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"Hühner gestresst" – Veganer als Tierquäler angeklagt
Bizarr: In der Schweiz muss ein Tierschutz-Aktivisten wegen Tierquälerei vor Gericht, weil er bei einer Protestaktion "Hühner gestresst" haben soll.
Ist es Tierquälerei, wenn Tierschutz-Aktivisten sich Zugang zu einem Hühnerstall verschaffen und dadurch womöglich die Tiere zusätzlichem Stress aussetzen? Ja, sagte die Aargauer Staatsanwaltschaft und brummte Matej Glivar (36) einen Strafbefehl auf. Dagegen wehrte er sich am Dienstag vor dem Bezirksgericht Laufenburg.
Zusammen mit anderen Aktivisten war der 36-Jährige im Mai 2021 in einen Hühnerstall in Eptingen, Basel-Landschaft, eingestiegen, um gegen das Leid dort verortete Leid der Nutztiere zu protestieren. "In den Ställen gibt es mehrere tote, verletzte und kranke Tiere. Die Hühner haben wenig Platz und leben dicht aneinandergedrängt", hieß es damals.
"Keine Anzeichen für Problembetrieb"
Die Polizei entfernte die Aktivisten aus dem Stall, die Situation blieb friedlich. Doch laut der Staatsanwaltschaft wurden die Tiere unnötigem Stress ausgesetzt. Neben Hausfriedensbruch und Nötigung warf sie dem Beschuldigten auch Tierquälerei vor. Für die Aktivisten absurd: "Veganer ist wegen Tierquälerei angeklagt", schreiben sie in einer Medienmitteilung. Sie verstehen nicht, wieso einer aus ihren Reihen vor Gericht steht, wenn die Verfehlungen aus ihrer Sicht beim Hof liegen.
Die Besitzer relativierten nach dem Vorfall die Vorwürfe gegen ihren Hof: "Wir haben 8.000 Tiere. Es ist normal, dass manchmal einige davon sterben", so die Landwirtin gegenüber der Pendlerzeitung "20 Minuten" und argumentiert, dass man auch nicht jeden Tag tote Tiere entsorgen könne.
Die Kantonstierärztin fand nichts Außergewöhnliches: "Auch die heute angetroffene Situation lässt keine Anzeichen erkennen, dass es sich um einen Problembetrieb handelt", sagte sie. Die Frage nach der ethischen Vertretbarkeit der Nutztierhaltung sei nicht durch den Veterinärdienst zu beantworten.
Gericht will abwarten
Obwohl das Verfahren am Dienstag für weniger als zwei Stunden angesetzt war, kam noch nichts dabei raus. Wie Anja Glivar, selber Aktivistin und Sprecherin des Beschuldigten, sagt, habe der Richter nach dem Verteidigungs-Plädoyer entschieden, das Verfahren zu pausieren. Das Gericht bestätigt auf Anfrage von "20 Minuten", dass man die anderen mit dem Fall zusammenhängenden Verfahren abwarten wolle, bevor in der Sache ein Entscheid gefällt werde.
Der Fall wird in Laufenburg verhandelt, weil eine Aktion der Glivars und ihres Umfelds im Fricktal wohl den Auftakt zu einer ganzen Reihe von Vorfällen bildete, wie die "Aargauer Zeitung" schreibt. Darum sei das Bezirksgericht mit der Behandlung sämtlicher Verfahren betraut worden.