In den österreichischen Ärzte-Ordinationen kommt es immer häufiger zu physischer und psychischer Gewalt. Die Aggressionen entladen sich dabei oft auch als "Hass im Netz" in den sozialen Medien, untergriffigen Bewertungen und hasserfüllten E-Mails.
Laut einer Erhebung des Meinungsforschers Peter Hajek unter 1.102 Ärzten war rund ein Fünftel der niedergelassenen Ärzte in den vergangenen zwei Jahren mit persönlichen Drohungen per E-Mail konfrontiert, 13 Prozent in den sozialen Medien. Auch die Floridsdorfer Allgemeinmedizinerin und Vizepräsidentin der Ärztekammer Wien, Naghme Kamaleyan-Schmied, wurde bereits Opfer von Beschimpfungen und Drohungen.
„Es war während der Covid-Pandemie. Ich habe Morddrohungen erhalten, weil ich geimpft habe“Naghme Kamaleyan-SchmiedAllgemeinmedizinerin und Vizepräsidentin der Ärztekammer Wien
"Es war damals, während der Covid-Pandemie. Ich habe Morddrohungen erhalten, weil ich geimpft habe. Es waren drei oder vier E-Mails. Darin stand, dass Impfen Völkermord ist und ich die Konsequenzen tragen werde. Man wird mich finden", erinnert sich Kamaleyan-Schmied.
Für die Ärzte, aber auch das gesamte Ordinationspersonal sind die Angriffe eine massive psychische Belastung: "Wir haben in Angst und Schrecken gelebt, ich konnte tagelang nicht schlafen. Ich wusste nicht, was man in so einer Situation machen soll. Leider habe ich damals falsch reagiert und die E-Mails gelöscht", berichtet die Allgemeinmedizinerin.
Damit Mediziner wissen, was in so einem Fall zu tun ist, wurde nun eine Ombudsstelle als Erstanlaufstelle eingerichtet. Sie bietet rechtliche Beratung bei Angriffen im digitalen Raum. Das Konzept wurde gemeinsam mit der Rechtsanwältin Maria Windhager erarbeitet.
Rechtsexperten bieten Betroffenen eine Ersteinschätzung zu möglichen juristischen Schritten. Die Kammer stellt zudem Vorlagen wie etwa Musteranträge für Löschungsbegehren zur Verfügung, mit der Beratungsstelle "Physicians Help Physicians" gibt es auch rasche und unbürokratische Hilfe durch erfahrene Ärzte mit psychotherapeutischer Ausbildung.
Welche Auswirkungen die Beschimpfungen und Beleidigung haben können, zeigt Kamaleyan-Schmied auf: "In meiner Ordi haben zwei Mitarbeiter deswegen gekündigt. Eine junge, sehr engagierte Kollegin, die sich sehr um eine Patientin bemüht hatte, wurde auf einer bekannten Suchmaschine dann als 'inkompetent' bezeichnet und, dass sie 'total fehl am Platz' sei. Sie hat sich das sehr zu Herzen genommen und wollte dann keine Allgemeinmedizinerin mehr sein. Der zweite Vorfall betraf einen Mitarbeiter am Empfang, der einen Patienten auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte und daraufhin im Netz beschimpft wurde."
Den Hauptgrund für den mitunter großen Zorn der Patienten – etwa durch lange Wartezeiten – verortet Kamaleyan-Schmied aktuell in einer generellen Unterversorgung, Covid spiele hingegen kaum noch eine Rolle. Es sei unabdingbar, dass sich Ärzte und Patienten in den Ordinationen sicher und wohlfühlen.