Schauriges Geheimnis
Im Bodensee schwimmen noch mehr als hundert Leichen
Die Wasser des Bodensees sind tief – viele tödlich Verunglückte tauchen nie mehr auf. Laut Polizei gelten mehr als 100 Personen als im See vermisst.
Wer im Bodensee baden geht, ist niemals alleine. Denn jedes Jahr ertrinken zahlreiche Menschen in dem riesigen Binnengewässer. Viele werden geborgen, doch einige der tödlich Verunglückten verschwinden, ohne wieder aufzutauchen.
Seit 1947 führen die drei Anrainerstaaten Österreich, Deutschland und die Schweiz ein gemeinsames Register, um im Notfall bei Abgängigkeiten rasch gemeinsam und koordiniert reagieren zu können.
Darauf finden sich aktuell 103 Vermisste, viele von ihnen schon seit Jahren und Jahrzehnten. Unter den noch "jungen" Fällen ist ein Stand-up-Paddler, der im Sommer '23 von starken Winden auf den See hinausgetrieben wurde. Auch einer der beiden am vergangenen Wochenenden entdeckten Toten, dürfte mindestens sechs Monate zuvor verstorben sein.
Geringe Chancen
"Von unserer Seite wird natürlich alles unternommen, um die Personen zu finden", betont Bernhard Aigner, Kommandant der Seepolizei Hard, gegenüber der APA.
Während die Einsatzkräfte in Ufernähe mit Tauchern und Unterwasserrobotern bessere Chancen hätten, Verunglückte im Wasser zu finden, ist das draußen auf dem See ungleich schwieriger.
Insbesondere wenn der Zeitpunkt oder Ort nicht genau bekannt sind, gleicht es der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Die Strömungen durch des durchfließenden Rheins und auch der Wind würden Vermisste oft weit von der Unfallstelle abtreiben.
Dunkle Tiefe
Einmal untergegangen ist "das größte Problem dann die Wassertiefe", erläutert Aigner. Auch sein Kollege Marcel Kuhn, der Leiter der Seepolizei im schweizerischen Thurgau, schilderte dieses bereits vor drei Jahren – "Heute" berichtete.
Weil der Bodensee durchschnittlich rund 80 Meter, an seiner tiefsten Stelle aber über 250 Meter in die Tiefe reicht, kommen viele Leichen nicht mehr zurück nach oben. "Bis 20 Meter Seetiefe stehen die Chancen gut, dass ein Körper an die Oberfläche treibt", erklärte Kuhn.
Je tiefer die Körper liegen, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit eines Auftriebs. Unter 50 Meter geht sie gegen Null. In Bodennähe verfangen sich Leichen oftmals auch in Hindernissen, Pflanzen oder werden von Sedimenten bedeckt.
Cold Cases
Und: "Ab 60 Meter Tiefe ist der See nur noch vier Grad warm. Das ist wie ein Kühlschrank. Bei dieser Temperatur entstehen kaum noch Gase, die den Körper nach oben treiben könnten", so Kuhn damals.
Manchmal werden sterbliche Überreste der Verunglückten trotz aller widrigen Umstände wieder an die Oberfläche gespült. Das passiert dann, wenn die Wasserschichten des Bodensees kräftig durchgerührt werden. Das ist etwa im Herbst und Frühjahr oder auch bei heftigen Stürmen und Hochwässern der Fall.
Lichtblick
Sollte eine der Leichen doch irgendwann wieder aus den Tiefen des Sees auftauchen, ist eine Identifizierung durch DNA-Abgleich und den alten Akten der Polizeidienststellen am Seeufer relativ gut möglich.
Für die Familien der Verschwundenen ist das zumindest ein kleiner Lichtblick. "Für Angehörige ist die Ungewissheit das Schlimmste", weiß Seepolizei-Kommandant Aigner. "Wir erleben immer wieder, wie wichtig der Fund eines Verstorbenen für die Angehörigen ist, um in der Trauer einen Abschluss zu finden."
Auf den Punkt gebracht
- Im Bodensee gibt es viele Vermisste, die oft nicht wiedergefunden werden
- Die Suche gestaltet sich schwierig aufgrund der Tiefe des Sees und der Strömungen
- Wenn Leichen auftauchen, können sie oft identifiziert werden, was den Familien der Vermissten zumindest etwas Trost spendet