast keinerlei Rolle. Dieser Aspekt wurde jedoch gegen einen starken Rollenspiel-Anteil getauscht, der perfekt in die Fantasy-Welt passt. So müssen wir Truhen nach Schätzen durchforsten (die nicht immer leicht sichtbar und manchmal wegen eines sehr engen Auslösungsbereichs auch sehr schwer zu öffnen sind), unsere Zauberkraft mit Tränken immer wieder auffrischen und zahlreiche Talente unserer Figur freischalten.
Allzu viel Tiefgang bieten die Mechaniken nicht
Mit durch Abschüsse erspielten Punkten lassen sich rund 80 Talente in einem Fähigkeitenbaum freischalten, der die Talente in die drei Magie-Klassen unterteilt. Im blauen Magie-Zweig lässt sich etwa ein Scharfschützen-Talent freischalten, das den Schaden von kritischen Treffern am Kopf drastisch erhöht. Im grünen Magie-zwei wiederum können nicht nur neue Arten zur Heilung gefunden werden, sondern es kann auch die Kraft von Schaden-über-Zeit-Zaubern gesteigert werden. Und im roten Zweig kann mit einem der stärksten Talente im Spiel überhaupt ein feindliches Schild mit nur einem Nahkampfangriff pulverisiert werden, während es im Normalfall mehreren, sogar stärkeren, Zaubern unseres Protagonisten standhalten kann.
Jak schaltet nach kurzer Spielzeit auch sein Inventar frei, in dem Spieler dann Sigillen, Totems, Ringe und Armschienen verwenden und aufwerten dürfen. Ausrüstung findet sich zuhauf in der Spielwelt, besondere Teile können dagegen bei Händler gekauft oder bei Schmieden hergestellt und verbessert werden. Dazu sind eher rar gesätes Gold und Essenzen notwendig, die man sich meist aber besser für spätere und stärke Ausrüstungsteile aufspart. Angst davor, in einen Rollenspiel-Giganten wie "The Elder Scrolls" abzutauchen, müssen Shooter-Fans aber nicht haben, denn sowohl Talente, als auch Ausrüstungen, bieten zwar etwas Abwechslung, sind aber leicht verständlich und kommen ohne Tiefgang aus.
"Immortals of Aveum" im Test – "Call of Duty" auf Magie
Lange Vergleiche von Status- und Schadenswerten kann man sich in "Immortals of Aveum" sparen, wichtiger ist es da schon, die Unterklassen der Zauber und ihre Eigenheiten wie Abklingzeiten und Manabedarf (die "Munition" des Spiels) zu lernen, um sie für die schnellen Gefechte zu verinnerlichen. Verwandlungszauber wie "Wimpernschlag" etwa teleportieren uns blitzschnell einige Meter aus einer Angriffszone – dafür muss man aber immer kurz warten, bis sie sich aufgeladen haben. Andere Magie wie Herrschaftszauber richten wiederum enormen Schaden an, verbrauchen aber Massen an Mana und erfordern enorme Abklingzeiten. Angriffszauber wiederum können per Sigille getauscht und ohne Mana genutzt werden.
Das (übrigens reine Singleplayer-)Game bietet zudem ein Erlebnis für Neulinge wie Experten anhand seiner drei gut abgestimmten Schwierigkeitsgrade. Die Spielwelt selbst ist recht linear und begrenzt ausgefallen, bietet aber immer wieder einige erkundbare Areale, die meist aber leider recht leblos wirken und denen die Details einer Fantasy-Spielwelt fehlen. Will man eine Schwäche ausmachen, so ist es am ehesten wohl die Spielwelt, die ruhig etwas belebter hätte ausfallen dürfen. Und ja, mehr Kritik gibt es am ungewöhnlichen Shooter gar nicht! "Immortals of Aveum" ist ein "Call of Duty" auf Magie, das mit eigenen Ideen und einem tollen Fantasy-Universum punktet und dabei auf eine Prise Rollenspiel nicht vergisst.