Wirtschaft
Im "Tankhimmel" der Alpen kostet Benzin nur 1,50 Euro
In einem kleinen Alpendorf finden Autofahrer wohl derzeit den Himmel auf Erden: Im "Zollfreiparadies" Samnaun kostet der Liter Benzin nur 1,50 Euro.
Ein kleines Alpen-Dorf an der Grenze zu Österreich sorgt in Zeiten der extremen Teuerung für Schlagzeilen. Samnaun hat 800 Einwohner, fünf Tankstellen und vor allem eines: billigen Sprit. Während in Österreich dank der neuen CO2-Steuer die Preise für Kraftstoffe wieder in die Höhe geschossen sind, fließt in Samnaun der Liter Benzin um extrem günstige 1,509 Euro pro Liter in den Fahrzeugtank. Diesel kommt auf 1,652 Euro pro Liter.
Zum Vergleich: der Liter Super 95 kostet in Wien an der billigsten Tankstelle satte 1,717 Euro, bei Diesel sind es horrende 1,969 Euro. Das sind 21 bzw. 30 Cent Unterschied – pro Liter! Auf eine Tankfüllung von 55 Litern gerechnet, brennen die Hauptstadtbewohner 11,55 bzw. 16,50 Euro mehr...
Kein Wunder, dass es alle, die irgendwie in Reichweite leben, zum Tanken nach Samnaun zieht und neben den Autos auch gleich Kanister und andere Behälter blattlvoll gefüllt werden.
Zollausschlussgebiet
"Tanktourismus gibt es generell zwischen grenznahen Regionen. Samnaun ist aber sehr speziell, da es sich um ein Zollfreigebiet handelt und man dort natürlich mit ganz besonders tiefen Preisen arbeitet", sagt der Schweizer Tourismusforscher Frieder Voll im Gespräch mit dem "Focus".
Die Gemeinde war bis vor 110 Jahren nämlich nur über österreichisches Staatsgebiet erreichbar und erhielt deshalb den Status eines Zollausschlussgebiets verliehen. Das änderte sich auch nicht, als der Ort 1912 durch eine neue Straße auch mit dem Rest des Kantons Graubünden verbunden wurde. Deshalb gibt es auch heute noch keine Mineralöl-Abgaben.
Image-Wandel notwendig?
Im "Tankhimmel" der Alpen profitieren die Einwohner vom regen Tank-Tourismus der Österreicher und auch Deutschen. 1,5 Millionen Euro casht die Gemeinde derzeit noch jährlich an Gewerbesteuern durch den Treibstoffhandel. Doch könnten die Kassen in Zukunft deutlich weniger klingeln, das Geschäftsmodell scheint bald an seine Grenzen zu stoßen.
Arno Jäger, ehemaliger Gemeindevorstand und Dorfhistoriker, prophezeite gegenüber dem "SRF" einen massiven Einbruch durch die Verkehrswende. Mit einem E-Auto müsse man schließlich nicht in ein abgelegenes Bergdorf kurven, um beim Tanken ein paar Euro zu sparen. Auch der Online-Shopping-Boom hat den ansässigen Duty-Free-Geschäften bereits schwer geschadet.
Tourismusforscher Frieder Voll ist aber sicher, dass Samnaun mit einem neuen Anstrich einer ebenso wohlhabenden Zukunft entgegenblicken wird können. Dank der Höhenlage sei die Gemeinde schneesicherer als andere Skigebiete. Wintersportler könnten zudem die angeschlossene riesige Silvretta-Arena nutzen. Auch im Sommer-Tourismus will man künftig punkten, ein 5-Sterne-Hotel ist gerade im Entstehen. Das Paradies für Sparfüchse könnte sich also in den kommenden Jahren zu einem Refugium für gut betuchte Urlauber wandeln.