Gewalt in der Klasse

"Ich gehe in die Schule und schieße alle nieder!"

Ein Erstklässler verprügelt seine Lehrerin. Aktuelle Realität in Österreich. Es kommt auch zu angedrohten Amokläufen, erzählt die Expertin.

Michael Pollak
"Ich gehe in die Schule und schieße alle nieder!"
Immer öfter kommt es wegen Gewalt zu Polizeieinsätzen in Schulen (Symbolfoto)
Denise Auer

Gewalt-Eskalation in der Klasse. Ein Schüler verprügelt seine Lehrerin. Er schlägt mit seinen Fäusten auf sie ein, verletzt sie schwer. Das allein wäre schon schlimm genug.

Aber: Dieser Schüler ist erst sechs Jahre alt, er geht in die erste Klasse Volksschule! Die Lehrerin konnte tagelang ihren Job nicht ausüben.

"Massive Gewalt gegen die Pädagogin"

Von diesem Fall berichtete die Krone. Dort sagt Kärntens Bildungsdirektorin Isabella Penz: "Der Schüler soll grundlos auf die Lehrerin losgegangen sein und hat massive Gewalt gegen die Pädagogin ausgeübt. Dann hat der Bub auch noch eine Mitschülerin attackiert. Diese blieb aber zum Glück unverletzt."

"Heute" fragte Denise Schiffrer-Barac von der Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark, ist das normal? "In dieser Konstellation habe ich so etwas noch nie gesehen – momentan erleben wir immer wieder was Neues. Hoffentlich bleibt das ein Einzelfall."

Todesdrohungen in der Schule

Doch sie weiß genau: Unsere Zeit ist voll mit 'Einzelfällen'. Einer aus der Praxis von Schiffrer-Barac: "Es gibt ganz extreme Bedrohungen in der Schule. Da sagt ein Schüler etwa: 'Ich gehe in die Klasse und schieße alle nieder, die mir etwas angetan haben!'" Diesen Fall musste Schiffrer-Barac in jüngster Vergangenheit bearbeiten.

Die renommierte Expertin fragt sich, was muss einem so jungen Kind passiert sein, dass es mit solch roher Gewalt reagiert? "Kinder sind nicht von Grund auf böse und gewalttätig – das passiert alles in der Entwicklung."

Was sie damit meint: Wir alle leben Kindern etwas vor. Daran orientieren sie sich. Aber wenn gewisse Sachen – wie etwa der Konsum von sozialen Medien – unkontrolliert geschieht, kann das in der Katastrophe enden. "Dieses Verhalten wird auch befeuert durch Videos – das kann Gewalt sein, aber auch Pornos. Irgendwas muss da massiv falsch gelaufen sein."

"Sehen Gewalt als einzigen Ausweg"

Bestandsaufnahme der Expertin: "Kinder wissen oft nicht weiter. Sie können mit Konfliktsituationen nicht mehr umgehen und sehen Gewalt als einzigen Ausweg."

Schiffrer-Barac ortet ein großes Problem, an dem unsere Gesellschaft derzeit leidet: "Wo sind unsere Leitlinien und Umgangsformen geblieben? Jetzt geschehen viele Sachen, zu denen man früher gesagt hätte, das geht einfach nicht!"

Einer der "Brandbeschleuniger" sei Corona gewesen. Seitdem werden Konflikte weniger ausgesprochen, sagt die Expertin. Warum? Weil Kinder vermehrt auf sich gestellt waren („Social Distancing“). Sie waren allein und "neue Medien waren plötzlich ein sehr großes Kommunikationsfenster."

Wir müssen wieder definieren, welche Werte zählen
Denise Schiffrer-Barac
Kinder- und Jugendanwältin Steiermark

In diesen sozialen Netzwerken sieht die Jugendanwältin einen Teil des Übels: "Da wurde jede Meinung von A bis Z auf den Tisch gelegt. Es herrschen rohe Umgangsformen und diese sind jetzt im Alltag eingezogen. Wir haben es nicht geschafft, unsere Umgangsformen im digitalen so hinzubekommen wie die realen Umgangsformen", es ist leider umgekehrt geschehen. Die Realität wurde brutaler.

Was muss jetzt geschehen, wie kommen wir raus aus dieser Nummer? "Wir müssen wieder definieren und kommunizieren, welche Werte zählen, was gesellschaftlich in Ordnung ist." Es ist schwierig, das muss auf allen Ebenen geschehen, "in der Schule, der Familie – man müsste vielen auch Unterstützung anbieten – das ist verdammt schwierig."

Auch Lehrer brauchen Hilfe

Die breite Masse der Kinder muss also wieder verstehen, wo die Grenzen liegen. Sie müssen lernen: "Ich darf das nicht überschreiten."

Bis es so weit ist, ist viele Arbeit nötig. "Wir müssen Eltern sensibilisieren. Aber auch auf professioneller Ebene muss was getan werden, bei Lehrern, in Jugendzentren, bei Sozialarbeitern und Kindergärtnern." Nachsatz: "Die brauchen alle Unterstützung. Auch ein Lehrer kann nicht Experte für alles sein", so Schiffrer-Barac.

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    Auf den Punkt gebracht

    • In Österreich eskalieren Gewaltvorfälle in Schulen, wie der Fall eines sechsjährigen Erstklässlers zeigt, der seine Lehrerin schwer verletzte und eine Mitschülerin attackierte
    • Expertin Denise Schiffrer-Barac betont, dass Kinder durch unkontrollierten Medienkonsum und fehlende gesellschaftliche Leitlinien zunehmend Gewalt als Ausweg sehen und fordert umfassende Unterstützung und Sensibilisierung auf allen Ebenen, um diese Entwicklung zu stoppen
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