Baby-Blog
Hat die Pandemie uns den Anstand genommen?
"Heute"-Redakteurin und Bloggerin Christine Scharfetter erzählt von ihren täglichen Erfahrungen als Mama.
Mit Kinderwagen und Nachwuchs war es noch nie einfach in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Doch ein Plätzchen, wo das Gefährt sicher stand und das Kind sitzen konnte, fand sich immer - zumindest bevor uns die Corona-Pandemie traf. Denn während zumindest im ersten Lockdown plötzlich Nachbarschaftshilfe und Rücksicht auf Ältere als tägliches Mantra galt, wurde vier (oder wie viele waren es noch einmal?) Lockdowns und einen fast normalen Sommer später wohl jegliches rücksichtsvolles Miteinander über Bord geworfen. Zumindest bei jenen Generationen, die in den vergangenen eineinhalb Jahren nicht für andere zurückstecken mussten.
Oder wie kann man sich erklären, dass in einer Wiener Vorortelinie anstatt der gewöhnlichen Sitzplätze alle Klappsessel im Mehrzweckbereich besetzt sind, allerdings niemand die geringsten Anstalten macht, aufzustehen, um Kind und Wagen Platz zu machen? Überraschenderweise hatte keine dieser Personen einen Rollstuhl einen Kinderwagen oder ein Fahrrad dabei.
Christine Scharfetter ist "Heute"-Redakteurin und Bloggerin auf www.TheHallstand.com. Seit über 30 Monaten lernt sie nun immer wieder neue Grenzen in ihrem Leben als Mutter der kleinen Frankie Malou kennen.
Instagram.com/christinescharfetter
Grundsätzlich sehe ich darin kein Problem, schließlich kann ich mich mit meiner Tochter gerne auf einen bequemeren Platz setzen. Allerdings würde der Kinderwagen mitten im Gang des Mehrzweckbereichs spätestens bei der ersten Bremsung durch die Gegend fliegen.
Chapeau, Österreichs Jugend
Wobei falsch, es stand doch in letzter Sekunde, bevor die Schnellbahn losfuhr, jemand auf. Ein junges Mädel im Teenager-Alter. Ihr Freund half mir freundlicherweise auch noch beim "Einparken". Ein gar nicht so leichtes Unterfangen in einer überfüllten Schnellbahn bei voller Fahrt mit quengelndem Kind an der Hand.
Man sieht, Österreichs Jugend steckte nicht nur die vergangenen eineinhalb Jahre zurück. Diese Generation ist auch die einzige - zumindest in dieser Schnellbahn - die im fast normalen Sommer das rücksichtsvolle Miteinander nicht wieder vergessen hat.
Das bemerkte ich an diesem Tag noch ein zweites Mal: Direkt nach dem Aussteigen wollte ein junger Mann mir unbedingt den Kinderwagen die Stiegen runtertragen, nur damit ich nicht den Aufzug nehmen muss. Was soll man da noch sagen, außer: Gebt ihnen endlich ihre Jugend zurück! Sie haben es mehr als verdient!