Politik

Heeres-Einsatz in Ukraine (k)eine Frage der Neutralität

Würde ein Hilfseinsatz des Bundesheeres zur Landminen-Räumung in der Ukraine gegen Österreichs Neutralität verstoßen? Eine Einordnung.

Roman Palman
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Bundesheer-Soldaten hissen die österreichische Flagge beim "Großen Zapfenstreich" in St. Pölten. (Archivbild)
Bundesheer-Soldaten hissen die österreichische Flagge beim "Großen Zapfenstreich" in St. Pölten. (Archivbild)
Josef Bollwein / SEPA.Media / picturedesk.com

Soll Österreich die angegriffene Ukraine bei der Räumung ihrer riesigen Minenfelder unterstützen? Diese Frage hat einmal mehr zu einer hitzigen Debatte um die "immerwährende Neutralität" unseres Landes geführt. An vorderster Spitze wieder einmal FPÖ-Chef Herbert Kickl, der sich dabei auf Alexander Van der Bellen einschoss.

Dieser hatte am Rande des Europaratsgipfels in Island mit folgendem Vorstoß für Aufsehen gesorgt: "Ich verstehe nicht, warum die Bundesregierung bei der Frage der Entminung immer noch zögert. Unterstützung bei der Entminung ziviler Bereiche wie Wohnhäuser, Schulen, Kindergärten oder landwirtschaftlicher Gebiete widerspricht sicher nicht der österreichischen Neutralität, sondern ist eine humanitäre Angelegenheit", so Van der Bellen, der als Präsident auch Oberbefehlshaber des Bundesheeres ist.

Kickl reagierte umgehend mit scharfen Worten: "Van der Bellen begibt sich auf ein gefährliches politisches Glatteis, wenn er meint, dass österreichische Soldaten in der Ukraine Minen entschärfen könnten. Den Präsidenten muss bei dieser Ansage wohl der Teufel geritten haben, denn in einem kriegführenden Land, einen militärischen Einsatz durchzuführen, lässt sich sicherlich nicht mit unserer Neutralität vereinbaren".

BILDSTRECKE: Riesige Minenfelder in der Ukraine

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    Getreidefarmer Oleksandr Klepach vor seinem von einem Schützengraben völlig zerfurchten Feld in Snihuriwka, Oblast Mykolajiw, im Februar 2023.
    Getreidefarmer Oleksandr Klepach vor seinem von einem Schützengraben völlig zerfurchten Feld in Snihuriwka, Oblast Mykolajiw, im Februar 2023.
    REUTERS/Lisi Niesner

    Doch was stimmt nun? Steht ein solcher Einsatz, wie Kickl es behauptet, Österreichs Neutralität entgegen? Die Antwort ist ein klassisches "Nein, aber..."

    Österreich initiierte Anti-Landminen-Abkommen

    Dazu muss man ein wenig bis ins Jahr 1999 ausholen, als das internationale Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung in Kraft trat. Dieses wurde von 164 Ländern, darunter auch Österreich und die Ukraine, ratifiziert.

    Österreich fühle sich "als einer der führenden Staaten" des sogenannten Ottawa-Prozesses dem Verbot von Antipersonenminen "besonders verpflichtet", betont das Außenministerium auf seiner eigenen Infoseite. Wie der Politologe Martin Senn hervorhebt, hat jeder Mitgliedsstaat das Recht, "soweit machbar, Hilfe von anderen Vertragsstaaten [...] zu erbitten und zu erhalten". Die Ukraine dürfte also bei Österreich anfragen. 

    Der Minenaktionsdienst der Vereinten Nationen (UNMAS) unterscheidet klar zwischen militärischer und humanitärer Minenräumung. Erstere ist dadurch definiert, dass sie dazu dient, einen Pfad für einen weiteren Truppenvorstoß in einem Konflikt zu öffnen. Letztere – auf diese bezog sich Van der Bellen – zielt darauf ab, das "Land zu räumen, damit Zivilisten, ohne durch Sprengfallen in Gefahr zu sein, in ihre Häuser zurückkehren und ihrem Alltag nachgehen können." 

    Eine solche wäre mit der österreichischen Neutralität wohl vereinbar. Völkerrechtler Ralph Janik etwa sieht mögliche rechtliche Fragezeichen durch den EU-Ratsbeschluss über die Unterstützung der Ukraine aus dem Weg geräumt: Hilfeleistungen bei der (humanitären) Entminung seien demnach verfassungsrechtlich gedeckt, so der Experte.

    Kanzler-Machtwort: Zu gefährlich

    Das Wollen ist aber ein anderes Paar Schuh. Immerhin ist die Ukraine weiterhin ein gefährliches Kriegsgebiet, auch abseits der Front drohen Raketenangriffe durch die russische Armee.

    Karl Nehammer spricht sich gegen einen Bundesheer-Einsatz zur humanitären Landminen-Räumung in der Ukraine zu Kriegszeiten aus.
    Karl Nehammer spricht sich gegen einen Bundesheer-Einsatz zur humanitären Landminen-Räumung in der Ukraine zu Kriegszeiten aus.
    JUAN BARRETO / AFP / picturedesk.com; ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com

    Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) etwa erteilte Van der Bellens Vorstoß eine Abfuhr mit der Erklärung, dass man aktuell in der Ukraine nicht "zwischen einer humanitären und einer militärischen Entminung unterscheiden" könne. Außerdem komme hinzu, dass die österreichischen Entminungsgeräte gegenwärtig im Westbalkan im Einsatz stünden, man habe also gar keine Kapazitäten.

    Am Freitag sprach Bundeskanzler Karl Nehammer dann ein Machtwort, bei dem er die Gefahr für Leib und Leben eines solchen Einsatzes hervorhob:

    "Es wird kein österreichischer Soldat für einen operativen Einsatz zur Räumung von Minen ukrainischen Boden betreten, solange das ein Kriegsgebiet ist. Wer österreichische Soldaten in ein Kriegsgebiet schicken will, der riskiert, dass sie nicht mehr lebend zurückkommen. Dieser Preis ist zu hoch."

    Die Frage dürfte somit erstmal vom Tisch sein.

    Apropos immerwährende Neutralität
    Die Neutralität Österreichs ist in einem Bundesverfassungsgesetz klar geregelt. Es besagt, dass Österreich seine Neutralität verteidigen und weder Militärbündnissen beitreten, noch Militärbasen fremder Staaten auf eigenem Territorium zulassen wird – nicht mehr, nicht weniger.
    Wörtlich heißt es in Artikel I:
    (1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.

    (2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.
    Quelle: RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Neutralitätsgesetz, Fassung vom 19.05.2023

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      privat, iStock