Schwimmende Umwelt-Bombe

Hochexplosiver Frachter "Ruby" irrt weiter durchs Meer

Mit 20.000 Tonnen extrem entzündlichem Ammoniumnitrat beladen, irrt das Riesenschiff seit Wochen durch die Meere. Es droht eine Umweltkatastrophe.

Bernd Watzka
Hochexplosiver Frachter "Ruby" irrt weiter durchs Meer
Gefährliche Fracht: Kein Land will die gefährliche "Ruby" anlegen lassen
Vesselfinder

Derzeit ankert die explosive "Ruby" im Ärmelkanal vor der britischen Küste. Neues Ziel der Odyssee: Malta, geplante Ankunftszeit: 8. Oktober. Bis dahin kann noch viel passieren – beispielsweise eine Umweltkatastrophe von gigantischem Ausmaß.

In russischem Hafen abgelegt

Als die "Ruby" Ende August im nordrussischen Hafen Kandalakscha nahe Finnland die Leinen loswirft, ahnt niemand, welche Irrfahrt dem 183-Meter-Frachter bevorstehen würde. Ursprüngliches Ziel der "Ruby" war Las Palmas auf den Kanarischen Inseln.

Grundsubstanz für Kunstdünger – oder Sprengstoff

Die Ladung: Ammoniumnitrat, Grundstoff zur Herstellung von Kunstdünger – oder Sprengstoff. Zur Erinnerung: Bei der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut 2020 hatten sich knapp 3.000 Tonnen des Stoffes entzündet. Die "Ruby" hat 20.000 Tonnen Ammoniumnitrat an Bord.

Ende August bat der Kapitän während eines Sturmes norwegische Gewässer anlaufen zu dürfen. Erst ankerte die "Ruby" hinter einer Insel, dann lief der hochexplosive Frachter den Hafen von Tromsø an. Keine 500 Meter entfernt vom Uni-Krankenhaus (6.500 Angestellte, 600 Patienten), machte sie fest.

Schreckliche Erinnerungen: Die Zerstörungen nach der Explosion einer Ammoniak-Fracht im Hafen von Beirut 2020.
Schreckliche Erinnerungen: Die Zerstörungen nach der Explosion einer Ammoniak-Fracht im Hafen von Beirut 2020.
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"Ruby" im Hafen von Tromsø inspiziert

"Wir haben eine Inspektion an Bord vorgenommen und mit der Besatzung gesprochen. Unsere Untersuchung hat kein verändertes Risiko im Zusammenhang mit der Ladung des Schiffes ergeben", sagte Håvard Malmedal vom Rettungsdienst in Tromsø. Trotzdem wird das Schiff nach mehreren Wochen wegen seiner riskanten Ladung aus dem Hafen verwiesen.

"Ruby" Teil von Russlands hybridem Krieg?

Die Ladung ist womöglich nicht das einzige Problem. Experten warnen seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor einer "Schattenflotte" aus veralteten Schiffen unter der Flagge von Drittstaaten, die russische Güter durch Ost- und Nordsee transportieren.

Die Position von "Ruby" am 27. September auf Vesselfinder.com
Die Position von "Ruby" am 27. September auf Vesselfinder.com
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Kein Hafen will das Ammoniak-Schiff aufnehmen

Jacob Kaarsbo vom dänischen Think-Tank Europa sagte, die "Ruby" verhalte sich "verdächtig". Er schließe nicht aus, dass das Schiff Teil eines hybriden Kriegs ist, mit dem Russland die Reaktion der nordeuropäischen Staaten testen wolle, sagte Kaarsbo.

Am 4. September wurde die "Ruby" aus dem Hafen von Tromsø auf einen Ankerplatz vor der Küste geschleppt. Dort fanden Reparaturen statt, im litauischen Klaipėda sollte das Schiff in die Werft. Aber der baltische EU-Staat verweigerten die Einfahrt, ebenso wie zuvor die schwedischen Häfen Göteborg und Uddevalla.

Schiff auf dem Weg nach Malta

Das neue Ziel von Ruby heißt Malta, unter dessen Flagge die "Ruby" fährt – begleitet von der norwegischen Küstenwache. Doch als das Schiff die Stadt Bergen und Nato-Basen an Norwegens Südwestküste passierte, meldete die Crew den Totalausfall der Maschine.

War Frachter wirklich "manövrierunfähig"?

Im elektronischen Schiffs-Informationssystem AIS springt der Status des Frachters auf "driftend, manövrierunfähig" – nahe norwegischer Offshore-Ölfelder und an der Einfahrt zum Skagerrak, einem der meistbefahrenen Routen der Welt.

Ein Hochseeschlepper zog die "Ruby" schließlich weiter Richtung Mittelmeer. Derzeit liegt "Ruby" liegt im Ärmelkanal vor Anker. Wie die Reise des explosiven Frachters weitergeht, ist ungewiss.

Auf den Punkt gebracht

  • Der Frachter "Ruby", beladen mit 20.000 Tonnen hochentzündlichem Ammoniumnitrat, irrt seit Wochen durch die Nord- und Ostsee, da kein Hafen das Schiff anlegen lässt
  • Derzeit ankert die "Ruby" im Ärmelkanal vor der britischen Küste, mit dem Ziel Malta, während Experten vermuten, dass das Schiff Teil eines hybriden Kriegs Russlands sein könnte
bw
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